URI: 
       # taz.de -- Urteil nach 30 Jahren: Zwei Jahre auf Bewährung für das K.O.M.I.T.E.E.
       
       > Sie hatten 1995 versucht, einen Abschiebeknast in die Luft zu jagen. Das
       > misslang. Am Dienstag wurden sie in Berlin verurteilt.
       
   IMG Bild: Können sich nach 30 Jahren wieder in Deutschland aufhalten: Peter Krauth und Thomas Walter, hier mit ihren Verteidigern im Gericht
       
       Berlin taz | Zwei Jahre Haft auf drei Jahre Bewährung: Mit diesem Urteil
       endete am Dienstag ein Prozess vor dem Kammergericht Berlin, in dem eine
       Tat verhandelt wurde, die fast auf den Tag 30 Jahre zurückliegt. In der
       Nacht zum 11. April 1995 hatten Bernd Heidbreder, Thomas Walter und Peter
       Krauth versucht, ein im Bau befindliches Abschiebegefängnis in Berlin zu
       sprengen.
       
       [1][Die Aktion scheiterte und die drei Männer mussten abtauchen.] Drei
       Jahrzehnte lang hatten sie sich der Strafverfolgung entzogen – bis Walter
       (62) und Krauth (65) Mitte März aus ihrem Exil in Venezuela zurückkehrten,
       sich den deutschen Behörden stellten und einige Tage in Untersuchungshaft
       kamen. Vorher hatten sie mit der Bundesanwaltschaft (BAW) eine
       „Verständigung“ ausgehandelt: Geständnisse gegen Bewährungsstrafe. Für
       Heidbreder kam das zu spät, er war 2021 im westvenezolanischen Mérida
       [2][mit 60 Jahren an Krebs verstorben.]
       
       Das Gericht entsprach mit seinem Urteil genau der Strafforderung der
       Bundesanwälte. Wie vereinbart, hatten die Beschuldigten am ersten
       Prozesstag gestanden, dass sie als Mitglieder der militanten Gruppe Das
       K.O.M.I.T.E.E. das Gebäude in Berlin-Grünau sprengen wollten. Die BAW hatte
       sie deshalb der „Verabredung der Herbeiführung eines Sprengstoffanschlags“
       beschuldigt.
       
       Alle anderen Vorwürfe wie die Mitgliedschaft in einer terroristischen
       Vereinigung und die gescheiterte Aktion selbst waren bereits verjährt,
       ebenso ein Brandanschlag auf das Kreiswehrersatzamt in Bad Freienwald, den
       die Gruppe 1994 verübt hatte.
       
       ## Wie die Tatnacht verlaufen ist
       
       Ausführlich beschrieb der Vorsitzende Richter Gregor Herb, wie die Tatnacht
       nach Interpretation des Gerichts verlaufen war: Wie die drei mit insgesamt
       120 Kilogramm Sprengstoff gefüllte Propangasflaschen auf einem Parkplatz in
       einen roten Ford Transit luden, wie sie dann von einer Polizeistreife
       überrascht wurden, flüchten mussten und zahlreiche Personaldokumente
       hinterlassen hatten.
       
       „Es war purer Zufall, dass das Gefängnis nicht in die Luft gesprengt
       wurde“, erklärte Herb, hielt den beiden aber zugute, dass keine Gefahr für
       Menschen bestanden habe. „Sie wollten um jeden Preis verhindern, dass
       Menschenleben gefährdet werden“, sagte er und verwies auf Schilder mit der
       Aufschrift „Vorsicht Sprengung“, die im Fahrzeug gefunden wurden. Der Bau
       sei quasi unbewacht sowie ungenutzt und unbewohnt gewesen.
       
       Dennoch spreche das Vorgehen der Gruppe für ein „extrem hohes Maß an
       krimineller Energie“, so Herb. Durch die Aktion sollte nach Worten des
       Richters die Abschiebung kurdischer Politiker verhindert werden, um den
       Kampf der „terroristischen Vereinigung PKK“, der Kurdischen Arbeiterpartei,
       zu unterstützen.
       
       Angesichts von 30 Jahren auf der Flucht hätten die beiden selbst die Folgen
       ihres gescheiterten Anschlags zu spüren bekommen. Das sei bestimmt kein
       Zuckerschlecken gewesen, so Herb. Positiv sei zu bewerten, dass sich die
       BAW und die beiden schnell und einvernehmlich geeinigt hätten. Das Urteil
       sei weder eine übertriebene Bestrafung einer Strafverfolgungsbehörde noch
       unangebrachte Milde, resümierte der Richter.
       
