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       # taz.de -- Griechische Migrationspolitik: Die Türkei ist kein sicherer Drittstaat
       
       > Der oberste Gerichtshof Griechenlands hat entschieden: Migranten dürfen
       > nicht mehr in die Türkei zurückgeführt werden. Das hat weitreichende
       > Folgen.
       
   IMG Bild: Migranten erreichen Griechenland, nachdem sie den Fluss Evros in der Türkei überquert haben
       
       Athen taz | Die Türkei ist [1][kein sicherer Drittstaat] für die
       Rückführung von Migranten. Das entschied Griechenlands oberstes
       Verwaltungs- und Verfassungsgericht, der Staatsrat (STE). Wie das
       hellenische Höchstgericht am Freitag offiziell mitteilte, sei ein
       gemeinsamer ministerieller Beschluss des Athener Außenministeriums sowie
       des Athener Ministeriums für Migration und Asylwesen vom Dezember 2023 für
       nichtig erklärt und aufgehoben worden. Dieser hatte die Türkei als sicheren
       Drittstaat für Asylbewerber in Griechenland aus fünf Herkunftsländern
       einstuft.
       
       Konkret dürfen Asylbewerber aus Syrien, Afghanistan, Pakistan, Bangladesch
       sowie Somalia fortan nicht mehr in die Türkei zurückgeführt werden, von wo
       aus sie die griechische Grenze überquert hatten. Stattdessen haben die
       griechischen Behörden jeden Fall einzeln zu prüfen, so das STE.
       
       Für die Einstufung der Türkei als sicheren Drittstaat habe es „keine
       ausreichende Begründung“ gegeben, befand das Gericht. Solange die Türkei
       die Rückkehr von Asylbewerbern in ihr Hoheitsgebiet nicht akzeptiere,
       dürften die Anträge von Schutzsuchenden aus den entsprechenden Ländern von
       den griechischen Behörden „nicht als unzulässig abgelehnt werden, sondern
       müssen in der Sache selbst geprüft werden“.
       
       ## Hälfte der Schutzsuchenden kommt aus entsprechenden Ländern
       
       Das STE-Urteil ist ein Nackenschlag für den extrem [2][restriktiven
       Flüchtlings- und Migrationskurs] der konservativen Regierung in Athen unter
       [3][Premier Kyriakos Mitsotakis]. Das erklärte Ziel der seit dem 8. Juli
       2019 alleine in Athen regierenden Regierung Mitsotakis ist es, Griechenland
       in Sachen Flüchtlings- und Migrationspolitik zu einer „Festung“ zu machen.
       
       Mehr als die Hälfte der Schutzsuchenden, die es über die Türkei nach
       Griechenland, den südöstlichen EU-Außenposten, schaffen, hatte bisher gemäß
       dem ministeriellen Beschluss mit der Furcht zu leben, in die Türkei
       zurückgeführt zu werden. Dies sollte in den Augen von Mitsotakis und Co als
       ein effizientes Element in Hellas’ Abschreckungsstrategie gegen potenzielle
       Neuankömmlinge dienen. Die klare Botschaft lautete: „Kommt erst gar nicht
       aus der Türkei nach Griechenland!“
       
       Die STE-Entscheidung hat weitreichende Auswirkungen. Im Gesamtjahr 2024
       wurden in Griechenland laut offiziellen Angaben 73.687 Asylanträge
       gestellt. Davon entfielen 56,4 Prozent auf Antragssteller aus den genannten
       Herkunftsländern. Die meisten Asylbewerber stammten aus Syrien mit 30,3
       Prozent. Es folgten Asylbewerber aus Afghanistan mit 21,1 Prozent, Pakistan
       mit 2,9 Prozent sowie Somalia mit 2,1 Prozent. Das Gros der Asylbewerber
       erreicht Hellas über die See- und Festlandgrenze mit der Türkei.
       
       In den ersten beiden Monaten dieses Jahres wurden 10.762 neue Asylanträge
       in Griechenland gezählt. Mit einem Anteil von 36,9 Prozent stammten die
       meisten Asylbewerber diesmal aus Afghanistan.
       
       Die Regierung Mitsotakis lässt derweil nicht locker und reagierte auf die
       STE-Entscheidung. „Wir werden von Seiten der Regierung einen neuen
       Beschluss fassen, wonach die Türkei ein sicherer Drittstaat ist. Er wird
       detaillierter begründet sein, um so einer gerichtlichen Prüfung standhalten
       zu können“, erklärte der Athener Regierungssprecher Pavlos Marinakis am
       Montagmittag auf Anfrage bei einem Pressebriefing in Athen.
       
       24 Mar 2025
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Ferry Batzoglou
       
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