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       # taz.de -- US-Armee unter Trump: Der Kampf um Fort Bragg
       
       > Trumps Verteidigungsminister Pete Hegseth kommt nicht aus den
       > Schlagzeilen. Wie gehen die Menschen rund um die größte Militärbasis der
       > USA damit um?
       
   IMG Bild: Freiwillige stellen die Belagerung Grenadas 1983 bei der All American Week in Fort Bragg nach, hier am 24. Mai 2018
       
       Fayetteville taz | Die Autobahn zur größten Militärbasis der Welt führt
       über spärlich besiedeltes Gebiet. Laubwälder wechseln sich ab mit Wiesen
       und Kirchen aus rotem Backstein. „Welcome to America’s CAN DO City“ begrüßt
       Fayetteville seine Besucher.
       
       In Fayetteville, North Carolina, liegt der Armeestützpunkt Fort Bragg: der
       Wirtschaftsmotor der Region und ein Name, der wie kein anderer auf der Welt
       für US-amerikanische Macht steht. Aus Fort Bragg entsandte man mehr
       Soldat:innen nach Afghanistan und Irak als von jeder anderen US-Basis.
       Fast 50.000 Soldat:innen sind hier untergebracht, viele weitere
       Angestellte und Veteranen leben mit ihren Familien in Fayetteville.
       Spezialkommandoeinheiten sowie das Zentrum für militärische
       Terrorismusbekämpfung sind in Fort Bragg stationiert.
       
       Wie blicken Angehörige des Militärs und Veteranen in Zeiten wie diesen, in
       denen die Ordnung der Welt sich neu sortiert, auf ihr Land?
       
       ## Black Lives Matter – immer noch?
       
       Auf halber Strecke zwischen Militärbasis und dem mickrigen Stadtzentrum
       leuchtet in neongelben Lettern die Aufschrift „Liberty Island Foods“.
       Draußen drückt die Mittagssonne auf den Asphaltdschungel Fayettevilles.
       Drinnen warten der Veteran Marvin Samuels und seine Frau in einem fast
       leeren Restaurant für Spezialitäten aus Jamaika auf Kundschaft.
       
       Samuel, ein kräftiger Schwarzer Mann, serviert Reis mit gebratenen
       Kochbananen und Akee, ein gekochtes Seifenbaumgewächs. Unpolitisch wolle er
       bleiben, sagt er. Aber ein Name entfalte nun einmal auch eine gewisse
       Wirkung. Liberty. Er lacht. Im Januar, nachdem er aus dem Armeedienst
       ausgeschieden war, eröffnete er sein Restaurant. Der Name sollte eine
       Hommage an seine Basis sein, in der er fast 20 Jahre stationiert war. Doch
       dann kam alles anders.
       
       Seit seiner Gründung 1918 verdankte der Stützpunkt seinen Namen Braxton
       Bragg, einem General der Konföderierten, der auch nach Ende des
       Bürgerkrieges eine Plantage mit über 100 Sklaven besaß. Nach den
       Black-Lives-Matter-Protesten benannte das Verteidigungsministerium Fort
       Bragg 2023 in „Fort Liberty“ um. Die Umbenennung kostete mehr als sechs
       Millionen Dollar.
       
       ## Pete Hegseth sorgt für Umbenennung
       
       Im Februar ordnete Trumps neuer Verteidigungsminister Pete Hegseth mit dem
       Befehl „Bragg is back!“ die Rückbenennung an, offiziell nunmehr zu Ehren
       von Roland L. Bragg, einem einfachen Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg.
       Der Familie des 1999 verstorbenen hatte niemand Bescheid gesagt. Sie
       erfuhren durch einem Lokalreporter davon.
       
       „Fort Bragg verkörperte für uns Soldaten immer den Stolz, hier zu dienen.
       Ich kannte die historische Bedeutung des Namen nicht“, sagt Marvin Samuels.
       Wenige Wochen nach der Eröffnung seines Restaurants erfuhr er, dass aus
       Liberty wieder Bragg werden sollte. Er zuckt mit den Schultern. Die
       Probleme, die jetzt auf ihn zukommen könnten, fühlen sich größer an als ein
       Name.
       
       Der Konflikt um den neuen alten Namen wirkt wie ein Vorbote. Pete Hegseth,
       dem jede politische Erfahrung fehlt, verwaltet ein Budget von etwa 800
       Milliarden Dollar und übernimmt die Verantwortung für Rüstungsprojekte und
       sicherheitspolitische Entscheidungen.
       
