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       # taz.de -- Ein Jahr Cannabis-Gesetz: Endlich keine Angst mehr
       
       > Seit einem Jahr sind Besitz und Konsum von Marihuana teilweise erlaubt.
       > Was sich in Berlin seitdem getan hat und wie die Szene auf die Zukunft
       > blickt.
       
   IMG Bild: Seit einem Jahr dürfen drei Pflänzchen ganz legal in der eigenen Bude wachsen
       
       Berlin taz | Ein Jahr [1][Teillegalisierung von Cannabis], das ist dem Hanf
       Museum in Mitte eine kleine Sonderausstellung wert, die seit Sonntag bis
       Ende Mai zu sehen ist. Bei einer Vorabbesichtigung am Nachmittag vor der
       Eröffnung laufen die Vorbereitungen noch immer.
       
       Der Gründer des Museums Rolf Ebbinghaus steht neben einem Bildschirm, auf
       dem Videos gezeigt werden sollen. Noch funktioniert die Technik nicht, die
       Kernbotschaft dieser und überhaupt der ganzen Ausstellung kann Ebbinghaus,
       auf dessen T-Shirt „Berlin loves weed“ zu lesen ist, aber auch so
       zusammenfassen.
       
       Cannabis-Konsumenten wie er und Millionen andere müssen seit dem 1. April
       vergangenen Jahres keine Angst mehr haben vor Strafverfolgung und
       Kriminalisierung. Vor gut einem Jahr wurde Cannabis aus dem
       Betäubungsmittelgesetz gestrichen. Jährlich fallen damit um die 200.000
       Delikte einfach weg. „Endlich keine Angst mehr haben zu müssen“ – dieses
       immer noch relativ neue Empfinden von Kiffern soll die Ausstellung
       einfangen, so Ebbinghaus.
       
       Dabei kann es ein Jahr nach der Teillegalisierung immer noch einen
       Unterschied machen, ob man sich nun irgendwo eine Zigarette oder einen
       Joint anzündet. Die berühmte Bubatzkarte aus dem Internet zeigt, wo man in
       Berlin Gefahr läuft, unerlaubt zu kiffen, weil sich in der Nähe eine Schule
       oder eine Kita befindet.
       
       ## Rote Karte für Kiffer
       
       Viele Orte für unbeschwerten Cannabisgenuss bleiben demnach nicht. Und zig
       Raucherkneipen, in denen Kiffer vor der Teillegalisierung stillschweigend
       geduldet wurden, zeigen Jointbauern jetzt die rote Karte, einfach, weil das
       Hausrecht ihnen das erlaubt.
       
       Zur wichtigsten Frage seit der Teillegalisierung wurde aber die, woher man
       nun sein Zeug beziehen soll. Die Gesetzgebung der Ampelregierung sah
       eigentlich Anbauvereinigungen als Hauptversorger vor. Ziel war, dadurch den
       Schwarzmarkt auszutrocknen.
       
       Aber bei den Cannabis Social Clubs ging es weit langsamer voran als
       gedacht. Die hatten eigentlich geplant, bereits Ende vergangenen Jahres
       ihre jeweils bis zu 500 Mitglieder versorgen zu können. Aber Stand heute
       wurde in Berlin erst fünf Anbauvereinigungen Genehmigungen erteilt und nur
       einer davon konnte bislang ein Erntedankfest feiern.
       
       Also ist bei vielen Self-Growing angesagt, drei Hanfpflanzen auf dem Balkon
       oder im geschützten Garten sind Erwachsenen erlaubt. Die letzte Hanf-Messe
       Mary Jane stellte einen neuen Besucherrekord auf und das Geschäft mit
       Hanf-Stecklingen lief dort sichtbar gut.
       
       ## Rezept von Dr. Ott
       
       [2][Ein weiterer Trend ist medizinisches Cannabis.] Plattformen wie
       Bloomwell oder Dr. Ansay boomen. Und dass sich dort nicht nur Konsumenten
       eindecken, die Cannabis als Medikament gegen Schlafstörungen oder
       Depressionen für sich entdeckt haben, ist längst ein offenes Geheimnis.
       
       Bei den Online-Anbietern bekommt man das Gras seiner Wahl ohne Probleme wie
       in einem virtuellen Coffee-Shop. Die Plattform Quick Green wirbt sogar
       damit, dass man in Berlin Dank Sofortlieferung bereits 30 Minuten nach
       Bestellung seine Beruhigungstüte rauchen kann.
       
       Diese Entwicklung kommt freilich bei den Anbauvereinigungen nicht gut an.
       „Bei manchen Clubs springen Mitglieder bereits wieder ab“, sagt Oliver
       Waack-Jürgensen, Vorstand des Dachverbandes deutscher Cannabis Social Clubs
       der taz. [3][Weil es dort wegen der zu langsam arbeitenden Behörden nicht
       so richtig vorangeht] und medizinische Ware eben so leicht zu beziehen ist.
       Seiner Meinung nach profitierten deshalb von der Teillegalisierung vor
       allem diejenigen, die in Cannabis vor allem eine Chance für gute Geschäfte
       sehen. Und nicht Cannabis-Aktivisten wie er, die sich schon seit Jahren für
       die Entkriminalisierung engagieren.
       
       Ähnlich sieht das auch Mario Gäde, Vorstand beim White Lake Weed Social
       Club in Weissensee. „Wer seine Ware bei einer dieser Plattformen bezieht,
       dem muss klar sein, dass er damit die große Pharmaindustrie unterstützt“,
       sagt er. Außerdem lasse bei dieser „die Qualität zu wünschen übrig“. Das
       Cannabis komme von weit her, aus Kanada oder den USA, sei Wochen lang
       unterwegs und schließlich in den Händen des Konsumenten bereits „viel zu
       alt“.
       
       ## Rest-Risiko CDU
       
       In seinen Kreisen wird medizinisches Cannabis deswegen verächtlich
       „Apothekenstaub“ genannt. Auch in seinem Cannabis-Verein seien einige
       Mitglieder Kunden bei den Plattformen. Die meisten von ihnen würden sich
       jedoch liebend gerne wieder abmelden, wenn sie über die Anbauvereinigung
       Cannabis beziehen könnten.
       
       „Es gibt viele, die die Pharmaindustrie nicht unterstützen wollen und die
       frisches Cannabis wollen, das kein Massenprodukt ist“, sagt Gäde. Wenn die
       Sache mit den Clubs irgendwann wirklich im größerem Stil anläuft, auch in
       Berlin, werde auch der Boom bei den Plattformen wieder zurückgehen, glaubt
       er.
       
       Sein Club hat immerhin bereits eine Lizenz. Nun fehle aber noch die
       Genehmigung des Bauamtes. Die sei aber nicht so einfach zu bekommen.
       Zuletzt hieß es, der Club bräuchte noch extra Fahrradständer für seine
       Mitglieder. Um diese Anschaffung zu vermeiden, werden diese nun per App
       Termine für die Abholung buchen müssen, damit nicht alle gleichzeitig
       kommen. Womit vielleicht die letzte Hürde hin zur Genehmigung genommen
       wäre.
       
       Eine Gefahr bleibt jedoch trotzdem: der Koalitionsvertrag der nächsten
       Bundesregierung. Die CDU möchte ein Jahr Teillegalisierung möglichst
       ungeschehen machen und diese wieder abräumen. Dass sie damit Erfolg hat,
       glaubt jedoch keiner in der Cannabis-Szene.
       
       30 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hartmann
       
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