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       # taz.de -- Repression an der Columbia University: Es wird ein Exempel statuiert
       
       > Proteste an der US-Universität werden mit Repression durch Trumps
       > Regierung beantwortet: Verbote, Verhaftungen, Ausweisungen. Das Ziel ist
       > Einschüchterung.
       
   IMG Bild: Protest in New York nach der Verhaftung des Studenten Mahmoud Khalil durch Einwanderungsbeamte an der Columbia University am 15. 03
       
       Die USA erleben in diesem Moment einen der härtesten Angriffe auf die
       Grundwerte der Demokratie – und die aktuellen [1][Ereignisse an der
       Columbia University in New York] stehen genau dafür als Beispiel von
       wachsender Repression und Zensur.
       
       Ich bin Forschungsdoktorandin an der Columbia University, aber gerade weit
       entfernt von New York. Und trotzdem machen sich Menschen, mit denen ich
       mich unterhalte, Sorgen um meine Sicherheit. Manchmal wird mir bewusst, wie
       absurd und dystopisch solche Gespräche sind. Ich bin eine weiße,
       europäische cis-Frau an einer privaten Universität mit über 13.700
       internationalen Studierenden, ich genieße ein hohes Maß an Privilegien.
       Wieso sollte ich Hilfe oder Schutz brauchen?
       
       Im vergangenen Jahr geriet Columbia in die Schlagzeilen, als Studierende
       ein Camp errichteten, um gegen die Kriegspolitik Israels zu protestieren.
       [2][Andere Universitäten folgten, auch in Deutschland]. Egal wie man zu den
       heterogenen Forderungen und Äußerungen dieser Protestbewegung steht, so
       sind sie doch durch die freie Meinungsäußerung geschützt. Bis jetzt. Am 7.
       März verkündete die [3][Trump-Regierung, dass sie der privaten Columbia
       University 400 Millionen Dollar an staatlichen Fördergeldern streicht].
       Grund sei das fehlende Eingreifen angesichts antisemitischer Vorfälle auf
       dem Campus. Dass das ein Strohmann-Argument ist, wird durch die starke
       Polizeipräsenz und den geschlossenen Campus ersichtlich, wie auch [4][David
       Wallace-Wells in der New York Times] schrieb.
       
       Tatsächlich wird ein Exempel statuiert: Wo es Proteste gibt, wird die
       Regierung Repressionen folgen lassen. Diese Realität wurde spätestens am
       14. März durch den [5][Forderungskatalog der Regierung an Columbia] klar.
       In diesem wird unter anderem gefordert, dass
       Universitätspräsident:innen Studierende direkt exmatrikulieren
       können, dass die campuseigene Security Studierende festnehmen darf, dass
       die Fakultät der Middle Eastern, South Asian and African Studies extern
       geleitet werden soll, vermutlich durch einen regierungsnahen Angestellten.
       Diese Forderungen sehen nicht nur Studierende und Uni-Angestellte als
       beispiellosen Eingriff in die Unabhängigkeit der akademischen Institution.
       
       ## Absolvent palästinensischer Herkunft verhaftet
       
       Aber nicht nur Columbia an sich steht im Visier der Regierung. Am 8. März
       wurde [6][Mahmoud Khalil, ein Columbia-Absolvent mit palästinensischen
       Wurzeln und ehemaliger Sprecher der Columbia-Protestbewegung], von Agenten
       des Immigration and Customs Enforcement (ICE) verhaftet. Man informierte
       ihn darüber, dass sein Studentenvisum widerrufen wurde – dabei besitzt er
       gar kein Visum, sondern eine Green Card. Bei einem Radiointerview konnte
       der neue stellvertretende Sekretär des Department of Homeland Security,
       Troy Edgar, nicht erklären, welches Gesetz Khalil spezifisch gebrochen
       habe, um eine Festnahme und Abschiebung zu rechtfertigen. Auf die Frage, ob
       Aktivismus genug sei, um abgeschoben zu werden, antwortete er nicht.
       
