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       # taz.de -- Die Kirche und die Union: Beziehung in der Krise
       
       > Die Positionen von CDU und CSU gehen immer weniger mit den ethischen
       > Grundsätzen der Kirchen einher. Ist es Zeit für neue Partner?
       
   IMG Bild: CDU-Parteitag 2025 in Berlin: Das Kreuz hängt trotz der Beziehungskrise mit den christlichen Kirchen
       
       Die Beziehung zwischen der Union und den Kirchen ist aktuell von Spannungen
       geprägt. Besonders die Migrationspolitik, die kleine Anfrage der Union und
       das Paktieren mit der AfD hat zu einer [1][deutlichen Positionierung der
       Kirchen] geführt. Während Klima, soziale Gerechtigkeit und die Interessen
       junger Menschen für kirchliche Akteure zentral sind, spielen sie bei den
       Koalitionsverhandlungen von Union und SPD eher eine untergeordnete Rolle.
       
       Die Frage, die sich nun stellt: Ist eine Paartherapie noch möglich, oder
       ist es Zeit für eine ehrliche Neubewertung der Beziehung? Die
       Auseinandersetzung entzündete sich zuletzt am sogenannten
       Zustrombegrenzungsgesetz und dem [2][Paktieren mit der AfD]. Sowohl das
       Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) als auch Vertreter der
       katholischen und evangelischen Kirchen lehnten den Entwurf scharf ab.
       
       Das ZdK bezeichnete das Vorhaben als „Anti-Integrationskampagne“ und warf
       der Union vor, die „Grenzen der politischen Kultur“ zu überschreiten.
       ZdK-Präsidentin [3][Irme Stetter-Karp] machte deutlich, dass der Entwurf
       keine realen Lösungen biete, sondern populistische Signale sende. Auch
       innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und der Evangelischen
       Kirche in Deutschland (EKD) wurden kritische Stimmen laut, insbesondere im
       Hinblick auf die Zusammenarbeit der CDU mit der AfD bei der Abstimmung über
       das Gesetz.
       
       Die CDU muss sich bewusst sein, dass sie kritisiert wird, wenn sie
       Positionen vertritt, die nicht mit den Grundwerten der Kirchen oder des ZdK
       im Einklang stehen. Diese Kritik bedeutet aber nicht, dass sich die Kirchen
       grundsätzlich von der CDU abwenden. Es ist vielmehr eine wichtige
       Diskussion über gesellschaftliche Werte. Für [4][eine Partei, die das „C“
       im Namen trägt], kann so eine Debatte sogar hilfreich sein: Sie fordert die
       CDU heraus, sich mit ihren christlichen Wurzeln und den Prinzipien von
       Solidarität und Menschenwürde auseinanderzusetzen.
       
       ## Umkämpfte Interpretation des „C“
       
       Gleichzeitig muss die CDU verstehen: Wenn sie sich von diesen Werten
       entfernt, werden die Kirchen oder kirchliche Verbände das klar ansprechen –
       oder sich Partner bei anderen Parteien suchen. Die Differenzen zwischen der
       CDU und dem ZdK wurden einmal mehr durch den Rücktritt von [5][Annegret
       Kramp-Karrenbauer] aus dem ZdK sichtbar. Die ehemalige CDU-Vorsitzende
       begründete ihren Austritt damit, dass sie keine Grundlage mehr für eine
       weitere Mitarbeit sehe – insbesondere aufgrund des kritischen Tons, den das
       ZdK gegenüber der CDU anschlug.
       
       Während Kramp-Karrenbauer das ZdK verlässt, wenden sich auch ZdK-Mitglieder
       von der CDU ab. Das zeigt: Die Interpretation des „C“ in der CDU ist
       umkämpft. Deutlich wird damit, dass es für das ZdK entscheidend ist, sich
       stärker von der Vorstellung zu lösen, dass die CDU automatisch der
       bevorzugte politische Partner sei. Vielmehr geht es darum, politische
       Verbündete dort zu suchen, wo kirchliche Werte und Positionen vertreten
       werden – unabhängig von Parteigrenzen.
       
