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       # taz.de -- Neue Netflix-Serie „Adolescence“: Der Junge, der Mörder
       
       > Warum hat der 13-jährige Jamie seine Mitschülerin getötet? „Adolescence“
       > ist ein Meisterwerk über Radikalisierung und Gewalt gegen Frauen.
       
   IMG Bild: Owen Cooper füllt als Jamie die Serie mit einer enormen Wut, Unsicherheit und Angst
       
       Berlin taz | Männliche Wut tötet. Auch die eines Kindes. Diesem Thema
       widmet sich „Adolescence“, die neue Miniserie von Netflix, die toxische
       Männlichkeit, die Folgen der Incel-Bewegung und den Einfluss von [1][Andrew
       Tate] auf eine Generation junger Männer behandelt. Mit niederschmetterndem
       Realismus erzählt sie von der Verhaftung des britischen Teenagers Jamie
       Miller (Owen Connor), der des Mordes an einer Mitschülerin verdächtigt
       wird.
       
       Die Beweise belasten den 13-Jährigen schwer: Sein Schuh wird am Tatort
       gefunden, Überwachungskameras zeigen jeden Schritt, den er am Abend des
       Mordes tat. Doch was war sein Motiv? In vier Folgen versuchen die Menschen
       rund um Jamie, dem Jungen näherzukommen und stoßen dabei auf ein Netz aus
       Ursachen.
       
       Detective Bascombe (Ashley Walters) und Frank (Faye Marsay) suchen in
       Jamies chaotischer und mit Aggressivität gefüllter Schule nach dem Warum.
       „[2][Incel-Culture]“, „Andrew Tate“ – Ermittler:innen wie
       Schüler:innen hören und nutzen all jene Schlagwörter, die derzeit medial
       immer wieder Aufsehen erregen, immer wieder im Zusammenhang mit Gewalt
       gegen Frauen genannt werden müssen.
       
       Der Realitätsbezug der Serie ist bedrückend. „Adolescence“ scheut nicht vor
       großen, aber so oft unsichtbaren Emotionen wie [3][männliche Wut],
       elterlicher Schock oder die Angst, nicht gemocht zu werden. Und sie scheut
       auch nicht vor schwierigen Themen wie Mobbing oder verzerrten Bildern von
       Frauen.
       
       ## Ein Denkanstoß, auch für Politiker:innen
       
       „Adolescence“ zeigt Jamie anfangs als unschuldiges Kind, lässt die
       Zuschauenden mit ihm sympathisieren. Und dann ergreift das Publikum ob
       seiner explosiven Wut und dem verzerrtem Frauenbild das Grauen. „Habe ich
       Ihnen Angst eingejagt, als ich geschrien habe?“, fragt er die Psychologin
       Briony (Erin Doherty), nachdem er vor ihr einen Wutausbruch hatte. „Ich
       meine, ich bin nur 13 Jahre alt. Ich glaube nicht, dass ich so
       angsteinflößend aussehe.“
       
       Jede Folge ist in einem einzelnen Kameratake gedreht. Das heißt: Fluidität,
       enorm viel Koordination und keine Zeit zum Stottern. Für die brillante
       Kameraführung war der Kinematograf Matt Lewis zuständig. Neben Stephen
       Graham mit seiner intensiven Schauspieldarstellung ist der Star der Serie
       Owen Cooper, der Jamie spielt. Cooper, der zuvor keine Schauspielerfahrung
       besaß, bringt in diesem Drama die Bandbreite von Wut, Unsicherheit und
       Angst der männlichen Jugend hervor.
       
       Die Serie stellt ihre bedrückende These auf: Es gibt nicht das eine Motiv,
       sondern viele. Die nichtsahnenden Eltern, der Vater, der so schnell wütend
       werden kann, überforderte Lehrer:innen, aufgeladene Schüler:innen, Mobbing.
       Jamies tiefe Unsicherheit in Bezug auf sein Aussehen. Allen voran: Die
       omnipräsenten sozialen Medien in Zeiten von Andrew Tates vergötterter und
       polarisierender Misogynie.
       
       All das radikalisiert Jamie, lässt in ihm einen bedrohlichen
       Überlegenheitswunsch gegenüber Frauen wachsen und seine männliche Wut.
       „Adolescence“ zeigt, was in der [4][britischen Jugend] schiefläuft, welche
       Wellen das schlägt, aber nicht, welche Lösungen es geben kann. Damit ist
       die Serie ein erfolgreicher Denkanstoß, auch für Politiker:innen, die nun
       im britischen Parlament über diese Themen reden.
       
       Inmitten von schlechten High-Budget-Netflix-Produktionen wie „The Electric
       State“ ist „Adolescence“ ein frischer, ein kalter Wind, der die derzeitige
       Realität weder für Entertainment ausschlachtet, noch verharmlosend
       verzerrt.
       
       24 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Frauenfeindlicher-Influencer-Andrew-Tate/!5942078
   DIR [2] /Rechte-Red-Pill-Cyberkultur/!5941468
   DIR [3] /Maenner-und-Feminismus/!6061993
   DIR [4] https://www.theguardian.com/tv-and-radio/2025/mar/22/netflix-from-the-police-to-the-prime-minister-how-adolescence-is-making-britain-face-up-to-toxic-masculinity
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julia Schöpfer
       
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