       ## Alkohol, sexuelle Übergriffe, White Supremacy
       
       [1][Die Ernennung des ehemaligen Fox-Moderators zum Verteidigungsminister]
       war selbst unter Republikanern kontrovers. Er gilt als Trinker, seine
       Ex-Frau soll sich aus Angst vor ihm im Schrank versteckt haben. Wegen
       sexueller Übergriffe hatte er 2017 einer Frau 50.000 Dollar zahlen müssen.
       
       Auf seiner Brust trägt Hegseth das sogenannte Jerusalem-Kreuz eintätowiert.
       Ein Symbol, das häufig mit ultrarechten christlichen Kreisen der White
       Surpremacy in Verbindung gebracht wird. In Zukunft solle sich das Pentagon
       auf „tödliche Schlagkraft, Leistungsprinzip, Kriegsführung und Bereitschaft
       konzentrieren“, sagte er bei der Senatsanhörung vor seiner Ernennung.
       
       Das Budget des Pentagons soll in den nächsten fünf Jahren um jeweils acht
       Prozent gekürzt werden: pro Jahr um 50 Milliarden Dollar. Im
       Kriegsveteranenministerium will man 80.000 Mitarbeiter:innen
       entlassen. Einige der bereits vollzogenen Kündigungen befanden Gerichte als
       gesetzeswidrig, die Mitarbeiter:innen durften nach Wochen wieder an
       ihren Arbeitsplatz zurückkehren.
       
       Von der panischen Starre, die sich in diesen Tagen durch progressive Kreise
       in US-Großstädten zieht, ist in Samuels Restaurant nichts zu merken. Ihm
       ist Hegseth egal. „Uns Menschen im Militär interessiert eine Sache. Unter
       welcher Regierung können wir am besten für unsere Familien sorgen? Bei den
       Republikanern waren unsere Gehaltschecks immer am dicksten.“ Und dann noch:
       „Aber wer in diesen Tagen keine Zukunftsängste hat, der spinnt.“
       
       Wenn die Regierung tatsächlich die Richtung einschlagen wird, in die sie
       sich gerade bewegt, könnten viele Militärangehörige ihre Jobs verlieren,
       glaubt er. In der Stadt herrsche ein Gefühl von Unsicherheit. Obwohl bei
       den vergangenen drei Wahlen 60 Prozent aller Veteranen und Reservisten für
       Trump gestimmt haben.
       
       Das Ende von Diversitätsprogrammen beunruhigt Samuels weniger, auch wenn er
       selbst Diskriminierung in der Armee erfahren hat. Auch unter Schwarzen
       hätte es Konkurrenzkämpfe gegeben. Trump sei nun mal ein Puppenspieler und
       sein Kabinett ein Haufen Marionetten. „Wenn sie die Diversität vor ihrer
       Nase nicht anerkennen wollen, heißt das, sie fürchten sie?“
       
       ## Dem Militär fehlt es an Nachwuchs
       
       Ende des Zweiten Weltkrieges bestand das US-Militär aus zwölf Millionen
       Soldaten im aktiven Dienst. Heute sind es 1,3 Millionen, obwohl die
       Bevölkerung sich seitdem verdoppelt hat und das Militär auch Frauen
       zulässt. Es fehlt an Nachwuchs. Laut einer Studie des Pentagons haben drei
       Viertel der jungen Amerikaner:innen zwischen 17 und 24 entweder
       Übergewicht, schaffen den Eignungstest nicht, würden unter psychischen und
       physischen Einschränkungen leiden oder seien vorbestraft.
       
       Fragt man Donald Trump oder Pete Hegseth, dann ist es die „woke“
       Entwicklung des Militärs, die junge Menschen vom Eintritt in die Armee
       abhält. Den von Hillary Clinton und Joe Biden viel zitierten Satz „Unsere
       Vielfalt ist unsere Stärke“ bezeichnete Hegseth als „den dümmsten Satz in
       der Militärgeschichte“. Gleichstellungsinitiativen würden spaltend wirken
       und junge christliche Männer abschrecken. Dabei geben die allermeisten von
       ihnen in Umfragen als Hauptgründe für ihr Desinteresse am Militär die Angst
       vor dem Tod, Verletzungen und posttraumatischer Belastungsstörung an.
       
