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       # taz.de -- Angriff auf Informationsfreiheit: Amthors Rache
       
       > CDU und CSU möchten in der kommenden Koalition das
       > Informationsfreiheitsgesetz abschaffen. Gelingt ihnen das, ist mit mehr
       > Korruption zu rechnen.
       
   IMG Bild: Will das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) abschaffen: Philipp Amthor (CDU)
       
       Im Jahr 2018 schickte der damals 26-jährige aufstrebende
       CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor einen Lobbybrief an den
       Wirtschaftsminister. „Sehr geehrter Herr Minister, lieber Peter,“ fing er
       an. Unter dem Briefkopf des Bundestags warb Amthor um ein Treffen des
       Ministers Altmaier mit dem windigen Start-up Augustus Intelligence, an dem
       Amthor selbst beteiligt war. Der Lobbybrief kam bald dank einer Anfrage
       nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) an die Öffentlichkeit,
       [1][Amthor musste einen ersten Karrieredämpfer hinnehmen].
       
       Sieben Jahre später folgt Amthors Rache: Als Leiter der Arbeitsgruppe für
       „Bürokratieabbau“ hat Amthor in die Koalitionsverhandlungen die Forderung
       eingebracht, das IFG abzuschaffen.
       
       Das Gesetz, nach dem Behörden auf Antrag interne Dokumente wie E-Mails,
       Verträge oder eben Lobbybriefe herausgeben müssen, soll nach dem Willen der
       Union gestrichen werden. Auch das Umweltinformationsgesetz soll
       eingeschränkt werden, was klar europarechtswidrig wäre. Die SPD macht bei
       dem Vorhaben noch nicht mit, aber die Parteispitzen verhandeln in diesen
       Tagen, wer sich am Ende durchsetzt.
       
       Sollte es tatsächlich dazu kommen, dass das Gesetz abgeschafft wird, würde
       damit ein Grundpfeiler demokratischer Arbeit abgesägt. Seit 2006 müssen
       Behörden auf Antrag nach dem IFG Dokumente herausgeben. Alleine über die
       [2][Anfrageplattform FragDenStaat] wurden seitdem fast 300.000 Anfragen an
       Behörden gestellt. Aus dem journalistischen und aktivistischen Alltag ist
       das Gesetz kaum mehr wegzudenken.
       
       ## Frontalangriff auf Informationsfreiheit
       
       Durch das IFG kamen in den vergangen 20 Jahren zahlreiche Skandale ans
       Licht, die ohne das Gesetz im Verborgenen geblieben wären – seien es die
       Plagiatsaffäre um [3][Franziska Giffey], Interessenkonflikte um die
       [4][Klimastiftung MV] und Nord Stream 2 und die [5][Fördermittelaffäre im
       Bildungsministerium].
       
       Dabei gibt es im Bereich der Transparenz durchaus Reformbedarf: Das IFG ist
       tatsächlich recht schwerfällig und müsste modernisiert werden. Jedoch in
       die andere Richtung: Wir brauchen ein Transparenzgesetz, nach dem Behörden
       verpflichtet werden, wichtige Dokumente wie Verträge (oder auch
       Lobbybriefe) von sich aus zu veröffentlichen. Wir brauchen mehr Demokratie,
       nicht weniger. Vorschläge dazu liegen seit Jahren vor. Die Ampelkoalition
       hatte sich auch eine Weiterentwicklung des IFG in den Koalitionsvertrag
       geschrieben, war dann aber am Widerstand des Innenministeriums gescheitert.
       
       Dass Amthor mit der Union einen Frontalangriff auf die Informationsfreiheit
       startet, hatte sich vorher nicht angekündigt. Weder in Strategiepapieren
       noch in Wahlprogrammen oder Bundestagsreden war eine Abschaffung von
       Transparenzrechten vorher Thema. Offenbar hatte die Union das Vorhaben im
       Hinterzimmer vorbereitet – immerhin auch inhaltlich konsistent.
       
       ## Selbst Trump und Musk machen sowas nicht
       
       Die Forderung von CDU und CSU reiht sich ein in sich häufende Angriffe auf
       die kritische Zivilgesellschaft, sei es durch die K[6][leine Anfrage der
       Union zu Förderungen von NGOs] oder auch die jetzt ebenfalls von Amthors
       Arbeitsgruppe geforderte [7][Abschaffung des Verbandsklagerechts]. Die
       Richtung ist klar: Lästige öffentliche Kontrolle soll ausgeschaltet werden,
       die Union will unbehelligt durchregieren.
       
       Dass die Abschaffung von Transparenz dabei unter dem Kapitel
       „Bürokratieabbau“ läuft, ist indes kein Zufall. Denn genau in diesem
       Bereich lauern häufig die ärgsten Einschnitte für demokratische Rechte,
       getarnt als Effizienzsteigerung. Korruptionsprävention? Lästige Bürokratie.
       Auflagen gegen Umweltverschmutzung? Papierkram. Demokratische Kontrolle?
       Überflüssiger Aufwand.
       
       Dabei nehmen sich die deutschen Bürokratieverächter derzeit gerne ein
       Beispiel an [8][Donald Trumps und Elon Musks Staatsumbau] in den USA, der
       mit ähnlichen Begriffen operiert. Einen Unterschied gibt es jedoch: Das
       US-Pendant des IFG, den Freedom of Information Act, haben Trump und Musk
       bisher nicht angetastet.
       
       27 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Korruptionsvorwurf-gegen-Philipp-Amthor/!5689623
   DIR [2] https://fragdenstaat.de/
   DIR [3] /SPD-Spitzenkandidatin-in-Berlin/!5794845
   DIR [4] /Umstrittene-Klimastiftung/!5855658
   DIR [5] /Foerdergeld-Affaere-im-Bildungsministerium/!6017502
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   DIR [7] /CDU-saegt-am-Verbandsklagerecht/!6063888
   DIR [8] /Effizienter-sparen-mit-Elon-Musk/!6045766
       
       ## AUTOREN
       
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