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       # taz.de -- Die Wahrheit: Ängstliche Engländer
       
       > Fußballländerspiele zwischen Irland und England waren immer schon heikle
       > Begegnungen. Nach der letzten Partie in Dublin schmollte ein englischer
       > Fan.
       
       Es ist ziemlich genau 30 Jahre her, dass ich während des Fußballspiels
       zwischen Irland und England im Dubliner Stadion an der Lansdowne Road vor
       40.000 Zuschauern auf dem Rasen stand. Nein, ich habe nicht gespielt.
       Niemand hat zu dem Zeitpunkt mehr gespielt, das „Freundschaftsspiel“ musste
       nach 27 Minuten abgebrochen werden.
       
       Schon vor dem Anpfiff war klar, dass von Freundschaft keine Rede sein
       konnte, als im englischen Fanblock reihenweise die Hände zum Nazigruß
       gereckt wurden. Nach 22 Minuten erzielte David Kelly ein Tor für Irland.
       Als in der 26. Minute ein Tor von David Platt für England wegen Abseits
       nicht anerkannt wurde, begannen die englischen Fans, Gegenstände auf die
       unteren Tribünen, wo wir saßen, zu werfen, darunter auch Bänke, die sie
       herausgerissen hatten. Dutzende wurden verletzt. Wir flohen auf das
       Spielfeld. Es dauerte 20 Jahre bis zum nächsten Match zwischen Irland und
       England im Stadion an der Lansdowne Road.
       
       Und jetzt kommt Mike Cronin daher und behauptet, er habe sich vor Kurzem
       beim erneuten Spiel zwischen den beiden Teams als Engländer im Aviva
       Stadium, wie die Arena inzwischen heißt, unsicher gefühlt. Cronin ist
       akademischer Direktor des Boston College Irland und Professor für
       Geschichte. Die Atmosphäre verdeutliche den Mangel an Respekt für den
       „anderen“, rhabarberte er in der Irish Times: „Ich saß im irischen Block,
       und ich habe 90 Minuten lang meinen Mund nicht aufgemacht, weil ich mich
       als Engländer bedroht fühlte.“
       
       Immerhin dauerte das Spiel diesmal 90 Minuten. Und warum hat er sich in den
       irischen Block gesetzt und nicht zu seinesgleichen mit den Union Jacks?
       Außerdem ist es friedlich geblieben, gegnerische Fans haben in irischen
       Stadien außer einem Vollrausch aus lauter Gastfreundschaft nichts zu
       befürchten. Cronin leidet vermutlich an einer Angststörung, worauf auch
       seine Einschätzung seines Jobs hindeutet: „Die Vorstellung, Engländer zu
       sein und in Dublin als Akademiker für irische Geschichte zu arbeiten, ist
       seltsam.“ Vielleicht sollte er den Job an seinen Sohn abtreten. Der verbot
       ihm während der Europameisterschaft voriges Jahr, sich in einem
       Englandtrikot zu Hause blicken zu lassen.
       
       Es liegt wohl an Leuten wie Cronin, dass der irische Nationalsport, sich
       über Engländer lustig zu machen, nicht ausstirbt. Aber der Hohn sollte
       wenigstens ein gewisses Niveau haben. Der für einen Oscar nominierte
       irische Schauspieler Paul Mescal sagte in einer britischen Talkshow: „Die
       Leute denken, die Iren hassen die Briten. Das ist nicht wahr, wir
       betrachten sie nur nicht als Menschen.“
       
       Das ist kreuzdämlich. Irlands großer Dramatiker George Bernard Shaw
       spottete viel intelligenter: „Die Engländer sind kein sehr spirituelles
       Volk, also haben sie Cricket erfunden, um ihnen eine Vorstellung von der
       Ewigkeit zu geben.“
       
       31 Mar 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Sotscheck
       
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