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       # taz.de -- Weibliche Körper: Die Pimmeljury ist überall
       
       > Ab der Pubertät wurde der Körper unserer Kolumnistin in geil oder
       > hässlich kategorisiert wie ein Sneaker. Bis heute ringt sie mit ihrem
       > Selbstbild.
       
   IMG Bild: Verschlungen wie die Luftwurzeln einer Monsterapflanze
       
       Gerade bin ich mal wieder in einer Phase meines Zyklus, in der mein Body
       mir zu viel vorkommt. Ich habe [1][PMS (Prämenstruelles Syndrom)], was bei
       mir dazu führt, dass ich Wuteinlagerungen kriege. Zwei, drei Kilo mehr sind
       keine Seltenheit, wobei ich schon länger nicht mehr auf die Waage gehe, es
       macht sich ja auch so bemerkbar. Ich habe ein ambivalentes Verhältnis zum
       Körperlichen seit meiner Pubertät. Als sich bei mir die Brüste
       entwickelten, trug ich nur noch Latzhose und schnitt mir die Haare ab. Ich
       wollte unter keinen Umständen zur Frau werden, denn dort, wo ich aufwuchs,
       hieß Weiblichsein: Schluss mit den Abenteuern, bei denen ich die Anführerin
       bin.
       
       Mein Körper wurde zum Sneaker, den man kategorisierte in: Sieht geil aus
       oder hässlich, lame, igitt. Mit der Zeit aß ich nur noch grüne Äpfel, um
       [2][so verführerisch zu werden wie die Magermodels] in den Zeitschriften.
       Meine monatliche Blutung stoppte und zu Hause gab es ein Riesendramolett,
       aber mit meinem ersten Boyfriend stabilisierte sich mein Appetit, weil der
       Kurven super fand. Zur selben Zeit hörte ich mit allem auf, was ich liebte:
       In der Nase popeln, zu Prinz-Eisenherz-Comics masturbieren und um Spenden
       für den Tierschutzverein bitten, die ich dann in Bunte Tüten investierte.
       Ich ließ mir weizenblonde Strähnen färben (Julia-Klöckner-Style) und
       erklärte meinen Unterarmhärchen den Krieg, denn so etwas fanden die Jungs
       „eklig“.
       
       Die Pimmeljury war überall. In meinem Jahrgang, bei den Falken, in der Uni,
       bei diversen Nebenjobs, sie ist unser Daily Business als Frau. Pickelige
       Halbstarke, Ärzte, Handwerker, Fahrlehrer, Boutiquebesitzer, Messegäste,
       Passanten, die einem durch ihre bröckeligen Auswürfe vermitteln, dass wir
       auf diesem Planeten nur erwünscht sind, wenn wir uns rasieren, epilieren,
       zurechtzupfen, aufspritzen, runterhungern, oder wenn wir hinter einer
       dicken Schicht Make-up verschwinden. It’s a Money Man’s World, Baby.
       
       ## „Don't give a shit“
       
       Doch selbst wenn man weiß, dass das misogyner Bullshit ist, steht man schon
       wieder vor dem Spiegel und stellt fest, dass die Schultern mit den Jahren
       schmaler und die Hüften breiter geworden sind. Sieht das kleine Bäuchlein,
       wo vorher keines war, und immer noch mehr Cellulite an den Oberschenkeln,
       die man ja gerne mal in die Sonne halten würde, aber sich dann doch nicht
       traut, und sich dafür auch noch fertigmacht. Denn was bitteschön wäre
       bolder, als [3][endlich zum eigenen Körper zu stehen]? Nur, dann kickt halt
       wieder der Selbsthass rein und die Angst vor Abwertungen, die mit dem Alter
       ja eher mehr werden.
       
       Mensch, sah ich mal fresh aus, denke ich, als ich über ein altes Foto
       stolpere. Funfact: Dasselbe werde ich vermutlich in zehn Jahren über mich
       heute denken. „Und jetzt?“, frage ich meine Monsterapflanze, mit der ich
       mir seit ein paar Monaten die Wohnung teile. Monsti bleibt erst mal sehr
       lange stumm. Vielleicht ist sie sauer auf mich, weil ich sie neulich
       übergossen habe. Dann kratzt sie sich mit einer Luftwurzel über die
       vertrocknete Stelle auf ihrem linken Blatt. „Don’t give a shit“, sagt sie
       in ihrem nervigen kalifornischen Akzent. Ich gucke sie wütend an. Sie macht
       sich breiter in ihrem Plastiktopf. „Aber was mache ich mit dem Scheißkerl
       in meinem Kopf?“, frage ich. „You yell fake news at him and do your thing.“
       Ich finde, da hat sie einen Punkt.
       
       29 Mar 2025
       
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       ## AUTOREN
       
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