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       # taz.de -- Neue Serie „Daredevil“: Leider zu real
       
       > Ein Mann gewinnt die Wahlen in den USA, obwohl er ein Verbrecher ist.
       > Darum geht’s in der Superheld:innen-Serie „Daredevil: Born Again“.
       
   IMG Bild: Charlie Cox als Daredevil
       
       Eigentlich fängt die Story ganz actionfilmtypisch an: Es gibt eine
       Rivalität zwischen dem namensgebenden Protagonisten Daredevil und dem
       Antagonisten Wilson Fisk (Vincent D’Onofrio), auch Kingpin genannt.
       Daredevil hat zwar keine Superkräfte, aber geschärfte Sinne aufgrund eines
       Unfalls, der ihn in jungen Jahren erblinden ließ. Kingpin ist ein
       einflussreicher Mafiaboss und wurde zum Bürgermeister New Yorks gewählt.
       
       Ganz so fiktional bleibt es dann nicht, denn die Geschichte hat viele
       Parallelen mit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten. Etwa die
       gespaltene Gesellschaft oder der Erfolg der autoritären Rechten auf Social
       Media. In der Serie stellt sich Matthew Murdock (Charlie Cox) diesen
       Bedrohungen entgegen. Tagsüber ein erfolgreicher Anwalt, nachts ein
       maskierter Verbrechensbekämpfer.
       
       [1][Wenn’s beim Namen Daredevil klingelt, dann liegt das wahrscheinlich an
       der gleichnamigen Netflix-Serie]. Die war da nämlich ab 2015 mit
       letztendlich drei Staffeln zu sehen und erfreute sich großer Beliebtheit.
       Nachdem die Netflix-Lizenz ausgelaufen war, produziert Marvel Studios nun
       eine neue Serie. Sie erscheint auf [2][Disney+] mit voraussichtlich neun
       Folgen. Doch handelt es sich um kein Remake, beide Serien spielen im selben
       Universum. Daredevil: Born Again ist aber auch keine inoffizielle vierte
       Staffel, sondern steht für sich. Zuschauende müssen also keine weiteren
       Staffeln davor geschaut haben.
       
       Die Marvel-Serie behandelt einige interessante Motive. Etwa spielt der
       Glaube von Verbrecherjäger Murdock immer wieder eine entscheidende Rolle.
       Er ist Christ, zwar kein ordinärer Katholik, sondern viel eher ein Anhänger
       der Befreiungstheologie, bei der es um die Loslösung von Ausbeutung,
       Entrechtung und Unterdrückung geht. Wenn er wie Robin Hood in der Stadt zur
       Verbrechensbekämpfung unterwegs ist, sieht man präsent im Hintergrund
       zufällig eine Kirche. Untermalt wird diese Überzeugung von einem passenden
       Soundtrack, der immer wieder Orgelmusik integriert.
       
       ## Brutale Darstellungen
       
       Die Kinematografie ist in den beiden Premierenepisoden auf einem sehr hohen
       Niveau, ähnlich wie der ursprünglichen Serie. Zweifel an einer von Disney
       produzierten Daredevil-Serie gab es reichlich, nicht zuletzt wegen brutalen
       Darstellungen. Die Netflix-Serie, aber auch die Comics setzten viel auf
       Gewalt, etwa durch lange und blutige Kampfszenen, wenngleich Matt Murdock
       aufgrund seiner philosophischen und religiösen Überzeugungen nicht tötet.
       Dies in einer familienfreundlichen Serie herunterzubrechen, hätte wohl kaum
       funktioniert, doch Disney konnte diese Befürchtung entkräften, die Serie
       hat eine Altersfreigabe von 16 Jahren.
       
       Doch ohne die schauspielerischen Darbietungen von Charlie Cox und Vincent
       D’Onofrio würde die Serie nicht funktionieren. Beiden ist das Engagement
       für ihre Rolle anzumerken, die Motivation für ihre Figuren kommt auch
       nonverbal an. Für die Fans ist es auch emotional wichtig, dass die
       Schauspieler der alten Serie ihre Charaktere wieder einnehmen. Auch die
       Figuren Karen Page (Deborah Ann Woll), Foggy Nelson (Elden Henson), Vanessa
       Fisk (Ayelet Zurer) und Bullseye (Wilson Bethel) sind bei Daredevil: Born
       Again wieder am Start. Die Kontinuität ist in dem Fall gelungen.
       
       Eher unglücklich waren die Auftritte von Daredevil in „Spider-Man: No Way
       Home“, „She-Hulk“ und „Echo“. In letztgenannter Serie nahm Fisk sogar eine
       größere Rolle ein, auch in Hawkeye kam er vor. Der ganze Marvel Hokuspokus
       ist spätestens seit fünf Jahren – seit dem [3][vierten Teil von The
       Avangers -] komplett unübersichtlich geworden. Vor lauter Crossover, Cameos
       und Multiversen weiß man gar nicht mehr, wo oben und unten ist.
       
       Etablierte und funktionierende Charaktere wie Daredevil und Fisk in diese
       mehr als dürftigen Projekte zu integrieren, hat wirklich niemandem
       geholfen. „Born Again“ geht mit den vergessenswerten Auftritten genau
       richtig um; kurz erwähnen und anschließend ignorieren. Dadurch kann
       Daredevil wortwörtlich wiedergeboren werden.
       
       8 Mar 2025
       
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