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       # taz.de -- Repression unter Erdoğan: Die demokratische Türkei nicht alleinlassen
       
       > Die EU wird sich entscheiden müssen, ob sie aus durchsichtigen Motiven
       > einen Autokraten unterstützt oder sich wirklich für die Demokratie
       > einsetzt.
       
   IMG Bild: Proteste gegen die Festnahme von Istanbuls Bürgermeister İmamoğlu am 19. März
       
       Derzeit läuft im Netz ein Youtube-Video hoch und runter, auf dem
       verschiedene BürgermeisterInnen quer durch Europa [1][ihre Solidarität mit
       dem Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu] bekunden. Angefangen mit
       der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo über ihre Kollegen aus Helsinki
       bis nach Zagreb, erklären die europäischen Stadtoberhäupter ihre
       Unterstützung für İmamoğlu und die Demokratie in der Türkei.
       
       Diese Leute haben verstanden. Es geht derzeit in der Türkei um alles. Im
       Land findet ein politisches Erdbeben statt. Im Stile Putins lässt Präsident
       Recep Tayyip Erdoğan seine politischen Gegner festnehmen und kaltstellen,
       doch noch ist die türkische Gesellschaft weit davon entfernt, sich Erdoğans
       platter Repression und Polizeigewalt zu beugen.
       
       Mit İmamoğlu hat sich Erdoğan an seinem populärsten Rivalen vergriffen, der
       mehrfach bewiesen hat, dass er den Dauerregenten und seine AKP bei
       demokratischen Wahlen schlagen kann. Darum will er ihn nun mithilfe einer
       gelenkten Justiz aus dem Weg räumen.
       
       Doch weite Teile der Bevölkerung nehmen das nicht einfach hin. Erdoğan mag
       geglaubt haben, dass die außenpolitische Situation für einen solchen
       Schritt günstig ist und niemand ihm in den Arm fallen wird, doch bei der
       eigenen Bevölkerung hat er sich getäuscht.
       
       İmamoğlu ist für viele TürkInnen weit über Istanbul hinaus der
       Hoffnungsträger überhaupt, nicht nur für die Wiederherstellung von Recht
       und Gesetz, sondern auch für soziale Gerechtigkeit. Viele TürkInnen sind es
       leid, mit anzusehen, wie einige wenige sich bereichern, während sie unter
       der Dauerinflation immer weiter verarmen. Sie wollen sich ihren
       Hoffnungsträger nicht wegnehmen lassen.
       
       Nach jahrelanger Zurückhaltung geht jetzt auch die
       sozialdemokratisch-kemalistische Opposition voran. [2][Parteichef Özgür
       Özel ruft zu Demonstrationen auf]; in der Nacht von Donnerstag auf Freitag
       protestierten landesweit so viele Menschen wie seit den Gezi-Protesten 2013
       nicht mehr.
       
       Der erste Höhepunkt wird der kommende Sonntag sein, wo die CHP in allen
       ihren Parteibüros İmamoğlu von der gesamten Bevölkerung zu ihrem
       Präsidentschaftskandidaten wählen lassen will. Wie schon 2013 sind es auch
       jetzt wieder StudentInnen, die bei den Protesten vorangehen und die meisten
       Opfer von Polizeigewalt zu beklagen haben.
       
       Wir dürfen die demokratische Türkei jetzt nicht alleinlassen. Es ist gut,
       dass BürgermeisterInnen quer durch Europa zu Solidarität mit İmamoğlu
       aufrufen, doch das wird nicht reichen, um Erdoğan zu stoppen. Der Konflikt
       wird sich verschärfen – und dann wird sich die EU entscheiden müssen, ob
       sie aus durchsichtigen Motiven einen Autokraten unterstützt oder sich für
       die Demokratie im Land eines Beitrittskandidaten einsetzt.
       
       Wenn der Autokrat Putin wirklich eine so große Bedrohung ist, wie Brüssel
       nun behauptet, dann ist es Erdoğan erst recht. Und anders als in Russland
       kann die EU in der Türkei für die Demokratie wirklich etwas tun.
       Schließlich ist Erdoğan wirtschaftlich auf die EU angewiesen.
       
       21 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://eurocities.eu/latest/mayors-voice-support-for-ekrem-imamoglu/
   DIR [2] /Istanbuler-Buergermeister-in-Haft/!6077052
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wolf Wittenfeld
       
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