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       # taz.de -- Filmemacher über Sinti und Roma: „Es gibt wieder mehr Antiziganismus“
       
       > Rainer Komers hat mit 45 Jahren Abstand zwei Filme über die Sintifamilie
       > Mettbach gedreht. Dabei zeigt sich: Viele Probleme sind gleich geblieben.
       
   IMG Bild: Duisburg 1980: Szene aus Rainer Komers erstem Film über die Familie Mettbach
       
       taz: Herr Komers, Sie haben 1980 den Kurzdokumentarfilm „Z*** in Duisburg“
       über die Sintifamilie Mettbach gedreht. Wie kam es, dass Sie noch einen
       Film über sie gedreht haben? 
       
       Rainer Komers: Ich hatte den Kontakt zu der Sinti-Familie Mettbach, die in
       meinem ersten Kurzfilm porträtiert wird, nie verloren und besuchte sie vor
       ein paar Jahren wieder in Duisburg. Ich hatte dabei Aufnahmen für den Film
       „Unrecht und Widerstand“ gedreht, die dann aber nicht verwendet wurden. Für
       die [1][„Sinti und Roma Tage“ in Bremen] habe ich nun das Material
       bearbeitet und geschnitten und jetzt wird es unter dem Titel „Zwei
       Schwestern“ zum ersten Mal gezeigt.
       
       taz: In beiden Filme geht es darum, dass die Behörden den Sinti ihre
       Wohnplätze in Duisburg streitig machen. Da hat sich in 45 Jahren nicht viel
       verändert.
       
       Komers: Sie haben es auf den Punkt gebracht. Als ich den ersten Film 1978
       gedreht habe, wurde die Holocaust-Überlebende Elli Mettbach von ihrem
       Wohnort vertrieben, weil nicht anerkannt wurde, dass es ein Teil ihrer
       Kultur ist, in Großfamilien und in Wohnwagen zusammenzuleben. Sie wurde
       stattdessen als Obdachlose angesehen. Wenn eine jüdische
       Holocaustüberlebende von deutschen Behörden so behandelt worden wäre, dann
       würde das in der New York Times stehen. Und heute werden die Wohnplätze der
       Mettbachs wieder von der Stadt Duisburg als ein Missstand angesehen, der zu
       beseitigen ist. Die Enkelinnen von Elli Mettbach befürchten, dass der Platz
       nach deren Ableben aufgelöst wird. Darum fordern sie, dass er als
       Sintiwohnplatz anerkannt und unter Schutz gestellt wird.
       
       taz: Ist es nicht seltsam, dass der ursprüngliche Titel Ihres Films von
       1980 heute nicht ausgeschrieben im Programm erscheint, weil er
       [2][politisch nicht mehr korrekt ist?] 
       
       Komers: Zu der Zeit nannte sich die Minderheit selber noch so. Das änderte
       sich erst nach dem [3][Hungerstreik der Sinti in Dachau im Jahr 1980]. Für
       mich war dieses Wort ursprünglich sehr positiv besetzt, weil ich mir zum
       Beispiel damals als junger Vater die Familie Mettbach zum Vorbild genommen
       habe, weil sie so liebevoll mit ihren Kindern umgegangen sind, wie ich es
       noch nie erlebt hatte. Die Mehrheit der Deutschen hat diesen Begriff aber
       [4][sehr negativ verwendet]. Das war schon immer eine Fremdbezeichnung,
       doch ich hatte damals keine andere.
       
       taz: Hat sich mit dieser veränderten Begrifflichkeit für die Minderheit
       etwas grundsätzlich verändert? 
       
       Komers: In dem neuen Film wird thematisiert, dass die Mehrheitsgesellschaft
       mit den Begriffen Sinti und Roma immer noch wenig anfangen kann. Und die
       beiden Schwestern kommen zu der Einschätzung, dass der [5][Antiziganismus]
       trotz der Bürgerrechtsbewegung in den letzten Jahren wieder angewachsen
       ist. Als Grund dafür nennen sie die [6][Migrationsdebatte]. Da werden jetzt
       verschiedene Minderheiten in einen Topf geworfen. Und das, obwohl die
       meistens deutschen Sinti seit 600 Jahren in diesem Land ansässig sind.
       
       taz: Das viertägige Programm im City 46 wird mit [7][„Unrecht und
       Widerstand – Romani Rose und die Bürgerrechtsbewegung“] von Peter Nestler
       eröffnet, bei dem Sie hinter der Kamera standen. 
       
       Komers: Er ist die erste umfassende Darstellung der Bürgerrechtsbewegung
       der Sinti und Roma im Film. Und er hat dann auch den Grimme-Preis und einen
       der beiden Hauptpreise bei den Duisburger Filmwochen gewonnen.
       
       8 Apr 2025
       
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   DIR [4] /Film-ueber-Antiziganismus/!5908842
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