       Auch der Fall Ranjani Srinivasans zeigt, dass der bloße Verdacht auf
       Teilnahme an den Protesten reicht, um Visa zu widerrufen. Die Studentin aus
       Indien wurde am selben Tag wie Khalil von ICE-Agenten aufgesucht. Zwar
       wurde sie im vergangenen Jahr bei Campusprotesten kurzfristig festgenommen,
       doch stellte sich schnell heraus, dass sie auf dem Weg nach Hause nur in
       den Strom der Demonstrierenden geraten war. Ihr Verfahren wurde
       entsprechend fallen gelassen. Aber ihr Name landete im System in Verbindung
       mit den Protesten – ihr Visum wurde nun widerrufen, und ICE sollte sie
       verhaften. Geistesgegenwärtig öffnete ihre Mitbewohnerin nicht die Tür, und
       [7][Srinivasan schaffte es, nach Kanada zu fliehen,] bevor die Agenten
       zurückkehrten. Aufgrund des Widerrufs ihres Visums wurde sie automatisch
       exmatrikuliert.
       
       Khalils Verhaftung erfolgte an einem Samstag. Am Montag füllte sich mein
       E-Mail-Posteingang mit Statements von verschiedenen Ebenen der Universität,
       von der Interimspräsidentin Katrina Armstrong bis hin zur fakultätseigenen
       Beauftragten für Doktoranden. Von Floskeln wie „Wir bleiben unseren Werten
       treu“ bis hin zu Hinweisen, wie man mit ICE-Agenten umgeht. Es wurde darauf
       hingewiesen, dass mehrere Studierende und Lehrkräfte im Internet „gedoxxt“,
       also ihre persönlichen Daten inklusive eines Fotos veröffentlicht worden
       sind. Der Grund: Sie haben im vergangenen Jahr an den Protesten
       teilgenommen oder offene Briefe unterzeichnet. Manche von ihnen erhielten
       Drohungen. Seit dem Regierungswechsel Ende Januar nahm Doxxing so stark zu,
       dass die [8][Universität neue Richtlinien erlassen musste]. Hier zeigt
       sich, wie die repressive Politik der Regierung Einschüchterungsversuchen
       und Selbstjustiz Aufwind gibt.
       
       Auf Social Media wird bereits nach den nächsten internationalen
       Studierenden mit unerwünschten Meinungen gesucht: Wie Trump im Zuge von
       Khalils Verhaftung erklärte, sollen „viele Festnahmen“ folgen. Es ist ein
       „Versprechen“, dass man dieser Regierung durchaus abnehmen sollte. Dabei
       ist es egal, ob man die Meinung Khalils und der anderen Aktivist:innen
       teilt. Ihre Verhaftungen muss man im Kontext einer sich ausbreitenden
       Repressionswelle sehen. Verhaftungen und Abschiebungen werden so zum
       Werkzeug der Regierung, um unerwünschte Stimmen verstummen zu lassen – egal
       ob es um den Nahost-Konflikt, Rechte für trans*Menschen oder die
       kritische Aufarbeitung der kolonialen Geschichte des Landes geht. Von
       [9][staatlichen Webseiten wurden solch unerwünschte Themen bereits
       entfernt].
       
       Ich selbst bin wie gesagt in Sicherheit, in einem anderen Bundesstaat, um
       meine Forschung abzuschließen. Danach kehre ich nach Europa zurück, um dort
       meine Doktorarbeit zu Ende zu schreiben. Falls ich nicht schon vorher
       ausgewiesen und exmatrikuliert werde.
       
       18 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.nytimes.com/2025/03/16/opinion/trump-khalil-columbia-speech.html
   DIR [2] /Neues-Protestcamp-an-der-FU-Berlin/!6018732
   DIR [3] /Trumps-Kahlschlagpolitik/!6074189
   DIR [4] https://www.nytimes.com/2025/03/10/opinion/the-problem-at-the-heart-of-trumps-university-crackdown.html
   DIR [5] https://www.nytimes.com/interactive/2025/03/14/nyregion/columbia-letter.html
   DIR [6] /Trump-Regierung-gegen-Uni-Proteste/!6075092
   DIR [7] https://www.nytimes.com/2025/03/15/nyregion/columbia-student-kristi-noem-video.html
   DIR [8] https://universitypolicies.columbia.edu/content/anti-doxing-and-online-harassment-policy
   DIR [9] /Trump-verbietet-Worte/!6072566
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Amanda Althoff
       
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