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       # taz.de -- Mannheim-Prozess: Schrittweise Radikalisierung
       
       > Im Prozess zum Mannheimer Messeranschlag legt der Angeklagte Sulaiman A.
       > ein umfassendes Geständnis ab. Unklar bleibt, ob er die Tat bereut.
       
   IMG Bild: Der Angeklagte Sulaiman A. auf seinem Platz zum Auftakt des Staatsschutzverfahrens
       
       Stuttgart taz | Im Prozess zum Mannheimer Messer-Anschlag vom Mai 2024 vor
       dem Stuttgarter Oberlandesgericht hat der Angeklagte Suleiman A. [1][zu
       seiner Tat ausgesagt]. Der 26-jährige atmete schwer, als er über die Tat
       sprach, die mit vier Verletzten und dem Tod des Polizeibeamten Rouven Laur
       endete. „Ich war entschlossen, Stürzenberger umzubringen“, sagt er und
       schiebt hinterher: „Leider.“
       
       A. war ganz in Schwarz vor Gericht erschienen, mit den schwarzen Haaren und
       dem traditionellen Bart sticht nur seine goldene Brille heraus. Ja, er sei
       mit dem Vorsatz, den rechtsextremen Aktivisten zu töten, an jenem 31. Mai
       2024 aus Heppenheim nach Mannheim zu dessen Kundgebung gereist. Um Spuren
       zu verwischen, habe er sein eigenes Handy zu Hause im Papiermüll versteckt
       und stattdessen ein altes mitgenommen. Bevor er das Messer gezogen habe,
       habe er auch die SIM-Karte zerstört.
       
       Dann stürzte er sich auf dem Mannheimer Marktplatz auf Michael
       Stürzenberger, Vorstandsmitglied von Pax Europa, einer militanten
       antiislamischen Organisation, verletzte ihn und andere Teilnehmer schwer.
       Dann ging er selbst zu Boden.
       
       Sulaiman A. schilderte seine Gedanken genau: „Zuerst habe ich gedacht, dass
       Stürzenberger tot ist.“ Doch dieser lebte noch. A. vor Gericht: „Ich habe
       nur gedacht, heute muss einer sterben.“ Schließlich hat er sich mit dem
       Messer auf den 29-jährigen Polizeibeamten Rouven Laur gestürzt. Der
       Familienvater erlag zwei Tage später seinen Verletzungen.
       
       ## Kritiklose Gefolgschaft
       
       A. spricht mit leiser, hoher Stimme, oft undeutlich; im Gerichtssaal
       herrscht konzentrierte Stille. Michael Stürzenberger, der erst seit Kurzem
       am Prozess teilnimmt, sitzt konzentriert auf der Bank der Nebenkläger;
       Rouven Laurs Mutter stehen die Tränen in den Augen. [2][Es ist an diesem
       Prozesstag nicht zu erkennen], ob A. seine Tat im Rückblick ernsthaft
       bereut. Ziemlich offen schildert er seine religiöse Radikalisierung, die
       offenbar durch völlig kritiklose Gefolgschaft vermeintlicher
       Glaubensautoritäten möglich wird. Im Vorfeld hatten seine Verteidiger
       versucht, ihn als jemanden darzustellen, der sich in sehr kurzer Zeit stark
       radikalisiert habe. Doch so scheint es nicht gewesen zu sein.
       
       Sulaiman A. hatte nach Jobs und Realschulabschluss das Abendgymnasium
       abgebrochen, als seine Frau schwanger wurde. Er kümmerte sich nun um die
       Familie. Und verbringt viel Zeit im Internet. Spätestens 2022 [3][findet er
       bei Youtube Predigten] radikaler Muslime, er folgt den Links zu Telegram.
       Seit der Machtübernahme der Taliban in seinem Heimatland Afghanistan stieg
       sein Interesse am radikalen Islam. Erst begeistert er sich für die Taliban,
       später sind die ihm nicht mehr radikal genug. Er beginnt sich für den
       „Islamischen Staat“ (IS) zu interessieren. „Mir hat am IS gefallen, dass
       dort Gottes Gesetz geherrscht hat“, sagt A. Das sei die Aufgabe der
       Muslime, erklärte er. Fortan speicherte er Videos von IS-Hinrichtungen auf
       seinem Rechner.
       
       Auch nimmt er weiter an obskuren Religionsstunden auf Telegram teil. Im
       Frühjahr 2024 stieß er auf einen „lieben Lehrer“ mit dem Pseudonym Q. R.
       Von ihm will A. wissen, wie er als Muslim in Deutschland unter Ungläubigen
       leben soll. Der Krieg in Gaza verlange doch nach Reaktionen. A. ist von dem
       Fanatismus des Predigers beeindruckt: „Ich habe nie vorher jemanden
       getroffen, der gesagt hat, es ist nicht schlimm, Ungläubige zu töten.“
       
       Dann wollte er von ihm wissen, was man mit Menschen macht, die den Koran
       verbrennen. Q. R. antwortete drei Wochen vor der Tat: „Egal wo ihr seid,
       macht die Gegend zu Gaza, wo ihr sie erwischt. Macht es ihnen zur Hölle.“
       Da habe er gedacht: „Der will, dass ich den Stürzenberger töte.“
       
       Wie er den Auftrag gefunden habe, wollte Richter Herbert Anderer wissen.
       „Meine Gedanken fanden das gut, mein Herz nicht“, war die Antwort. Der
       Vorsitzende antwortete: „So schlecht scheinen Sie es ja nicht gefunden zu
       haben, zwei Tage später haben Sie ihm 600 Euro überwiesen.“ Der Prozess
       wird voraussichtlich mit über 40 Verhandlungsterminen fortgesetzt.
       
       25 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Stieber
       
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