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       # taz.de -- Koalitionsverhandlungen von Schwarz-Rot: Stein auf Stein – bald muss die Koalition fertig sein
       
       > Ab Freitag klären die Parteispitzen von Union und SPD strittige Fragen.
       > Ob Kitas, Wohnen oder Bürgergeld: Wieviel Fortschritt oder Rückschritt
       > gibt's?
       
   IMG Bild: Bau auf, bau auf, das ist dringend nötig
       
       Frühe Bildung: Es geht voran
       
       [1][In den Sondierungen] hatten Union und SPD vereinbart,in die frühe
       Bildung zu investieren, nun haben sie die Pläne konkretisiert und mit
       Preisschild versehen. Ab 2027 sollen allein vom Bund jedes Jahr 8
       Milliarden Euro in die Kitas fließen – viermal so viel wie unter der Ampel.
       Im kommenden Jahr wären es 6 Milliarden. Darauf hat sich die Arbeitsgruppe
       Familie, Senioren, Frauen, Jugend und Demokratie [2][in ihrem
       Abschlusspapier] verständigt.
       
       Die Hälfte, 4 Milliarden Euro, soll aus dem Infrastruktur-Sondervermögen
       kommen und in den Ausbau von Kitaplätzen und die räumliche Ausstattung der
       Einrichtungen fließen. Weitere 4 Milliarden Euro wollen CDU, CSU und SPD in
       die Verbesserung der Kitaqualität stecken. Das bisherige
       Kitaqualitätsgesetz wird durch ein Qualitätsentwicklungsgesetz abgelöst.
       
       Konkret sollen das von der Ampel eingestampfte Bundesprogramm
       „Sprachkitas“ neu aufgelegt werden und das [3][2024 angelaufene
       „Startchancen-Programm“] für sogenannte Brennpunktschulen auch auf Kitas
       ausgeweitet werden. Beide Programme sollen die ungleiche Chancenverteilung
       angehen. An der Grundschule haben privilegierte Kinder bereits bis zu einem
       Lernjahr Vorsprung vor sozial benachteiligten Kindern.
       
       Die „Startchancen-Kitas“ sollen deshalb nach den Sozialindizes ausgewählt
       werden, die die Länder praktischerweise gerade erst für sozial
       benachteiligte Schulen entwickelt haben. Heißt: Auch Kitagelder würden
       künftig nicht mehr allein per Gießkanne verteilt. Bei den für Bildung
       zuständigen Ländern kommen die Pläne gut an. Eine prinzipielle Übereinkunft
       gibt es auch bei den Plänen der Groko, bundesweit verbindliche Sprach- und
       Entwicklungstests im Alter von vier Jahren einzuführen, die Länder sollen
       darauf verbindliche Fördermaßnahmen aufbauen.
       
       Zudem hat sich die Arbeitsgruppe darauf verständigt, die Kinder- und
       Jugendhilfe um zunächst 10 Prozent aufzustocken, eine Strategie für die
       mentale Gesundheit junger Menschen vorzulegen sowie Kindern etwa über eine
       Teilhabe-App Zugang zu Sport- und Freizeitangeboten zu ermöglichen. Uneins
       sind Union und SPD unter anderem noch beim kostenlosen Mittagessen an Kitas
       und Schulen bis Klasse zehn. Die SPD will es, die Union ist dagegen.
       Kostenpunkt: 11 Milliarden im Jahr. Ralf Pauli
       
       Turbo beim Bau, Bremse bei Mieten
       
       Auf eine konkrete Zahl, wie viele Wohnungen pro Jahr geschaffen werden
       sollen, haben Union und SPD bewusst verzichtet. Dafür haben die
       Koalitionswilligen aber nicht an Adjektiven gespart. Bauen soll „bezahlbar,
       verfügbar und umweltverträglich“ werden. Der soziale Wohnungsbau soll als
       „wesentlicher Bestandteil der Wohnraumversorgung“ ausgebaut werden – dass
       hier nicht gekürzt werden soll, ist eine gute Nachricht. Ebenso, dass die
       bereits [4][unter der Ampel eingeführte neue Wohngemeinützigkeit], bei der
       soziale Vermieter Steuervorteile bekommen, mit Investitionszuschüssen
       ergänzt werden soll. Sprich: Mit Geld unterfüttert werden soll.
       
       In den ersten 100 Tagen soll zudem der erste Gesetzentwurf „zur Einführung
       eines Wohnungsbau-Turbos“ vorliegen. Der Gebäudetyp E soll das Planen und
       Bauen schneller und kostengünstiger machen. Klingt aber einfacher, als es
       ist. In der Baupraxis wandern ja oft [5][noch Aktenberge von Amt zu Amt].
       Dann wären da noch [6][die vielen Bauvorschriften], die zu beachten sind.
       Aber dafür wollen Union und SPD eine „unabhängige Stelle zur
       Kostenfolgeprüfung von DIN-Normen“ einsetzen.
       
