URI: 
       # taz.de -- Trumps Angriff auf die Justiz: Rechter Staat statt Rechtsstaat
       
       > Mit Weißem Haus und Kongress kontrolliert Donald Trump zwei von drei
       > Staatsgewalten. Jetzt zieht er gegen die Judikative ins Feld.
       
   IMG Bild: US-Vizepräsident J. D. Vance und Mike Johnson, Sprecher des Repräsentantenhauses, während der Kongressrede von Donald Trump am 4. März
       
       Dass es US-Präsident Donald Trump mit geltenden Gesetzen nicht so genau
       nimmt, ist nichts Neues. Aber Trump ist mehr als eine Person, die zeit
       ihres Lebens Regeln gebrochen hat und immer irgendwie damit durchgekommen
       ist. Trump ist auch derjenige, der einer Regierungsmannschaft vorsteht, die
       das gesamte unabhängige Justizsystem zerschlagen und zur Waffe ihres
       autoritären – manche sagen nicht zu Unrecht: faschistischen – Staatsumbaus
       machen will.
       
       Bei einem Treffen der Conservative Political Action Conference vor rund
       einem Jahr erklärte der Trump-Berater [1][Stephen Miller] sehr klar, was
       die Linie der MAGA-Republikaner an der Macht sein müsse: Wo Gesetze gemacht
       werden, dürfen die nicht neutral sein, sonst wenden sie sich gegen die
       eigenen Leute. Sein Tipp daher: „Schreiben wir die Gesetze so, dass sie
       unsere Freunde beschützen und den anderen wehtun!“ Und: Jeder einzelne
       Richter- oder Staatsanwaltsposten im Land müsse mit rechtskonservativen
       „legal warriors“, also juristischen Kriegern gefüllt werden.
       
       Miller, der sich gern als eine Art strategischer Vordenker der
       MAGA-Bewegung versteht und mit dem Begriff Hardliner vollkommen
       unzureichend beschrieben ist, ist heute stellvertretender Stabschef im
       Weißen Haus.
       
       Der erste Punkt auf Trumps Agenda war folgerichtig der Umbau des
       Justizministeriums auf möglichst vielen Ebenen, oben angefangen. Trumps
       erste Nominierung für den Kabinettsposten war ein Fehlgriff: Der
       Abgeordnete [2][Matt Gaetz] war auch in den eigenen Reihen so unbeliebt und
       hatte so viele Skandale am Bein, dass er noch vor der ersten Senatsanhörung
       [3][zurückgezogen] wurde. Schließlich nominierte Trump einfach [4][Pam
       Bondi]. Die kannte er schon länger – bis 2019 war sie Staatsanwältin im
       republikanischen Florida, bei Trumps erstem Amtsenthebungsverfahren hatte
       sie zu seinem Anwaltsteam gehört, auf dem Parteitag der Republikaner
       2020 war sie mit scharfen, aus der Luft gegriffenen Korruptionsvorwürfen
       gegen Joe Biden aufgefallen. Und 2023, als die Strafverfahren gegen Trump
       sich häuften, erklärte sie, die Ankläger würden eines Tages zur
       Rechenschaft gezogen werden. Sie ist also „legal warrior“ ganz nach Stephen
       Millers Geschmack.
       
       ## MAGA-Kämpfer auf allen Ebenen
       
       Bondis erster Job: [5][Säuberungen] im Ministerium. Wer auch nur
       irgendetwas mit den Ermittlungen gegen Donald Trump zu tun hatte, flog
       raus. Und es ist noch nicht vorbei: Trump hatte schon in den ersten
       Amtstagen das sogenannte Schedule F wieder eingeführt. Das ist eigentlich
       ein dröger Verwaltungsakt, aber bedeutsam. Denn mit Schedule F werden
       diverse Karrierebeamte, die eigentlich nicht zum politischen und damit
       nach einem Regierungswechsel austauschbaren Personal gehören, in genau
       diese Kategorie gezogen.
       
       Was damit bezweckt ist, kann man im von der rechten Heritage Foundation
       kuratierten [6][„Project 2025“] nachlesen, der Blaupause für Trumps zweite
       Amtszeit: Alle Verwaltungsebenen sollen mit loyalen MAGA-Kämpfern besetzt
       werden – Erfahrung und Fähigkeiten zweitrangig. Auch das passiert jetzt im
       Justizministerium. Die eigentlich unabhängige und ausschließlich dem Gesetz
       verpflichtete Behörde – die Justizministerin ist auch die
       Generalstaatsanwältin – ist so zum Instrument der Durchsetzung von Trumps
       Politik geworden.
       
