URI: 
       # taz.de -- Staatskrise in Südkorea: Auf in Richtung Finale
       
       > Der suspendierte Präsident Yoon Suk Yeol könnte vorzeitig aus der U-Haft
       > freikommen. Vor Gericht muss sich der 64-Jährige dennoch verantworten.
       
   IMG Bild: Uiwang, Südkorea, 7. März: Eine Frau reagiert auf die angekündigte Haftentlassung des ehemailgen Präsidenten Yoon Suk Yeol
       
       Seoul taz | Die Staatskrise in Südkorea hat am Freitag eine unverhoffte
       Wendung genommen: Der angeklagte Präsident Yoon Seok Yeol, dem Aufruhr und
       Machtmissbrauch vorgeworfen werden, könnte nun vorzeitig freikommen. Ein
       Gericht in Seoul hat seine Entlassung aus der Untersuchungshaft angeordnet.
       Noch jedoch hat der konservative Politiker keinen Fuß auf freien Boden
       setzen können, denn die Staatsanwaltschaft hat bereits Berufung eingelegt.
       
       Doch ganz egal ob in Freiheit oder hinter Gittern: Yoon muss sich weiterhin
       in den zwei gegen ihn laufenden Prozessen stellen. Das Verfassungsgericht
       dürfte bis Ende kommender Woche bekanntgeben, ob es die Amtsenthebung Yoons
       bestätigt – und dadurch automatisch Neuwahlen auslöst würden. [1][Dann wäre
       da noch der Strafprozess wegen Aufruhrs und Machtmissbrauchs], bei dem Yoon
       Suk Yeol im Falle eines Schuldspruchs eine langjährige Haftstrafe drohen
       würde.
       
       Langsam aber sicher nähert sich Südkoreas Staatskrise also dem Ende.
       Angefangen hatte sie im Dezember vergangenen Jahres, als der 64-jährige
       Yoon unverhofft das Kriegsrecht über sein Land verhängte – offenbar eine
       Kurzschlussreaktion, um die anhaltende Blockade im Parlament mit
       autoritärer Gewalt zu durchbrechen. Yoon argumentierte, dass die linke
       Opposition staatsfeindlich agiert habe, ja gar von kommunistischen Kräften
       unterwandert worden sei. Beweise lieferte er keine.
       
       Die aufgerüttelte Öffentlichkeit fühlte sich vielmehr an die dunkle Zeit
       der Militärdiktatur erinnert, die in Südkorea noch bis Ende der 1980er
       anhielt. Die Demokratie, welche damals von einer Generation mutiger
       Studenten unter Lebensgefahr erkämpft wurde, schien nun wieder in Gefahr.
       [2][Dementsprechend löste das Kriegsrecht – auch wenn es nach wenigen
       Stunden wieder zurückgenommen werden musste – Massendemonstrationen gegen
       Yoon Suk Yeol aus].
       
       ## Spontanes Freudenkonzert
       
       Doch auch dessen Anhänger ziehen seither täglich zu Zehntausenden auf die
       Straße. Als das konservative Lager am Freitagnachmittag von der Nachricht
       erfuhr, dass ihr Präsident möglicherweise bald freikommen würde,
       organisierte die Menge entlang des ikonischen Gwanghwamun-Platzes im
       Stadtzentrum von Seoul ein spontanes Freudenkonzert.
       
       Für einen Hardcore-Anhänger kam die Jubelbotschaft jedoch zu spät: Nur zwei
       Stunden, ehe die Gerichtsentscheidung bekanntgegeben wurde, setzte sich der
       Mann auf einer Dachterasse gegenüber dem Rathaus in Flammen. Ob er
       überleben wird, ist bislang nicht bekannt.
       
       Für Yoon handelt es sich bei dem „patriotischen“ Einsatz seiner Anhänger
       zweifellos um heldenhafte Märtyrer im Kampf für die Freiheit. Sollte er
       freikommen, würde dies der Staatskrise in einem entscheidenden Moment eine
       ganz neue Dynamik verleihen: Yoon könnte in der Öffentlichkeit seine
       Unterstützer viel aktiver mobilisieren und für seine Sicht der Dinge
       werben.
       
