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       # taz.de -- Schweizer Autor Peter Bichsel ist tot: Sich selbst überraschend
       
       > Sozialist und Realist: Der Schweizer Schriftsteller und Kinderbuchautor
       > Peter Bichsel ist fast 90-jährig gestorben. Nachruf auf einen kritischen
       > Geist.
       
   IMG Bild: Peter Bichsel (1935-2025), hier bei „Schweizer Literaturtagen“ in Solothurn 2017
       
       Viele lasen Peter Bichsel schon, bevor sie seinen Namen kannten. Denn seine
       „Kindergeschichten“ fanden sich in vielen Schulbüchern. So etwa die
       Geschichte vom alten Mann, der etwas ändern wollte. „Zu dem Tisch sage ich
       Tisch, zu dem Bild sage ich Bild, das Bett heißt Bett, und den Stuhl nennt
       man Stuhl. Warum denn eigentlich?'“
       
       Dieser Mann benennt also radikal alles um, bis es heißt: „Er war jetzt kein
       Mann mehr, sondern ein Fuß, und der Fuß war ein Morgen und der Morgen ein
       Mann.“ Als Kinder lachten wir und erzählten uns, wie vom Autor gewünscht,
       die Geschichte weiter. Dabei war es eine traurige Geschichte von einem
       Kommunikationsverlust.
       
       Peter Bichsel war Sozialist und Realist, insofern sah er mit Hoffnung in
       eine düstere Zukunft. Den „Totaldemokraten“ in seiner Schweiz, die er als
       Kolumnist über Jahrzehnte begleitete, war er Vorbild und Ärgernis zugleich.
       [1][Da er freundlich und humorvoll wirkte, wurde seine analytische Kraft
       oft unterschätzt.]
       
       ## Immer in Anglerweste
       
       Man traf bei seinen Auftritten in den letzten Jahren auf einen älteren
       Herrn in Anglerweste, der noch immer erst auf der Bühne entschied, was
       genau er las („Es muss für mich ja auch noch ein wenig überraschend
       sein.“). Zu seiner Zigarette trank er gern Rotwein und erzählte gern viel –
       doch nur wenig aus seinem Leben.
       
       Am 24. März hätte er seinen 90. Geburtstag feiern können, daher ist gerade
       seine frühe Kurzprosa unter dem Titel „Eigentlich möchte Frau Blum den
       Milchmann kennenlernen“ erneut erschienen, und man versteht sofort, warum
       seine Kolleg:innen diesem genauen Beobachter 1965 den Preis der Gruppe
       47 zuerkannten.
       
       Viele Bücher und Auszeichnungen folgten, dennoch fiel Bichsel nie durch
       große Eitelkeit auf. Er sterbe gern, ließ er in einem seiner letzten
       Interviews wissen. Am Samstag nun ist er in einem Pflegeheim in Zuchwil von
       uns gegangen.
       
       17 Mar 2025
       
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