       Schon nach der ersten Woche im Amt sah sich Trump mit seinen Dutzenden
       Dekreten [7][juristischem Gegenwind] ausgesetzt, und das hat auch nach
       zweieinhalb Monaten nicht nachgelassen. Wie auch, wenn er per Dekret den
       14. Verfassungszusatz über die Staatsbürgerschaft qua Geburt aushebeln
       will; oder Ausgaben streicht, die das Parlament beschlossen hat; oder
       Behörden und Ministerien auflöst, was auch nur der Kongress darf; oder in
       eindeutig diskriminierender Weise trans Personen aus dem Militärdienst
       ausschließt. All dies stoppten Richter*innen zumindest vorläufig. Doch
       inzwischen geht die Regierung sogar mit finanziellem Druck gegen
       Anwaltskanzleien vor, die Kläger gegen Regierungspolitik vertreten – und
       [8][einige große Kanzleien haben Unterwerfungserklärungen unterzeichnet].
       
       Im Fall der mehr als [9][200 ohne Verfahren nach El Salvador in ein
       berüchtigtes Hochsicherheitsgefängnis ausgeflogenen Venezolaner] brachte
       die Regierung den Alien Enemies Act von 1798 in Stellung – ein umstrittenes
       Gesetz, das letztmals im Zweiten Weltkrieg angewandt wurde. Das Gesetz
       lässt es zu, Staatsbürger*innen eines Landes, mit dem sich die USA im
       Krieg befinden, ohne Prozess auszuweisen oder zu internieren. Dass es nicht
       dazu taugen kann, mutmaßliche Mitglieder einer kriminellen Gang so zu
       behandeln, ist offensichtlich.
       
       ## „Es ist mir egal, was die Richter denken“
       
       Hier beginnt die nächste Etappe im Kampf gegen die einschränkende Macht
       geltenden Rechts. Bezirksrichter James Boasberg ordnete noch am Abend der
       Abschiebeflüge an, sie zu stoppen oder die Flugzeuge umkehren zu lassen –
       die Regierung ignorierte das einfach.
       
       Seither wurde deutlich, dass etliche der Deportierten, die jetzt gedemütigt
       und kahl geschoren in einem salvadorianischen Gefängnis sitzen, mit der
       Tren-de-Aragua-Gang absolut nichts zu tun haben. Aber die Regierung tut
       nichts, um sie zurückzuholen.
       
       Das schafft eine neue Lage. Was passiert, wenn die Regierung
       Gerichtsentscheidungen nicht mehr folgt? Statt der Anordnung nachzukommen,
       beschimpfte Trump Richter Boasberg als „linksradikalen Spinner“, der des
       Amtes enthoben gehöre. Trumps „Grenzzar“ Tom Homan erklärte: „Wir werden
       nicht aufhören. Es ist mir egal, was die Richter denken. Es ist mir egal,
       was die Linken denken. Wir kommen.“
       
       Justizministerin Bondi veröffentlichte nach Boasbergs Entscheidung die
       [10][Erklärung]: „Diese Anordnung missachtet gut etablierte Standards über
       Präsident Trumps Macht und bringt die Öffentlichkeit und Sicherheitskräfte
       in Gefahr. Das Justizministerium ist unbeirrt in seinem Bestreben, mit dem
       Weißen Haus, dem Heimatschutzministerium und allen unseren Partnern daran
       zu arbeiten, diese Invasion zu stoppen und Amerika wieder sicher zu
       machen.“ [11][Seitdem geht es hin und her zwischen Richter Boasberg und der
       Regierung], die argumentiert, es könne doch nicht angehen, dass
       irgendwelche Bezirksrichter sich anmaßten, in ihr Handeln einzugreifen.
       
       ## Trump will eine dritte Amtszeit
       
       Über allen juristischen Auseinandersetzungen steht die Zuversicht der
       Trump-Regierung, sich in letzter Instanz auf die konservative
       6:3-Mehrheit im Obersten Gerichtshof verlassen zu können. So [12][rief sie
       schon dreimal den Supreme Court an], um sich gegen die aufmüpfigen
       Bezirksrichter helfen zu lassen. Entschieden hat der Supreme Court noch
       nichts, doch der konservative Vorsitzende des Gerichts, John Roberts,
       kritisierte Trump ausnahmsweise mit der Bemerkung, dass ein
       „Amtsenthebungsverfahren keine angemessene Reaktion auf
       Meinungsverschiedenheiten bezüglich einer gerichtlichen Entscheidung ist“.
       Inzwischen spricht Trump von einer dritten Amtszeit. Einer solchen steht
       der 22. Verfassungszusatz entgegen. Eigentlich.
       
