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       # taz.de -- US-Urteil gegen Greenpeace: Auf das Recht ist kein Verlass
       
       > Greenpeace muss wegen Rufschädigung eines Erdölkonzerns eine happige
       > Strafe zahlen. Der Fall zeigt die Risiken des Rechts für die
       > Klimabewegung.
       
   IMG Bild: Monatelange protestiert die indigene Bevölkerung gegen den Bau der Pipeline, 22.2.2017
       
       Es ist eine Entscheidung, die sich zutiefst absurd anfühlt: Wegen seiner
       Beteiligung an den Protesten gegen den Bau einer Pipeline [1][soll der
       US-Ableger von Greenpeace 660 Millionen Euro Strafe zahlen]. Grundlage für
       die astronomisch hohe Summe sind die Gewinnverluste, die das
       Erdölunternehmen Energy Transfer durch die Schädigung seines Rufes erlitten
       habe. Die Jury des Gerichts in North Dakota verurteilt also eine
       Umweltorganisation dafür, dass sie tut, wofür sie sich gegründet hat:
       fossile Großkonzerne zu kritisieren. Sollte es zu einer Zahlung kommen,
       könnte das das Ende der Umweltorganisation bedeuten.
       
       Trotz aller Absurdität zeigt der Fall vor allem eines: Im Kampf für mehr
       Klimaschutz ist das Recht ein unzuverlässiger Verbündeter. Die Bewegung
       täte gut daran, den Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit nicht zu
       vergessen. Konkret wirft Energy Transfer Greenpeace vor, die Proteste gegen
       die North-Dakota-Pipeline im Jahr 2016 „orchestriert“ zu haben. Damals
       protestierten monatelang Umweltaktivist:innen zusammen mit der
       indigenen Bevölkerung gegen den Bau des Infrastrukturprojekts in dem
       US-Bundesstaat. Mitglieder des indigenen Volkes Standing Rock Sioux
       fürchteten, die Pipeline würde die Wasserversorgung gefährden.
       
       Die Entscheidung der Jury, der abenteuerlichen Argumentation des Ölkonzerns
       zu folgen, sollte die Klimabewegung aufhorchen lassen. In den vergangenen
       Jahren setzten Aktivist:innen immer mehr Hoffnung darauf, Staaten und
       Konzerne durch Gerichtsprozesse zum Klimaschutz zu zwingen. Wenn
       Strafzahlungen so hoch sind, könne es sich ein Unternehmen schon aus
       wirtschaftlichen Gründen nicht leisten, Klima und Natur zu zerstören,
       lautet das Kalkül.
       
       Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2021, die Klimapolitik
       der damaligen Bundesregierung als unvereinbar mit dem Grundgesetz zu
       erklären, gilt als Paradebeispiel für diesen juristischen Klimaaktivismus.
       Eine Reihe weiterer Klagen folgten; jüngstes Beispiel ist der
       [2][peruanische Bergführer Saúl Luciano Lliuya], der gerade den
       Energieriesen RWE verklagt, weil sein Haus durch Überschwemmungen bedroht
       ist.
       
       ## An der Ursache ändert sich nichts
       
       Klimaklagen sind wichtig, um Aufmerksamkeit auf die schreiende
       Ungerechtigkeit der Klimakatastrophe zu lenken und Staaten ihre eigene
       Inkonsequenz vor Augen zu halten. Doch es wäre gefährlich, sich der
       Illusion hinzugeben, sie könnten an der Ursache der Klimakrise etwas
       ändern: dem fortwährenden Wachstumszwang unseres Wirtschaftssystems und dem
       damit einhergehenden Hunger nach Rohstoffen.
       
       Dies macht das Greenpeace-Urteil schmerzlich bewusst. Anstatt ein
       wirkungsvoller Hebel für Veränderung zu sein, wird das Recht zum Werkzeug
       von Großkonzernen. Letztlich führt kein Weg am Kampf für politische
       Mehrheiten für echten Klimaschutz vorbei.
       
       20 Mar 2025
       
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