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       # taz.de -- Nationaler Volkskongress in China: Peking macht die Milliarden locker
       
       > Chinas Parteiführung begegnet Trumps Handelskrieg mit einem
       > ambitionierten Wirtschaftsprogramm. Die Märkte reagieren positiv.
       
   IMG Bild: Xi Jinping wird beklatscht
       
       Seoul taz | Wenn die knapp 3.000 Abgeordneten in die Große Halle des Volkes
       einmarschieren, dann läuft vor den Augen der auf der oberen Tribüne
       sitzenden Journalisten ein bis ins letzte Detail durchchoreografiertes
       Ritual ab: Die Abstände zwischen den obligatorischen Teetassen der
       Parteikader sind bis auf den Zentimeter vorbestimmt, geklatscht wird stets
       unisono, und in den Reden hat Chinas Kommunistische Partei stets auf alle
       Probleme die korrekte Antwort parat.
       
       „Alle harten Schwierigkeiten wurden überwunden“, sagte Premierminister Li
       Qiang gleich zu Beginn seines von Unternehmern und Investoren mit Spannung
       erwarteten Arbeitsbericht, der den [1][Nationalen Volkskongress (NVK)]
       einläutet.
       
       Doch dabei handelt es sich natürlich um den üblichen Propaganda-Nebel, mit
       dem die Parteiführung beim wichtigsten Politereignis im chinesischen
       Kalenderjahr „positive Energie“ verbreiten möchte. Die Botschaften zwischen
       den Zeilen zu dechiffrieren, das ist die wahre Kunst aller „Pekingologen“.
       
       Selbst die Veteranen unter den China-Beobachtern behelfen sich mit
       bisweilen unkonventionellen Methoden, um die Zeichen der Parteiführung zu
       erkennen. Ein beliebter Gradmesser ist etwa das quantitative Messen von
       Schlagwörtern: Dass im diesjährigen Arbeitsbericht die Begriffe „Reform“
       und „Konsum“ öfter genannt wurden als „Stabilität“ und „Sicherheit“, wird
       von einigen Experten als Indikator dafür gewertet, dass die Wiederbelebung
       der Wirtschaft diesmal wirklich oberste Priorität hat.
       
       ## Premier Li schlägt selbstkritische Töne an
       
       Tatsächlich lassen sich dafür weitere Belege finden. Denn Li Qiang wartete
       während seines Arbeitsberichts mit durchaus selbstkritischen Tönen auf.
       „Das vergangene Jahr war kein gewöhnliches Jahr im Entwicklungsprozess
       unseres Landes“, sagte Li, [2][der vor seinem Premierministerposten] als
       Parteikader in der Wirtschaftsmetropole Schanghai diente.
       
       Neben dem „wachsenden Druck von außen“ leide China auch unter „zunehmenden
       Schwierigkeiten im Innern“. Gemeint ist damit die anhaltende
       Immobilienkrise, die hohe Jugendarbeitslosigkeit sowie die Schwierigkeit,
       neben dem herstellenden Gewerbe weitere Wachstumsmotoren zu erschließen.
       
       Angesichts dieser Schwierigkeiten ist das traditionell beim NVK ausgegebene
       Wachstumsziel für das laufende Jahr durchaus ambitioniert ausgefallen: Wie
       schon 2024 soll das chinesische Bruttoinlandsprodukt auch 2025 wieder um
       „rund 5 Prozent“ steigen.
       
       ## Höheres Budgetdefizit und mehr Sonderanleihen
       
       Natürlich müssen die offiziellen Statistiken aus der Volksrepublik China
       stets angezweifelt werden, und die wenigen verbliebenen kritischen Ökonomen
       im Land tun dies auch bis zuletzt. Laut Gao Shanwen ist Chinas
       Volkswirtschaft tatsächlich „nur“ um rund 2 Prozent gewachsen. Doch nachdem
       der Analyst es im Januar gewagt hatte, öffentlich Zweifel am Narrativ der
       Partei zu äußern, verlor er prompt seinen Job beim staatlichen
       Wertpapierunternehmen SDIC Securities.
       
       Trotz allem ist es durchaus aussagekräftig, dass Premier Li seinem Volk 5
       Prozent Wachstum in Aussicht stellt – nur wenige Stunden nachdem Donald
       Trumps Strafzölle gegen chinesische Produkte in Höhe von zusätzlichen 10
       Prozent in Kraft getreten sind.
       
       Untermauert hat Li sein Ziel mit zwei ökonomischen Kennziffern: So möchte
       die chinesische Regierung das Budgetdefizit für das laufende Jahr auf 4
       Prozent des BIP erhöhen, was den größten Wert seit Mitte der 1990er
       darstellt. Ebenfalls sollen mehr Sonderanleihen als im Vorjahr ausgegeben
       werden. Kurzum: Peking greift erstmals wieder tief in die Taschen, um die
       Wirtschaft zu beleben.
       
       ## Folgt ein Deal im Handeskrieg mit den USA?
       
       Vor allem dürften die Maßnahmen den am Boden liegenden Binnenkonsum
       beflügeln – sehr zur Freude ausländischer Unternehmen, bei denen der
       chinesische Markt zuletzt massiv an Attraktivität eingebüßt hatte.
       
       „Chinas Führung strebt mit dem anvisierten Wachstum nach Kontinuität, womit
       die Erwartungen deutscher Unternehmen an den Ausgang des Volkskongresses
       weitestgehend erfüllt sind“, sagt Oliver Oehms von der Deutschen
       Handelskammer in Nordchina: „Diesmal wurden mehr Impulse zur Stabilisierung
       der Wirtschaft gesetzt und ein deutlicheres Signal des Anpackens
       vermittelt.“ Die Märkte reagierten ebenfalls positiv: Der Hongkonger
       Leitindex Hang Seng stieg am Mittwoch um 2,3 Prozent.
       
       Und vielleicht kann Peking in den kommenden Wochen auch noch auf einen Deal
       mit Donald Trump hoffen und dadurch einen sich [3][verschärfenden
       Handelskrieg] abwenden. Denn während des Auftakts des NVK hielt der
       US-Präsident zeitgleich eine polternde Rede vorm Kongress. Doch während der
       78-Jährige seine Verbündeten Kanada, Mexiko und Südkorea als Schmarotzer
       darstellte und für ihre angeblich unfaire Handelspolitik kritisierte,
       erwähnte er die Volksrepublik China nur am Rande.
       
       5 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Kretschmer
       
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