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       # taz.de -- Lateinamerikas Beziehung zu Trump: Sie wehren sich, so gut sie können
       
       > Eigentlich will der US-Präsident den Subkontinent unterwerfen – wie vor
       > 100 Jahren. Doch heute geht das nicht mehr. Die Staaten leisten
       > Widerstand.
       
   IMG Bild: In Mexiko City protestieren Demonstranten gegen die Zollpolitik von US-Präsident Trump, 9. 3. 2025
       
       Claudia Sheinbaum war zufrieden. „Es hat mit der Stärke unserer Regierung
       zu tun, dass Mexiko keine zusätzlichen Zölle auferlegt wurden“, sagte die
       linke Staatschefin vergangene Woche. Als einziges lateinamerikanisches Land
       blieb Mexiko an Donald Trumps [1][„Liberation Day“] unversehrt – die
       anderen bekamen 10-Prozent-Zölle verpasst. Allerdings hatte der
       US-Präsident bereits zuvor [2][25 Prozent Zoll] auf mexikanische Autos,
       Stahl und Aluminium verhängt – mit gravierenden Folgen: [3][Die
       Autoindustrie] macht 3,6 Prozent des mexikanischen Bruttoinlandsprodukts
       aus. Die Abhängigkeit des Landes vom „Koloss des Nordens“ ist viel größer
       als jene Brasiliens oder Argentiniens.
       
       Lateinamerika und die Karibik wehren sich gegen Trumps Aggressionen, so gut
       sie können. Allerdings ist die krisengeschüttelte Region fragil: Corona und
       das Klimadesaster, eine ungebremste [4][extraktivistische Ausplünderung]
       bei gleichzeitiger Zunahme von sozialer Ungleichheit und die grassierende
       Narco-Kriminalität haben Spuren hinterlassen.
       
       Bei aller Abschottung behandelt Trump sie als Hinterhof der USA – ähnlich
       wie seine Vorgänger zur Blütezeit des US-Imperialismus vor hundert Jahren.
       Er knüpft sogar an die Monroe-Doktrin aus dem Jahr 1823 an. [5][„Amerika
       den Amerikanern“] – so formulierte der damalige Präsident James Monroe den
       Anspruch der USA. Damals richtete sich das Motto noch gegen die Rivalen aus
       Europa, vor allem gegen Großbritannien, das auf dem Subkontinent ökonomisch
       den Ton angab.
       
       Wo früher Europa im Fokus stand, ist es heute China, das zunehmend Einfluss
       in der Region gewinnt. Den Panamakanal will Trump „zurückholen“ – Panamas
       Regierung habe die Verwaltung des Kanals China überlassen, behauptete er
       schon vor Wochen. Ihm schwebt eine neue geopolitische Aufteilung der Welt
       vor, bei der Lateinamerika wieder eindeutig unter der Vorherrschaft der USA
       stehen soll.
       
       ## „Der Imperialismus hat sich ins Knie geschossen.“
       
       Doch so einfach lässt sich die Uhr nicht zurückdrehen: Im 21. Jahrhundert
       hat China seine Position beträchtlich gestärkt. Das Land wurde zu einem
       wichtigen Abnehmer von Soja, Erdöl oder Eisenerz und integrierte mehrere
       Länder in sein globales Infrastrukturprojekt „Neue Seidenstraße“. Vor allem
       Brasilien – zusammen mit Russland, Indien und China – macht konkrete
       Schritte in Richtung multilateraler Weltordnung.
       
       Die Lateinamerikapolitik Joe Bidens war durchaus auch von imperialen
       Ansprüchen geprägt. So warnte die frühere Chefin des US Southern Command,
       Generalin Laura Richardson, regelmäßig vor der Einflussnahme Chinas in
       Lateinamerika. Zusammen mit Milei kündigte sie vergangenes Jahr den Bau
       einer gemeinsamen [6][Militärbasis in Feuerland] an. Biden kann man vor
       allem seine uneingeschränkte Solidarität mit Lula beim Putschversuch von
       Jair Bolsonaro in Brasilien zugutehalten. Mit Trump im Weißen Haus wäre der
       Umsturz Anfang 2023 womöglich gelungen.
       
