# taz.de -- Meldestellen für Menschenfeindlichkeit: Neuer Höchststand an diskriminierenden Vorfällen
> In der Bilanz der Berliner Register stehen antisemitische Vorfälle
> erstmals an erster Stelle. Auch rechtsextreme und rassistische Übergriffe
> nehmen zu.
IMG Bild: Erstarken rechter Gruppen: Demonstration der rechtsextremistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“ im März 2025 in Hellersdorf
BERLIN taz | Die Zahlen sind besorgniserregend: Im Jahr 2024 haben die
Berliner Register 7.720 extrem rechte, rassistische, antisemitische und
queerfeindliche Vorfälle in Berlin dokumentiert. Damit sei ein neuer
Höchststand erreicht, hieß es bei der Präsentation am Donnerstag. Bereits
im Jahr [1][2023 hatte es mit 5.286 registrierten Vorfällen einen
deutlichen Anstieg] gegeben.
Das gehe vor allem „auf verstärkte extrem rechte Aktivitäten sowie eine
Zunahme antisemitischer Bedrohungen zurück“, erklärte Jana Adam, die
Koordinatorin der Register. „Die extreme Rechte gewinnt Einfluss – durch
eine wiedererstarkte rechte Jugendkultur, die Normalisierung rassistischer
Rhetorik oder den Schulterschluss über antifeministische Ideologien.“
Die Berliner Register sind ein Projekt zur Dokumentation extrem rechter und
diskriminierender Vorfälle in den Berliner Bezirken. Seit 2016 sind in
allen Berliner Bezirken Register eingerichtet. Die Berliner Register wollen
gegen Diskriminierung und Ausgrenzung vorgehen. Im Gegensatz zur
Kriminalitätsstatistik der Polizei beziehen die Register auch Vorfälle in
die Dokumentation ein, die keine Straftaten sind oder die nicht angezeigt
wurden. Dazu gehören Gewalttaten, Beleidigungen und Bedrohungen,
Brandstiftungen, Sachbeschädigungen, Veranstaltungen, Aufkleber,
Sprühereien oder diskriminierende Sprüche.
Fast zwei Drittel der registrierten Delikte, 4.972, waren allerdings
[2][sogenannte Propagandavorfälle], dazu zählen Plakate, Sprühereien und
Flyer. Die registrierten rassistischen Vorfälle haben von 1.459 auf 1.761
scheinbar nur leicht zugenommen, die Dunkelziffer dürfte jedoch weitaus
höher liegen. Laut Bericht nimmt die Stimmungsmache gegen Geflüchtete
weiter zu, begleitet von einer Normalisierung rassistischer Vorurteile.
Auch die Zahlen im Bereich der LGBTIQ*-Feindlichkeit sind erneut
angestiegen. „Hass gegen queeres Leben bleibt weiterhin ein zentrales
Element und Bindeglied rechter und antifeministischer Mobilisierung“, sagt
Adam.
## Starker Anstieg bei extremen Rechten
Den stärksten Anstieg verzeichnen die Register mit 1.296 Vorfällen bei den
Aktivitäten der extremen Rechten gegen politische Gegner*innen. In den
Ostberliner Bezirken Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Pankow und
Treptow-Köpenick [3][stiegen die extrem rechten Propagandafälle um mehrere
Hundert] an. Besonders rechtsextreme Gruppen wie Der III. Weg versuchten,
Nachwuchs zu rekrutieren. Die Gefahr sei, dass erfahrene Neonazikader hier
auf gewaltbereite Jugendliche treffen. „Eine Jugendkultur entsteht nicht im
luftleeren Raum, sondern ist in ein gesellschaftliches Gefüge eingebettet“,
sagt Adam. „Aber wir haben noch keine Verhältnisse wie in den 90er Jahren.“
Positiv sei, dass die Zivilgesellschaft mehr hinschaue als früher.
Mit 2.200 als antisemitisch gemeldeten Vorfällen (28 Prozent) hat sich die
Zahl im Vergleich zum Vorjahr (2023: 1.113) fast verdoppelt. „Erstmals war
Antisemitismus 2024 mit 2.200 Vorfällen das häufigste Motiv der durch die
Berliner Register erfassten Vorfälle“, heißt es in dem Bericht. „Besonders
in den Innenstadtbezirken war Antisemitismus im Stadtbild allgegenwärtig,
so haben sich in Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg die Vorfälle
verdoppelt.“
Das wirft die Frage auf, [4][was die Berliner Register als antisemitisch
werten]. „Seit dem 7. Oktober 2023 gab es mehr antisemitische
Demonstrationen“, heißt es etwa aus Charlottenburg-Wilmersdorf. „Auch
Kritik an der Politik Israels muss möglich sein“, erklärt hingegen Jana
Adam gegenüber der taz. „Das Gleiche gilt auch für Demonstrationen, die
sich gegen das Unrecht an Palästinenser*innen stark machen. Wir
dokumentieren das nur dann, wenn explizit Aussagen fallen, die unter unsere
Antisemitismusdefinition fallen.“ Dafür verwenden die Meldestellen die
IHRA-Definition. Am 2. April 2025 etwa wurde ein Aufkleber mit der
Aufschrift „No Pride in Israeli Apartheid“ als antisemitisch gemeldet.
## Wachsendes Sicherheitsrisiko
„Rechtsextremismus ist nicht nur eine Gefahr für unsere Demokratie, sondern
ein wachsendes Sicherheitsrisiko“, erklärte Ario Mirzaie von Bündnis90/Die
Grünen. „Aus Worten werden immer häufiger Taten, auf die rechte
Propagandaflut folgt rechte Gewalt“, kommentiert er. Wie schon im Vorjahr
forderte er eine Gesamtstrategie gegen rechts.
Die Zahlen seien „nicht hinnehmbar“, finden auch Franziska Brychcy und
Maximilian Schirmer, die Landesvorsitzenden der Linken in Berlin. Sie
fordern zudem eine langfristige Finanzierung der Registerstellen, da sie
„Alltagsrassismus, strukturelle Diskriminierung und das ganze Ausmaß von
Hasskriminalität sichtbar“ machten.
3 Apr 2025
## LINKS
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DIR [2] /Register-Mitarbeiterin-ueber-Rassismus/!5779287
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DIR [4] /Antisemitismus-in-Deutschland/!6016479
## AUTOREN
DIR Darius Ossami
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