       Peter Krauth selbst sagte der taz: „Schön ist das nicht, aber die einzige
       Möglichkeit zurückzukommen.“ Thomas Walter verglich den Prozess mit einem
       Tumor: „Du hast entschieden, ihn rausschneiden zu lassen, aber toll ist das
       trotzdem nicht.“ Die beiden leben seit vielen Jahren in Venezuela, wie auch
       der inzwischen verstorbene Heidbreder. [3][2022 erhielten sie dort Asyl].
       Sie konnten sich also frei bewegen. Walter und Krauth sind dort in der
       Landwirtschaft tätig, Heidbreder arbeitete lange als Drucker in einem
       städtischen Betrieb.
       
       ## Anklage nach Paragraf aus NS-Zeit
       
       Obwohl sie sich in Venezuela gut eingerichtet haben, gab es immer wieder
       Versuche, einen Deal mit den deutschen Strafverfolgern auszuhandeln. Doch
       angesichts des in Aussicht gestellten hohen Strafmaßes kam es zu keiner
       Einigung. Nach gängiger Rechtsprechung wären die Tatvorwürfe bereits nach
       20 Jahren verjährt gewesen. Doch die Haftbefehle wurden zwei Mal erneuert.
       Durch den Vorwurf der Verabredung zur Herbeiführung eines
       Sprengstoffanschlags verlängerte sich die Frist auf 40 Jahre.
       
       Krauths [4][Rechtsanwalt Lukas Theune] kritisiert gegenüber der taz den der
       Anklage zugrundeliegenden Paragrafen 30 des Strafgesetzbuches, der 1943
       durch die Ermächtigung Hitlers eingeführt wurde und mit der Bestrafung
       einer „Verabredung“ einer nazistischen Logik folge. Dass durch dieses
       „Nazigesetz“ die absolute Verjährung um 20 Jahre hinausgezögert worden sei,
       habe faktisch dazu geführt, dass Heidbreder vor seinem Tod nicht mehr nach
       Deutschland zurückkehren konnte.
       
       Keiner der drei Mitglieder des K.O.M.I.T.E.E hat den Versuch der Sprengung
       eines im Bau befindlichen Abschiebeknastes je für problematisch gehalten.
       „Wenn ich etwas bereue, dann, dass das Ding nicht in die Luft gegangen
       ist“, sagte Walter der taz.
       
       8 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Linksradikale-Gruppe-KOMITEE/!5464717
   DIR [2] /Aktivist-Bernd-Heidbreder-ist-gestorben/!5775746
   DIR [3] /Autonome-in-Venezuela/!5832348
   DIR [4] /Anmelder-der-Unteilbar-Demo/!5539912
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wolf-Dieter Vogel
       
       ## TAGS
       
   DIR Abschiebung
   DIR Friedrich Merz
   DIR Militanz
   DIR Urteil
   DIR Venezuela
   DIR GNS
   DIR Migration
   DIR Linksextremismus
   DIR Linksextremismus
   DIR Schwerpunkt Antifa
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Aktionen gegen Abschiebung: Lichterketten tun's nicht
       
       Friedrich Merz will Tausende Menschen einsperren lassen. Das K.O.M.I.T.E.E.
       hat 1995 versucht, einen Abschiebeknast zu sprengen. Ist es angemessen, sie
       zu feiern?
       
   DIR Gescheiterter Sprengstoffanschlag: Geständnis nach 30 Jahren
       
       1995 planten Mitglieder der militanten Gruppe Das K.O.M.I.T.E.E einen
       Anschlag auf einen Gefängnisbau in Berlin-Grünau. Nun begann der Prozess.
       
   DIR Militante Gruppe „Das K.O.M.I.T.E.E.“: Rückkehr nach 30 Jahren
       
       1995 sollen die Linken Thomas Walter und Peter Krauth an einem
       gescheiterten Anschlag beteiligt gewesen sein. Nun stellen sie sich den
       Behörden.
       
   DIR Autonome im venezolanischen Exil: Anklage gegen das Komitee
       
       Zwei Autonome flüchteten nach Venezuela, weil sie versucht haben sollen,
       1995 ein Abschiebegefängnis in Berlin zu sprengen. Nun wurde Anklage
       erhoben.