       Gegenüber Kuba, Venezuela und Nicaragua, die unter Biden Boykottmaßnahmen
       ausgesetzt waren, hat Trumps Außenminister Marco Rubio einen noch härteren
       Kurs angekündigt. Im Fall Venezuelas lässt dieser sogar kurzfristige
       wirtschaftliche Interessen hinter geopolitische Überlegungen zurücktreten.
       Trump untersagte dem [7][US-Ölkonzern Chevron], seine Aktivitäten in
       Venezuela fortzusetzen. Der autokratische Staatschef Nicolás Maduro befand
       daraufhin: „Der Imperialismus hat sich ins Knie geschossen.“
       
       Javier Milei und [8][Nayib Bukele] wollen sich dem US-Präsidenten als
       willige Helfershelfer andienen: Der [9][ultrarechte Argentinier], der
       gerade mit voller Kraft eine „Anti-Woke“-Agenda à la Trump vorantreibt,
       spielte jüngst sogar mit dem Gedanken, für einen Freihandelsvertrag mit den
       USA die Zollunion Mercosur zu sprengen.
       
       ## Neoimperiale Offensive aus Washington eine enorme Gefahr
       
       In der UNO weigerte sich Milei ebenso wie die USA, die russische Aggression
       gegen die Ukraine in einer Resolution zu verurteilen. Den Wahlsieger Trump
       durfte er als erster Staatschef noch im November besuchen. Der „coolste
       Diktator der Welt“ – so die Eigenbeschreibung des Salvadorianers Bukele –
       wird demnächst im Weißen Haus erwartet.
       
       Vergangene Woche postete Bukele ein Video auf X, das in kürzester Zeit ein
       Millionenpublikum erreichte. Darauf zu sehen: junge Latinos, angeblich
       „extrem gefährliche Kriminelle“, die nachts von schwer bewaffneten Militärs
       auf einem Flughafen empfangen, unsanft geduckt herausgeführt, geschoren und
       weggesperrt werden. Die zynische Antwort Trumps folgte in einem Repost:
       „Thank you, President Bukele, for giving them such a wonderful place to
       live!“
       
       Um Millionen Flüchtlinge in den USA zu terrorisieren, hatte Trump bereits
       vierzehn Tage zuvor 238 angebliche Mitglieder der Drogenbande Tren de
       Aragua [10][rechtswidrig nach El Salvador ausweisen lassen], wo sie jetzt
       in Bukeles für 40.000 Insassen angelegtem Hochsicherheitsknast schmoren.
       Zwar musste die US-Regierung bald einräumen, dass über hundert der
       Deportierten gar keine Straftaten begangen hatten – egal: Für
       Gewaltenteilung interessiert sich Trump ebenso wenig wie Bukele.
       
       Für Lateinamerika und die Karibik stellt die neoimperiale Offensive aus
       Washington eine enorme Gefahr mit offenem Ausgang dar. Die Kleinstaaten
       Zentralamerikas und der Karibik vermögen den USA allerdings wenig
       entgegenzusetzen. In Brasilien, Chile und Kolumbien droht bei den kommenden
       Wahlen ein Schwenk hin zur Ultrarechten. Die progressiven Kräfte, die vor
       zwanzig Jahren den Linksruck in Südamerika anführten, befinden sich in
       einer tiefen Krise.
       
       Ob Trumps Lateinamerikapolitik für die USA selbst wirklich das Beste ist,
       bleibt allerdings unklar. Kolumbiens progressiver Präsident Gustavo Petro
       hat da so seine Zweifel: Trumps Diktum, dass diese den Subkontinent nicht
       bräuchten, warnte er, „ist gefährlich – nicht nur für die Welt, sondern
       auch für die nordamerikanische Gesellschaft selbst“.
       
       8 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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