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       # taz.de -- Fischerei-Kommission macht Vorschlag: Fischen in Offshore-Windparks soll aus der Krise helfen
       
       > Für Fischerei ist wegen der vielen Nutzungsansprüche im Meer immer
       > weniger Platz. Nun soll geprüft werden, ob in Offshore-Windparks gefischt
       > werden kann.
       
   IMG Bild: Sind in den letzten Jahren immer weniger geworden: Fischkutter auf der Nordsee
       
       Hamburg taz | Die deutsche Küstenfischerei steckt in der Krise: Schwindende
       Bestände, steigende Betriebskosten und die Flächenkonkurrenz mit anderen
       Meeresnutzern machen ihr das Leben schwer. Eine vom
       Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) einberufene Zukunftskommission hat
       jetzt unter anderem vorgeschlagen, das Fischen in Offshore-Windparks zu
       ermöglichen. Die Industrie ist davon nicht begeistert.
       
       Dass besonders die Küstenfischerei unter Druck ist, lässt sich an den
       Zahlen der Zukunftskommission ablesen: Gab es 2020 noch 1.275
       Küstenfischereibetriebe in Deutschland, waren es im vergangenen Jahr nur
       noch 600. Von insgesamt 2.247 aktiven deutschen Fischereifahrzeugen 2002
       waren nach Angaben des Thünen-Instituts für Seefischerei 2023 noch 1.138
       übrig. Und auch solche Zahlen sind aus Sicht der Kommission noch zu hoch,
       obwohl und gerade weil das politische Ziel war, die Fischerei als solche zu
       erhalten.
       
       Das wird auch deshalb immer schwerer, weil das scheinbar unendliche Meer
       zunehmend parzelliert und für unterschiedliche, teilweise sich
       überschneidende Nutzungen aufgeteilt wird. So sind in der Ausschließlichen
       Wirtschaftszone (AWZ) in der Nordsee, in der Deutschland besondere Rechte
       hat, 50 Prozent der Fläche für die Schifffahrt vorgesehen.
       
       ## Kaum Platz zum Fischen
       
       Nach Angaben des [1][Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie, das
       sich um die Flächenplanung kümmert], stehen 38 Prozent unter Naturschutz,
       auf 25 Prozent darf die Bundeswehr üben; der Rest ist für die
       Windindustrie, Leitungen, Fischerei, Forschung und Rohstoffgewinnung
       vorgesehen.
       
       Sehr viel [2][mehr Fläche beansprucht in Zukunft die Offshore-Windenergie].
       Ihre installierte Leistung soll von zurzeit neun Gigawatt auf 70 in 2045
       ausgebaut werden. 18 Prozent der AWZ hat das BSH dafür vorgesehen.
       
       Damit die Fischerei nicht unter die Räder kommt, sieht das
       [3][Windenergie-auf-See-Gesetz] Kompensationszahlungen für die Fischerei
       ebenso wie für den Naturschutz vor. Investoren, die den Zuschlag für ein
       Offshore-Windpark-Projekt bekommen, müssen fünf Prozent der gebotenen
       Summen für „Maßnahmen zur umweltschonenden Fischerei einschließlich
       Fischereistrukturmaßnahmen möglichst in dem betroffenen Naturraum“
       überweisen.
       
       ## Windparks sind attraktive Lebensräume
       
       Die Zukunftskommission Fischerei schlägt vor, dieses Geld dazu zu
       verwenden, aus Fischern „Meeresförster“ zu machen, wie
       Mecklenburg-Vorpommern das bereits für die Ostsee anbietet. Fischer sollen
       eine Zusatzqualifikation zum Fachwirt „Fischerei und Meeresumwelt“ erwerben
       können, die ihnen ein zusätzliches Auskommen verschafft.
       
       Es sollen emissionsarme, auf die unterschiedlichen Gegebenheiten im
       Küstenmeer angepasste Fischereifahrzeuge entwickelt und die Flotte
       verkleinert werden. Darüber hinaus empfiehlt die Kommission zu erforschen,
       inwiefern sich in den Windparks fischen ließe oder ob darin Aquakulturen
       betrieben werden könnten.
       
