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       # taz.de -- Koalitionsverhandlungen und Völkerrecht: Zwischenergebnis „dürftig“ und „erschreckend“
       
       > Menschenrechtler fordern die neue Koalition auf, das Völkerrecht zu
       > stärken. In einem Brief kritisieren sie unter anderem die Nachsicht mit
       > Israel.
       
   IMG Bild: Hat mehrfach angekündigt, den Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu ignorieren zu wollen: CDU-Chef Friedrich Merz (l)
       
       Berlin taz | Die Entwürfe zum schwarz-roten Koalitionsvertrag, die in
       dieser Woche öffentlich wurden, bleiben „sehr weit hinter einem Schutz der
       völkerrechtlichen Ordnung“ zurück. Diese Kritik erhebt das European Center
       for Constitutional and Human Rights (ECCHR) in einem Brief an die
       Verhandler*innen, der der taz vorliegt.
       
       Die bisher vorliegenden Vereinbarungen seien „in ihrer inhaltlichen
       Dürftigkeit erschreckend“, heißt es in dem Schreiben der
       Menschenrechtsorganisation. Die kommende Regierung aus Union und SPD wolle
       „offenbar möglichst freie Hand in Fragen menschenrechtlicher Kriterien“.
       
       Das Ergebnispapier der Arbeitsgruppe 12, in den Koalitionsverhandlungen
       verantwortlich unter anderem für Außenpolitik und Menschenrechte, enthält
       zwar ein Bekenntnis zur „Bewahrung und Weiterentwicklung der regelbasierten
       internationalen Ordnung“. Das ECCHR bemängelt allerdings, dass dieser
       Vorsatz kaum mit konkreten Maßnahmen untermauert sei.
       
       Aus Sicht der NGO wären unter anderem Gegenmaßnahmen zu den US-Sanktionen
       gegen den Internationalen Strafgerichtshof nötig. Im Februar hatte
       US-Präsident Donald Trump Einreisesperren [1][gegen Mitarbeiter*innen
       des Gerichts und deren Angehörige verhängt].
       
       Außerdem vermisst das ECCHR im Koalitionspapier Aussagen zur finanziellen
       Unterstützung völkerrechtlicher Institutionen oder zur juristischen
       Aufarbeitung in Syrien nach dem Sturz der Assad-Diktatur. Es sei
       „fahrlässig“, dass die Notwendigkeit und Unterstützung eines
       Übergangsprozesses nicht einmal erwähnt würden. Weiter schreiben die
       Jurist*innen: „Insbesondere bei schweren Menschenrechtsverletzungen und
       schweren Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht muss der Kampf gegen
       die Straflosigkeit fortgesetzt werden.“
       
       ## Waffen für Israel – ein Doppelstandard?
       
       Zudem solle die künftige Bundesregierung „jegliche Doppelstandards im
       Bereich der Menschenrechte vermeiden“, insbesondere bei Rüstungsexporten.
       „Dies betrifft auch Waffenlieferungen an befreundete Staaten wie Israel,
       wenn ein völkerrechtswidriger Einsatz virulent ist.“ Union und SPD hatten
       in ihrem Zwischenergebnis festgeschrieben, Israels Sicherheit „auch durch
       Rüstungsexporte“ zu unterstützen. Die Union möchte dazu festlegen, dass
       Israel bei Rüstungsgütern, die es „für seine eigene Sicherheit braucht“,
       keiner Exportbeschränkung unterliege.
       
       Nicht erwähnt wird im Ergebnispapier der Koalitions-AG der Umgang mit dem
       Haftbefehl gegen der israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu,
       den der Internationale Strafgerichtshof erlassen hatte. CDU-Chef Friedrich
       Merz hat mehrfach angekündigt, [2][diesen Haftbefehl ignorieren zu wollen].
       „Eine Einladung Netanjahus nach Deutschland unter Zusicherung von Immunität
       wäre ein Verstoß gegen das Völkerrecht und deutsches Recht“, schreibt das
       ECCHR dazu.
       
       Anerkennung äußert die Organisation immerhin für die schwarz-rote Absicht,
       die „bestehende Zuständigkeitslücke zum Verbrechen der Aggression im Statut
       des Internationalen Strafgerichtshofs“ zu schließen. Bei Angriffskriegen
       und ähnlichen Taten kann das Gericht bislang nur eingeschränkt tätig
       werden. Diesen Vorsatz formulierten allerdings nicht die
       Außenpolitiker*innen der Koalition in spe, sondern die Innen- und
       Rechtspolitiker*innen im Abschlusspapier ihrer eigenen Arbeitsgruppe.
       
       ## Mehr Militär, weniger Entwicklung
       
       Außen- und sicherheitspolitisch dominiert in den Zwischenergebnissen der
       Koalitionsverhandlungen ansonsten der Vorsatz militärischer Stärke. Union
       und SPD wollen die Verteidigungsausgaben „deutlich und stringent“ steigern.
       Strittig ist nur, ob sich CDU und CSU noch mit ihrer Formulierung
       durchsetzen, dass die Ausgaben „in Richtung 3,5 Prozent des BIP“ gehen
       sollen.
       
       Trotz Trump bleiben die Beziehungen zu den USA für Schwarz-Rot „von
       überragender Bedeutung“. Gleichzeitig will man die Unterstützung für die
       Ukraine „substanziell stärken und zuverlässig fortsetzen“. Strittig ist die
       Zukunft der Entwicklungszusammenarbeit: Die Union will das
       Entwicklungsministerium streichen und Ausgaben senken, die SPD nicht.
       
       Umgekehrt sträuben sich die Konservativen gegen neue Verstöße zu
       Rüstungskontrollvereinbarungen, die die Sozialdemokrat*innen gerne
       im Koalitionsvertrag verankern würden.
       
       28 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
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   DIR Tobias Schulze
       
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