       Die Zurückhaltung der Kirchen in politischen Debatten hat historische und
       theologische Gründe. In Deutschland gibt es eine Tradition der Trennung von
       Kirche und Staat, die nach den Erfahrungen mit dem Missbrauch kirchlicher
       Macht im Mittelalter und der Instrumentalisierung der Kirche im
       Nationalsozialismus wuchs. Besonders die katholische Kirche hat lange eine
       zurückhaltende Haltung in politischen Fragen eingenommen, um die Einheit
       der Gläubigen nicht durch parteipolitische Differenzen zu gefährden.
       
       Doch in einer Zeit, in der sich politische Diskurse zunehmend polarisieren,
       darf man nicht still bleiben. Hätte die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) in
       diesem Fall geschwiegen, wäre das ebenso ein Statement gewesen – eines der
       schweigenden Zustimmung oder zumindest der Duldung. Gerade in Zeiten, in
       denen Grundwerte wie Solidarität, Menschenwürde und der Schutz der
       Schwächsten unter Druck geraten, ist es entscheidend, eine klare Position
       zu beziehen.
       
       ## Es gäbe andere Partner als die Union
       
       Wer sich nicht äußert, überlässt den Raum anderen, die nicht unbedingt die
       christlichen Werte verteidigen. Nach der öffentlichen Kritik am
       [6][Zustrombegrenzungsgesetz] richtete die Union eine [7][kleine Anfrage]
       an die Bundesregierung, inwiefern Verbände Einfluss auf politische
       Entscheidungen nehmen. Fest steht: Kritik an politischen Entscheidungen ist
       keine „unzulässige Beeinflussung“, sondern ein legitimer Beitrag zur
       demokratischen Debatte.
       
       Wer erwartet, dass Kirchen und zivilgesellschaftliche Akteure schweigen,
       wenn politische Positionen nicht mit ihren ethischen Grundsätzen vereinbar
       sind, stellt letztlich infrage, dass ihre Überzeugungen noch Platz im
       gesellschaftlichen Diskurs haben dürfen. Eine gesunde Beziehung zwischen
       Kirche und CDU kann nur funktionieren, wenn beide Seiten wissen, worauf sie
       sich einlassen. Eine intakte Beziehung würde bedeuten, dass die CDU nicht
       nur rhetorisch, sondern auch praktisch christliche Werte in ihre Politik
       einfließen lässt.
       
       Vielleicht ist es an der Zeit, die Verbindung als überholt zu betrachten.
       Andere Parteien haben sich in den vergangenen Jahren verstärkt um das
       kirchliche Klientel bemüht – besonders die Grünen und die SPD mit ihrer
       Betonung sozialer Gerechtigkeit. Die CDU muss sich entscheiden: Will sie
       das „C“ weiterhin mit Leben füllen oder den Weg einer Partei gehen, die
       sich zunehmend marktwirtschaftlichen Positionen verschreibt?
       
       Die Aufgabe der Kirchen und des ZdK bleibt klar: Inhalte stark verteidigen,
       Bündnisse schmieden, die sich auf Werte und nicht auf Parteiinteressen
       gründen. Es geht nicht um parteipolitische Loyalitäten, sondern um die
       Verteidigung der Demokratie und den Schutz der Schwächsten. Es ist Aufgabe
       der Kirchen an der Seite der Zivilgesellschaft zu sein: und genau dort
       sollten sie bleiben.⁦
       
       3 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Gotteshaeuser-kritisieren-Asyldebatte/!6065889
   DIR [2] /Merz-Anbiederung-an-die-AfD/!6061889
   DIR [3] /Katholikin-Irme-Stetter-Karp/!6010491
   DIR [4] /CDU-und-Kirche/!6064916
   DIR [5] https://www.katholisch.de/artikel/59425-kramp-karrenbauer-nicht-jedes-mitglied-stimmt-mit-zdk-spitze-ueberein
   DIR [6] /Bundestag-stimmt-gegen-Unionsantrag/!6066473
   DIR [7] /551-Fragen-im-Bundestag/!6069900
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniela Ordowski
       
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