       Erste Forschungsergebnisse des Thünen-Instituts weisen darauf hin, dass die
       Fundamente von Windkraftanlagen die von Steinschüttungen geschützt werden,
       ein attraktiver Lebensraum für Meeresgetier sind. In einer 2020
       veröffentlichten [4][Untersuchung stellen Forscher des Thünen- und des
       Alfred-Wegener-Instituts] fest, dass sich an den Steinschüttungen
       [5][vermehrt Muscheln und Austern festgesetzt] haben. Die künstlichen Riffe
       seien auch eine gute Kinderstube für Taschenkrebse, die das Gebiet dann
       verließen, wenn sie älter würden.
       
       ## Mehr und größere Fische im Windpark
       
       In der Umgebung der Windparks sei der Kabeljau gehäuft zu finden. In den
       Mägen der Fische sei eine vielfältigere Nahrung gefunden worden als bei
       Fischen im übrigen Gebiet der Deutschen Bucht, was auf eine größere
       biologische Vielfalt im Bereich der Windparks hinweist.
       
       In einer [6][weiteren Studie verglich das Thünen-Institut] Kabeljaue, die
       innerhalb und außerhalb des Offshore-Windparks Meerwind Süd/Ost gefangen
       wurden: Die Fische im Windpark waren größer, zahlreicher und vielfältiger
       ernährt. Überdies hatte jedes zehnte Fisch-Ei seinen Ursprung im Windpark.
       
       „Sollten weitere Studien die positiven Effekte von Windparks mit
       künstlichem Riffeffekt bestätigen, müsste der Schutzfaktor dieser Gebiete
       in die Managementkonzepte zur maritimen Raumplanung einfließen“, schreiben
       die Studienautoren. Langfristig könnte sich dies positiv auf den
       Kabeljaubestand und damit auf die Fischerei auswirken.
       
       ## Rückzugsort für bedrohte Arten
       
       Kontrovers diskutiert wird allerdings, welche Schlussfolgerungen aus
       solchen Ergebnissen zu ziehen wären. Die Erzeugergemeinschaft der Deutschen
       Krabbenfischer hofft, dass das Fischen anderer Arten in Windparks eine
       Alternative sein könnte für den zurückgehenden Krabbenfang. Ärgerlich
       finden die Fischer, „dass der Flächenentwicklungsplan das Fischen im
       Windpark derzeit weiterhin ausschließt“ – anders als etwa im Vereinigten
       Königreich, wo das Fischen in Windparks grundsätzlich erlaubt ist.
       
       Der Bundesverband Windenergie Offshore (BWO) rät davon ab. „Je mehr Verkehr
       da stattfindet, desto gefährlicher ist es“, sagt dessen Pressereferent
       Lukas Zeth. Offshore-Windparks gälten als kritische Infrastruktur – mit
       ihren vielen Betriebsstunden und hohen Verlässlichkeit sollen sie ja das
       Stromnetz mit erneuerbarer Energie stabilisieren.
       
       Der BWO wolle sich nicht komplett einer Fischerei etwa mit Reusen innerhalb
       der Windparks verschließen. Der Verband bekennt sich zu weiteren
       diesbezüglichen Untersuchungen. Keinesfalls infrage komme aber, dort
       [7][mit bodenberührenden Netzen zu fischen].
       
       Im Übrigen verweist der BWO darauf, dass sich Windparks ja offenbar zu
       Rückzugsräumen für bedrohte Arten entwickeln könnten. Deshalb gebe es gute
       Gründe, die Fischerei gerade hier auszuschließen.
       
       9 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bsh.de/DE/THEMEN/Offshore/Meeresraumplanung/_Anlagen/Downloads/Jahresbericht_AWZ_2023.pdf?__blob=publicationFile&v=2
   DIR [2] /Windparks-in-der-Ost--und-Nordsee/!6067520
   DIR [3] https://www.gesetze-im-internet.de/windseeg/__58.html
   DIR [4] https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn062061.pdf
   DIR [5] /Energiewende-und-Artenschutz/!6064768
   DIR [6] https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0048969723015188?via%3Dihub
   DIR [7] /Schaeden-durch-Fischerei/!6041544
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
       
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