# taz.de -- Misogynie in der Kulturbranche: Besser nicht Mutter werden
> Sorgearbeit kommt immer wieder in den Spielplänen vor. Doch die
> Theaterbranche hat ein Problem mit Mutterschaft, findet unsere Autorin.
IMG Bild: Pausiert gerade: „#Motherfuckinghood“ von Claude De Demo und Jorinde Dröse am Berliner Ensemble
Theater und Care – das ist so eine Sache. Denn auf der Bühne ist [1][das
Thema Sorgearbeit immer wieder präsent]. Es kommt zwar in verschiedenen
Wellen, verschwindet aber zum Glück nie ganz. Dabei werden auch inhaltlich
immer neue Schwerpunkte gesetzt.
Momentan sind einige Stücke zum Thema Mutterschaft auf den Spielplänen. Zum
Beispiel an der Berliner Volksbühne mit „Mama Mega“ oder
„#Motherfuckinghood“ am Berliner Ensemble. Letztes pausiert allerdings
gerade. Jorinde Dröse und Claude de Demo haben [2][ihre Stückentwicklung
vom Spielplan genommen], bis die Vorwürfe zu Mobbing und Machtmissbrauch im
Haus geklärt sind.
Anfang März ist [3][im Spiegel ein Artikel erschienen], in dem
Mitarbeiterinnen der Maskenabteilung des Hauses von Mobbing und
Diskriminierung am Arbeitsplatz berichten. Besonders betroffen: Mütter.
Zitiert wird eine ehemalige Mitarbeiterin der Maskenabteilung mit den
Worten: „Wir wollen so feministisch und frauenrechtlerisch sein am Berliner
Ensemble, treten aber die Rechte unserer Frauen mit Füßen.“
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das Miteinander und
Füreinanderdasein: Das sind Themen, die zwar sehr viele Menschen
interessieren, betreffen und uns alle als Gesellschaft etwas angehen.
Deshalb gehört das Thema Care auch weiterhin auf die Spielpläne.
## Sorgearbeit in den Spielplänen
Irritierend ist nur, dass diejenigen, die für diese Spielpläne
verantwortlich sind, die also das Thema Sorgearbeit als gesellschaftlich
relevant und wertvoll für aktuelle Diskurse einschätzen, häufig nichts von
dem in ihre Arbeitspraxis mitnehmen, was auf ihren Bühnen verhandelt wird.
Dass so viele Kolleginnen die Stadt- und Staatstheater meiden, weil sie
nicht nur weiße Institutionen, sondern auch Männerbuden waren, um sich
stattdessen in solidarischen kollektiven Strukturen in der Freien Szene zu
organisieren, ist nicht verwunderlich. Es trägt aber auch massiv zum
Gender-Pay-Gap im Theaterbereich bei. Denn in der Freien Szene wird
wesentlich schlechter verdient. Die Zynikerin in mir würde sagen: Hier
braucht man nicht so viel über die Vereinbarkeit von Elternschaft und Beruf
zu sprechen, weil man sich Kinder sowieso nicht leisten kann.
In allen Kunstsparten gilt Mutterschaft als uncool. Muttersein und das
wilde, freie Künstler*innenleben – das geht nicht zusammen. Hier geht
es nicht um Elternschaft an sich, sondern um die misogyne Abwertung von
allen, die als „Mutti“ wahrgenommen werden. Wahrscheinlich ist das einer
der Gründe, warum ich von einigen Kolleginnen erst sehr spät erfahren habe,
dass sie Kinder haben.
Und dann ist da der Druck. Die Beobachtung, unter der Kolleginnen ab dem
Moment ihrer Schwangerschaft stehen: Schafft die das? Das
Arbeitsverständnis vieler Theaterleute besagt im Grunde: Du sollst keine
anderen Götter neben dem Theater haben. Kinder oder generell
Verpflichtungen gegenüber Menschen, die nicht Teil des Theaterkosmos sind,
stören dieses System.
Ich habe keine Kinder und ich wollte auch nie welche. Ob die
Mütterfeindlichkeit im Kulturbetrieb bei dieser Entscheidung eine Rolle
gespielt hat, kann ich heute nicht mehr sagen. Aber ich erinnere mich sehr
gut an ein Gespräch nach der ersten Probe meiner ersten Regiearbeit. Die
Intendantin ermahnte mich, nie wieder selbstgebackene Kekse zum Probenstart
mitzubringen. Man könne mich schließlich nicht ernst nehmen, wenn ich „als
Mutti auftreten“ würde.
20 Mar 2025
## LINKS
DIR [1] /Mutterschaft-auf-der-Buehne/!5987344
DIR [2] /Nach-Vorwuerfen-am-Berliner-Ensemble/!6072617
DIR [3] https://www.spiegel.de/kultur/machtmissbrauchs-vorwuerfe-am-berliner-ensemble-mobbing-gegen-muetter-a-8bc286e9-7bc0-4960-9021-fb7d3da3eff7
## AUTOREN
DIR Simone Dede Ayivi
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