       5 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/watch?v=pgG7MbIPI2g&ab_channel=ForbesBreakingNews
   DIR [2] /Nominierungen-fuer-Trumps-Kabinett/!6049286
   DIR [3] /Trumps-Regierungsbildung/!6050824
   DIR [4] /Donald-Trumps-Regierungsbildung/!6050910
   DIR [5] /Umbau-der-Justiz/!6067186
   DIR [6] /Project-2025-Manifest-in-den-USA/!6043014
   DIR [7] /Rechtsstaat-unter-Donald-Trump/!6065187
   DIR [8] https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/usa-kanzleien-trump-vereinbarung-paul-weiss-pro-bono
   DIR [9] /Abschiebungen-in-den-USA/!6073153
   DIR [10] https://www.justice.gov/opa/pr/statement-attorney-general-pamela-bondi-federal-judge-blocking-deportations
   DIR [11] /Streit-um-Abschiebungen-nach-El-Salvador/!6079799
   DIR [12] https://edition.cnn.com/2025/04/01/politics/only-this-court-trump-supreme-court-agenda/index.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Pickert
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Rechtsstaat
   DIR Gewaltenteilung
   DIR GNS
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Zölle
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Diversität
   DIR Elon Musk
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Donald Trumps Kampf mit der Justiz: Supreme Court erweitert die Macht des Präsidenten
       
       Der Oberste Gerichtshof der USA nimmt Bundesbezirksrichter*innen die
       Möglichkeit, Dekrete des Präsidenten einstweilig landesweit zu stoppen.
       
   DIR Donald Trumps Kampf mit der Justiz: Die nächste Eskalationsstufe
       
       Die Trump-Regierung lässt eine Richterin verhaften, weil die versucht
       hatte, eine Abschiebefestnahme direkt vor ihrem Gerichtssaal zu verhindern.
       
   DIR Rechtsstaat versus Regierung: Trump-Regierung weigert sich, Abschiebefehler zu korrigieren
       
       Die rechtswidrige Abschiebung eines Migranten nach El Salvador wird für die
       US-Regierung zum Problem. Bisher ignoriert sie ein Gerichtsurteil.
       
   DIR Rechtsstreit um US-Abschiebungen: Rückendeckung vom konservativen Gericht
       
       Die konservative Mehrheit des Obersten Gerichtshofes urteilt ganz im Sinne
       von US-Präsident Donald Trump. Sie stoppt die Abschiebungen nach El
       Salvador nicht.
       
   DIR Netanjahu in Washington: Trump will mit Iran über Atomprogramm sprechen
       
       Israels Premier Benjamin Netanjahu traf den US-Präsidenten in Washington.
       Dort verkündete Trump den Beginn von Gesprächen mit dem Iran am Samstag.
       
   DIR Trumps DEI-Dekret hat Folgen: US-Telekom-Tochter kürzt Diversitätsinitiativen
       
       T-Mobile stellt einige Programme zur Förderung von Vielfalt ein. Eine
       US-Kontrollbehörde erlaubt dem Konzern nun, einen Netzbetreiber zu
       übernehmen.
       
   DIR Wegen Trumps DEI-Dekret: US-Botschaft untersagt deutschen Partnern Diversität
       
       Die US-Botschaft in Berlin will, dass sich deutsche Firmen von Programmen
       für Vielfalt distanzieren. Scharfe Kritik von der Bundesbeauftragten
       Ataman.
       
   DIR US-Regierung: Musk soll Trump-Regierung vorzeitig verlassen
       
       Tesla-Gründer Elon Musk entwickelte sich zunehmend zu einer Belastung für
       die Trump-Regierung. Nun soll er das Amt des Sonderbeauftragten abgeben.
       
   DIR Filibuster im US-Senat: 25 Stunden Reden gegen Trump
       
       Bisher wirkt die demokratische Opposition gegen Donald Trump wie gelähmt.
       Ein besonderes Zeichen setzte jetzt der demokratische Senator Cory Booker.
       
   DIR Verfassungsgericht: Richterwahl im Hinterzimmer
       
       Um die Benennung der Verfassungsrichter ans Licht zu zerren, tritt die
       Linke mit einem eigenen Kandidaten an.