       Ein halber Erfolg der SPD ist, dass die Mietpreisbremse zunächst für zwei
       Jahre verlängert werden soll. Ob sie auch verbessert wird, bleibt unklar.
       Aber es soll eine Expertengruppe geben, die berät, wie man mit Verstößen im
       Mietrecht besser umgehen kann.
       
       Einen Streitpunkt gibt es bei der sogenannten Kappungsgrenze. Die legt
       fest, wie stark Mieten, die noch unter der ortsüblichen Vergleichmiete
       liegen, innerhalb von drei Jahren steigen dürfen. Derzeit dürfen sie in
       angespannten Märkten um 15 Prozent steigen. Die SPD möchte das auf 6
       Prozent begrenzen, die Union will, dass es so bleibt wie bisher.
       
       Aber für Auszubildende und Studierende soll sich einiges verbessern, um die
       „WG-Garantie“ zu erreichen. Diese Idee kam ursprünglich von den Jusos und
       verspricht, dass ein WG-Zimmer nicht teurer als 400 Euro sein darf.
       Allerdings haben Union und SPD im Arbeitspapier auch hier auf eine konkrete
       Zahl verzichtet. Stattdessen heißt es nur, es solle zusätzliche Gelder für
       das bestehende [7][Förderprogramm Junges Wohnen] geben und die
       Förderbestimmungen sollen so verändert werden, dass auch der Ankauf von
       Belegungsrechten möglich wird. Jasmin Kalarickal
       
       Rolle rückwärts beim Bürgergeld
       
       Das „Bürgergeld“ soll künftig wieder „Grundsicherung für Arbeitssuchende“
       heißen wie zu Zeiten von Hartz IV. Nicht nur den Namen wollen Union und SPD
       rückgängig machen. So soll die jährliche Steigerung des Regelsatzes für
       [8][die Grundsicherungsempfänger:innen] wieder auf den Rechtsstand
       vor der Coronapandemie „zurückgeführt“ werden, heißt es im Einigungspapier
       der AG Arbeit und Soziales. Damit wird bei jährlichen Steigerungen der
       Grundsicherung die aktuelle Inflation weniger berücksichtigt als bisher.
       
       Die „Karenzzeit“ für Vermögen wird abgeschafft. Bisher können Menschen
       Bürgergeld für das erste Jahr beantragen, selbst wenn sie Vermögen bis zu
       40.000 Euro besitzen plus 15.000 Euro für jede weitere Person im Haushalt.
       Künftig soll die Höhe des Schonvermögens viel niedriger sein und an die
       „Lebensleistung“ gekoppelt werden. Wer „unverhältnismäßig hohe“ Wohnkosten
       hat und Grundsicherung beantragt, bei dem oder der werden nicht wie bisher
       im ersten Jahr die vollen Wohnkosten übernommen. Diese Karenzzeit entfällt,
       heißt es im Einigungspapier.
       
       Für Menschen, die „arbeiten können“, soll in der neuen Grundsicherung der
       „Vermittlungsvorrang“ gelten. Das heißt, die erwerbsfähigen
       Leistungsbezieher:innen sollen „schnellstmöglich“ in Arbeit
       vermittelt werden, egal, um welche Arbeit es sich handelt. Im Bürgergeld
       wurde mehr Wert auf Weiterbildung und dauerhafte Arbeitsintegration gelegt.
       
       Sanktionen für vermeintlich Arbeitsunwillige sollen künftig „verschärft“
       werden und „schneller, einfacher und unbürokratischer durchgesetzt werden
       können“. Wer „wiederholt zumutbare Arbeit verweigert“, soll mit
       „vollständigem Leistungsentzug“ bestraft werden können. Die Rechtsprechung
       des Bundesverfassungsgerichts soll dabei „beachtet“ werden. Das
       Bundesverfassungsgericht gestattet den kompletten Entzug der Sozialleistung
       nur in seltenen Ausnahmefällen.
       
       Im Einigungspapier heißt es vage: „wir sichern das Rentenniveau“. Der
       Passus, man sichere das Rentenniveau „dauerhaft bei 48 Prozent“, also dem
       bisherigen Wert, findet sich nur in Klammern als SPD-Forderung. Die
       umstrittene Erweiterung der „Mütterrente“ für ältere Mütter im Rentenalter
       kommt. Kostenpunkt: 5 Milliarden Euro im Jahr. Barbara Dribbusch
       
       27 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bildungsversprechen-der-Groko/!6071782
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   DIR [3] /Startchancen-Programm-gegen-Ungleichheit/!6033045
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   DIR [6] /Buerokratie-in-Deutschland/!6025008
   DIR [7] /Stark-gestiegene-Mieten/!5923642
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       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Pauli
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   DIR Barbara Dribbusch
       
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