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       # taz.de -- Mit dem Gesetz gegen die Klimakrise: RWE und das Haus am See
       
       > Bedroht der Klimawandel das Haus eines Bauern in Peru? Am
       > Oberlandesgericht Hamm wird über die Klimaklage von Saúl Luciano Lliuya
       > verhandelt.
       
   IMG Bild: Saúl Luciano Lliuya, Bergführer, Kleinbauer und Klimakläger gegen RWE
       
       Freiburg taz | Ein weltweit beachteter Klimaprozess könnte am
       Oberlandesgericht Hamm schon in dieser Woche scheitern. Wenn der
       Klimawandel das Haus des peruanischen Bergbauern Saúl Luciano Lliuya
       nicht ausreichend bedroht, wird seine Klage gegen den deutschen
       Energiekonzern RWE abgewiesen. An diesem Montag beginnt eine
       Expertenanhörung des Gerichts.
       
       Saúl Luciano Lliuya lebt als Bauer und Bergführer in den peruanischen Anden
       nahe der Stadt Huaraz. Er befürchtet, dass das Schmelzen der Andengletscher
       einen See oberhalb von Huaraz zum Überlaufen bringt. Eine gewaltige
       Flutwelle drohe dann seinem Haus und der ganzen Stadt.
       
       Seit 2015 klagt der Peruaner mit Unterstützung der NGO Germanwatch gegen
       RWE. Der deutsche Energiekonzern gilt als einer der größten CO2-Emittenten
       weltweit. RWE allein soll für 0,47 Prozent des CO2-Ausstoßes seit Beginn
       der Industrialisierung verantwortlich sein. In einem Musterprozess will
       Germanwatch zeigen, dass auch große Unternehmen für ihren Beitrag zum
       Klimawandel verantwortlich gemacht werden können.
       
       [1][Die Klage schrieb die renommierte Hamburger Klimaanwältin Roda
       Verheyen.] Sie stützte sich dabei auf Paragraf 1004 des Bürgerlichen
       Gesetzbuchs, der unter anderem den Eigentumsschutz gegen Störungen durch
       Nachbarn regelt – wobei der RWE-Hauptsitz in Essen rund 10.000 Kilometer
       von Luciano Lliuyas Haus in den Anden entfernt ist.
       
       RWE soll sich, so die Klage, entsprechend seiner Verantwortung für den
       Klimawandel mit rund 0,5 Prozent an den Kosten von Schutzmaßnahmen für das
       Haus des Bauern oder Maßnahmen unmittelbar am Gletschersee beteiligen.
       Vermutlich geht es um einen Betrag von rund 20.000 Euro.
       
       ## Ein Streit der Gutachter droht
       
       Den entscheidenden Durchbruch erzielten der Bauer und die Anwältin bereits
       Ende 2017. Damals erkannte das OLG Hamm die Klage als grundsätzlich
       zulässig an. Sie sei – abstrakt gesehen – „schlüssig“, so die
       Richter:innen. Auch CO2-Emissionen von staatlich genehmigten Kraftwerken
       können Schadenersatzpflichten auslösen. Seitdem befindet sich das Verfahren
       in der Beweisaufnahme. Im ersten Schritt muss Saúl Luciano Lliuya beweisen,
       dass für sein Haus in Peru wirklich eine „ernsthaft drohende
       Beeinträchtigung“ durch schmelzende Gletscher besteht.
       
       Das Gericht beauftragte den Statikexperten und Geowissenschaftler Rolf
       Katzenbach mit einem Gutachten. Unterstützt wird er von Johannes Hübel,
       einem Experten für alpine Naturgefahren.
       
       Zur Vorbereitung fuhren die Gutachter mit zwei Richter:innen und
       weiteren Verfahrensbeteiligten im Mai 2022 sogar nach Huaraz, um sich die
       Gletscherlagune und das Haus vor Ort anzusehen. Im Juli 2023 legte
       Katzenbach sein Gutachten vor, im Dezember 2024 lieferte er noch ein
       Ergänzungsgutachten.
       
       Viel Aufwand, doch die Kläger sind mit dem Gutachter nicht zufrieden.
       Während Katzenbach das Risiko, dass das Haus binnen 30 Jahren Opfer einer
       Flutwelle wird, auf unter 3 Prozent bezifferte, gehen die Kläger von
       immerhin 30 Prozent aus. Sie sehen das Risiko also mehr als zehnmal so
       groß. Grund für den großen Unterschied: Der Gerichtsgutachter hatte vor
       allem Eislawinen im Blick, während die Kläger und ihre Experten Felsstürze,
       die durch tauenden Permafrost ausgelöst werden, für wahrscheinlicher
       halten.
       
       An diesem Montag will das OLG Hamm das Gutachten mit den Beteiligten
       diskutieren. Es droht eine stundenlange Expertenschlacht über Permafrost in
       den peruanischen Anden. Am Ende muss das Gericht entscheiden, ob ein
       rechtlich relevantes Risiko für das Haus von Saúl Luciano Lliuya besteht.
       
       Wenn das Gericht das Risiko für relevant hält, wird die Beweiserhebung mit
       einem neuen Gutachten fortgesetzt. Dann wird es um die Frage gehen, ob der
       Anteil von RWE an den Gefahren für das Haus des Bergbauern wirklich „mess-
       und berechenbar“ ist. Denn nur dann kann der Bauer von RWE die Zahlung
       einer konkreten Summe verlangen. Hält das Gericht jedoch das Risiko für zu
       gering, muss es die Klage des Bauern abweisen. Der Prozess ist dann
       voraussichtlich zu Ende. Eine Revision wäre vermutlich nicht möglich, weil
       die Gefährdung eines bestimmten Hauses in Peru nicht von grundsätzlicher
       Bedeutung ist.
       
       ## Auf Tour gegen Klimafolgen
       
       Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch, wäre aber auch
       dann nicht unzufrieden. Entscheidend sei der Hinweisbeschluss des OLG Hamm
       von 2017, [2][wonach große CO2-Emittenten für die von ihnen
       mitverursachten Klimaschäden verantwortlich sind.] Saúl Luciano Lliuya wird
       an der Gerichtsverhandlung in Hamm teilnehmen. Er ist für zwei Wochen nach
       Deutschland gekommen, auch um hier in verschiedenen Städten über seinen
       Fall zu sprechen.
       
       16 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Hamburger-Anwaeltin-ueber-Klimaklagen/!6032996
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   DIR Christian Rath
       
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