       Diese wurde übrigens nahezu ungefiltert und völlig unkritisch in einer
       aktuellen Dokumentation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks übernommen. In
       „Inside Südkorea – Staatskrise im Schatten von Nordkorea und China“ legen
       die zwei Filmemacherinnen die These nahe, dass die südkoreanische
       Demokratie von kommunistischen Kräften unterwandert werde. Doch Beweise,
       dass die linke Opposition tatsächlich mit Peking und Pjöngjang
       kollaboriert, bleibt der von Phoenix produzierte Dokumentarfilm schuldig.
       
       ## Beachtlicher „Shitstorm“
       
       In der südkoreansichen Zivilgesellschaft hat das Machwerk bereits einen
       beachtlichen „Shitstorm“ ausgelöst. „Wir haben viele Nachrichten und
       Dokumentationen ausländischer Medien gesehen, die über die wichtige
       Situationen in Südkorea berichten, aber wir haben noch nie einen Inhalt
       gesehen, der so nahe an Fehlinformation entlang schrammt“, heißt es von der
       Nichtregierungsorganisation „Article 21 Net“, die sich gegen Hass und
       Zensur im Internet einsetzt.
       
       „Mein größtes Problem mit dem Beitrag der ZDF-Kolleginnen ist nicht nur die
       massive Verzerrung, die durch die unkritische Wiedergabe ultrarechter
       Positionen entsteht“, sagt die deutsch-koreanische Dokumentarfilmerin
       Sung-hyung Cho: „Viel schwerwiegender ist, dass südkoreanische Ultrarechte
       den Beitrag bereits aktiv instrumentalisieren. In ihren Kreisen dient er
       als angeblicher Beweis dafür, dass auch die deutsche Öffentlichkeit gegen
       die Amtsenthebung von Präsident Yoon sei“. Am Freitag haben die ARD und der
       ZDF den Beitrag aus ihrer Mediathek genommen.
       
       7 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Politische-Krise-in-Suedkorea/!6057057
   DIR [2] /Kriegsrecht-in-Suedkorea/!6051175
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Kretschmer
       
       ## TAGS
       
   DIR Südkorea
   DIR Staatschefs
   DIR Kriegsrecht
   DIR Südkorea
   DIR Südkorea
   DIR Südkorea
   DIR Südkorea
   DIR Südkorea
   DIR Südkorea
   DIR Demokratie
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Präsidentschaftswahl in Südkorea: Allianzen und Feindbilder
       
       Die große Nähe Südkoreas zu den USA stellt beide Kandidaten vor
       Herausforderungen. Denn es geht auch um die Frage: Wie sehr an China
       annähern?
       
   DIR Wahlen in Südkorea: Garantiert gespalten
       
       In Südkorea wird am Dienstag ein neuer Präsident gewählt. Den beiden
       aussichtsreichsten Kandidaten ist nur eines gemein: Sie polarisieren.
       
   DIR Regierungskrise in Südkorea: Konservativ, erfahren, aber politisch verbrannt
       
       Südkoreas Übergangspräsident Han Duck Soo tritt zurück – und strebt nach
       Höherem. Dabei wird auch er für die Demokratiekrise verantwortlich gemacht.
       
   DIR Staatskrise in Südkorea: Präsident Yoon endgültig des Amtes enthoben
       
       Südkoreas Staatschef hatte im Dezember überraschend das Kriegsrecht
       verhängt. Nun wurde er vom Verfassungsgericht endgültig des
       Präsidentenamtes enthoben.
       
   DIR Festnahme in Südkorea: Der stoische Präsident
       
       Mit Yoon Suk Yeol ist erstmals ein formal amtierender Präsident Südkoreas
       festgenommen worden. Nun könnte er mit Verschwörungstheorien Erfolg haben.
       
   DIR Südkoreas suspendierter Präsident: Der sture Widerstand des Yoon Suk Yeol
       
       Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol verschärft die Krise mit seinem Kampf
       gegen die Justiz. Währenddessen provoziert Nordkorea mit einem Raketentest.
       
   DIR Politische Krise in Südkorea: Südkoreas verbarrikadierter Präsident
       
       Yoon Suk Yeol stürzte sein Land in eine Krise. Nun stellt sich der
       suspendierte Präsident über das Gesetz – und entgeht so bisher einer
       Verhaftung.