URI: 
       # taz.de -- Berufsbilder und Gender: Irgendwas mit freundlich
       
       > Lächeln, aufräumen, verbinden: Frauen sind einfach die Besten, wenn es
       > darum geht, das Aufregende und Gefährliche im Leben von Männern zu
       > beruhigen.
       
   IMG Bild: Männer schießen, Frauen verbinden – das alte Muster hat nichts seiner empirisch beobachtbaren Gültigkeit verloren
       
       Eine Dr. Oetker-Backpulverwerbung aus den 1950ern: „Sie wissen ja“, erklärt
       die Männerstimme aus dem Off, während eine „Renate“ am Herd steht und
       versonnen im Puddingtopf rührt, „eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll
       ich anziehen, und was soll ich kochen?“ Dabei ist es nicht so, als habe
       „Renate“ im Werbespot gar nichts zu melden, sie bekommt sogar eine eigene
       Zeile: „Das Allerwichtigste für ihn ist der Pudding.“ Für den braucht man
       Puddingpulver – ebenso wie jenes Backpulver für den Kuchen. Denn, so heißt
       es weiter aus dem Off, „Kuchen macht uns Männer sanft und verträglich“.
       
       Heute ist vieles anders. Was man anziehen soll, wissen Influencerinnen. Und
       kochen oder backen muss man auch nicht mehr, stattdessen transportieren
       schlechtbezahlte Fahrradkuriere den Pudding und den Kuchen durch die
       SUV-Abgase direkt bis zum Mann. Das allerdings kann länger dauern. Kein
       Wunder, dass es unter den herrschenden Bedingungen zuweilen vorbei ist mit
       der sanften Verträglichkeit: Rasend vor Hunger (sic), steuern Männer ihren
       [1][SUV] in einen Fahrradkurier. Oder eine Kurierin.
       
       Dabei bräuchten Männer sich eigentlich gar nicht aufzuregen. Denn auch jene
       jungen Frauen, die sich gegen die Hausfrauenkarriere entscheiden, nutzen
       durchaus noch die Möglichkeit, Männer zu Diensten zu sein, sie zu umsorgen,
       um Wutausbrüche zu vermeiden.
       
       Zum Beispiel als Büromanagerin (früher sagte man Chefsekretärin), seit
       Jahrzehnten auf Platz 1 der Liste weiblicher Lieblingsberufe oder als
       medizinische Fachangestellte (Platz 2). Frauen, so zeigen es aktuelle
       Statistiken immer wieder, können nach wie vor gut aufräumen, pflegen – und
       beruhigen, was Männer sich in ihrem Leben als Kraftfahrzeugmechatroniker,
       Fachinformatiker oder Heizungsmechaniker (Top 3 der männlichen
       Lieblingsberufe) alles Gefährliches und Aufregendes zugemutet haben.
       
       Während der Kraftfahrzeugmechatroniker also den Stadtgeländewagen repariert
       hat, der nach dem Zusammenstoß mit dem Fahrradkurier glücklicherweise nur
       minimal verbeult ist, ordnet die Büromanagerin ihrem Autowerkchef die
       Dateien, und legt ihm dabei vorausschauend die neuesten Kataloge über
       Modelle mit noch sportlicherer Fahrdynamik auf den Schreibtisch, gleich
       neben die Tasse mit dem frisch gebrühten Kaffee.
       
       Und falls der Fahrradkurier überlebt, und nur seine obere Zahnleiste
       verloren hat, könnte ihm die zahnmedizinische Fachangestellte behutsam
       dieses komische, grüne Abformsilikon in den Mund drücken. Männer schießen,
       Frauen verbinden – das alte Muster aus dem Bereich der fiktionalen
       Erzählung hat nichts von seiner empirisch beobachtbaren Gültigkeit
       verloren.
       
       Natürlich machen sich moderne Frauen auch gut in der Hotelbranche, oder als
       Verkäuferinnen – mit anderen Worten: überall dort, wo man freundlich sein
       muss. „IMM“, lautet der berufliche Fachbegriff dazu, „irgendwas mit
       Menschen“, seit einiger Zeit steht das zwar auch für „irgendwas mit
       Medien“, aber Sorgen muss man sich keine machen: Selbst bei den bevorzugten
       Medienberufen bleiben Frauen in der Kommunikationsebene, lernen also zum
       Beispiel das Image jenes Autowerks, das die Modelle mit der noch
       sportlicheren Fahrdynamik herstellt, freundlich zu kommunizieren. Oder als
       PR-Agentin einen berühmten, aber cholerischen und unberechenbaren Mann zu
       betreuen (da kommen dann alle Fähigkeiten zusammen).
       
       Denn [2][Frauen lächeln] einfach am besten. Das beweist eine Stichprobe bei
       Google: Gibt man „hübsches Lächeln“ ein, wird man mit Bildern von jungen
       blonden Frauen überhäuft, die ihre weißen Zähne zeigen (selbstverständlich
       liebevoll und für wenig Geld gebleacht von der zahnmedizinischen
       Fachangestellten).
       
       Und Frauen können nicht nur dafür sorgen, dass sie selbst gut aussehen
       (siehe „Was soll ich anziehen?“), andere aufhübschen können sie auch:
       Friseurin befindet sich weiterhin in den Top Ten der meist gewählten
       [3][Ausbildungsberufe]. Allerdings werden Frauen keine „Star-Friseure“–
       dieses Privileg ist weiterhin Männern vorbehalten. Denn das ultimative
       Urteil darüber, was bei einer Frau gut aussieht und was nicht, ist und
       bleibt ein Männerprivileg.
       
       Wo kämen wir denn bitte sonst hin.
       
       7 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Muenchner-Kunstaktion-gegen-SUVs/!6046128
   DIR [2] /Leben-ohne-das-Spiegelbild/!6029857
   DIR [3] /Mann-ueber-Berufswunsch-Geburtshelfer/!6041068
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jenni Zylka
       
       ## TAGS
       
   DIR Das Leben einer Frau 
   DIR Gender Pay Gap
   DIR Feminismus
   DIR Geschlechtergerechtigkeit
   DIR GNS
   DIR Das Leben einer Frau 
   DIR Das Leben einer Frau 
   DIR Das Leben einer Frau 
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Ein Besuch im Mädchentreff: Wie der Kampf weitergeht
       
       Instagram-Pranger, Catcalling, klassische Rollenbilder: Was beschäftigt
       junge Feministinnen in ihrem Alltag? Ohne Nelken geht es jedenfalls nicht.
       
   DIR Freund*innenschaft unter Kindern: „Manchmal plappern wir auch viel“
       
       Claire und Lilo (7) kennen sich aus der Kita, seit sie 2 Jahre alt sind –
       das ist länger, als sie sich erinnern können.
       
   DIR frauentaz: Das Matriarchat der Texte
       
       Die Idee einer emanzipierten, solidarischen, gerechten Welt steht im Feuer.
       Was ist die Antwort auf Hierarchie, Hass, Hetze und zunehmenden
       Antifeminismus?