       ## Kampf der „Wokeness“ in der Armee
       
       Trotzdem hat Hegseth der „Wokeness“ den Kampf erklärt. Ein Dekret, um
       trans* Menschen aus dem Armeedienst zu verbannen, wurde bereits
       unterschrieben, auch wenn es derzeit per richterlicher Anordnung vorläufig
       gestoppt ist. Die neue Regierung entließ, kaum im Amt, den Schwarzen
       Kampfpiloten und Generalstabschef Charles Q. Brown und die Kommandantin der
       Küstenwache Linda Lee Fagan, die ihre Posten beide jeweils als erster
       Schwarzer und als erste Frau bekleidet hatten.
       
       [2][Seit dem Signal-Gate], bei dem Trumps Sicherheitsberater einen streng
       geheimen Militärschlag im Jemen per Signal-Chat diskutierten und ein
       Journalist die interne Kommunikation mitlesen konnte, sind einige
       hochrangige Militärvertreter verärgert, berichten Medien. Schließlich war
       es die Sicherheit der Piloten, die man durch das fahrlässige Verhalten aufs
       Spiel setzte. „Wir können nicht darauf vertrauen, dass es dem Pentagon
       wirklich um unsere Sicherheit geht“, sagten sie der New York Times. Dass
       Pete Hegseth versuchte, die Schwere des Vorfalls herunterzuspielen, statt
       den eigenen Fehler zuzugeben, machte das Ganze nur noch schlimmer.
       
       Schräg gegenüber von Samuels Restaurant, im Pfandleihhaus für
       Militärzubehör, kriegt man von den Veränderungen unter der neuen Regierung
       nur am Rande etwas mit. Alles hier ist wie immer. Die immer gleichen armen
       Schlucker, die ihre Besitztümer verpfänden. Die Drogenabhängigen in den
       Straßen Fayettevilles. Die trostlose Langeweile. Hier kaufen und verkaufen
       sie Militärrucksäcke, Revolver und Jagdgewehre, patriotische Poster mit
       Szenen aus dem Vietnamkrieg.
       
       In einer Glasvitrine sind gold-glitzernde Eheringe wie traurige Zeugen
       gescheiterter Ewigkeit aufgereiht. In der Mitte prangt einer mit
       vergoldetem Hanfblättchen. „Der Mann wird ins Ausland versetzt, die Frau
       bleibt hier und geht fremd. Dann trennen sie sich und bringen uns den
       Ring“, erklärt der Angestellte so heiter, als würde er eine Episode aus
       seiner liebsten Telenovela nacherzählen.
       
       Dass man das Verteidigungsbudget kürzen will, wusste er noch nicht. Aber
       bei all der Verschwendung und Korruption, die er von plauderfreudigen
       Kunden aus nächster Nähe mitbekommt, hält er das für eine gute Idee.
       
       ## Militär ist in Fayetteville omnipräsent
       
       In Fayetteville ist das Militär allgegenwärtig. In der Mall hängen Jeans im
       Military-Look, Stripclubs locken mit Werbebannern, auf T-Shirts stehen
       Sprüche wie „Proud Army Mom“. Überall wuseln Menschen in Uniform herum.
       Aber wer im aktiven Dienst ist, darf keine politischen Aussagen machen und
       soll nicht mit Medien sprechen. Nur eine Frau mit Pferdeschwanz zieht ihre
       Augen zu Schlitzen und gibt mit passiv aggressiver Stimme von sich, sehr
       gut würde es laufen.
       
       Renate trägt keine Uniform mehr, als sie durch die Mall streift. Es ist ihr
       Geburtstag. Sie hat dickes, blau leuchtendes Make-up aufgetragen, das ihr
       von den Wimpern tropft. Im Vorbeigehen raunt sie: „Ich bin auch aus
       Deutschland!“ Renate stammt aus Bamberg. In den Sechzigerjahren verliebte
       sie sich in einen US-amerikanischen Soldaten, der in Deutschland
       stationiert war. Die beiden heirateten. Sie zog mit ihm nach Fort Bragg,
       nahm die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an und ging als IT-Frau selbst
       zum Militär.
       
       Jetzt ist der Mann schon lange tot, die Tochter und der Trump-wählende
       Schwiegersohn leben in Washington. Renate ist alleine in Fayetteville
       geblieben und vermisst ihre deutsche Heimat. Alle Nachbarn in ihrer
       Siedlung seien Veteranen, sagt sie. Und alle seien sie entsetzt über ihr
       Land. Renate fürchtet, dass man ihr [3][die Krankenversicherung wegnehmen]
       könnte. Dem Schwiegersohn wird man wahrscheinlich seine Versehrtenrente
       kürzen. Vielleicht wird er dann endlich einsehen, was Trump anrichtet. Sie
       kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.
       
       4 Apr 2025
       
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   DIR Marina Klimchuk
       
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