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       # taz.de -- Verkehrswende in Paris: 500 Straßen autofrei und begrünt – ja oder nein?
       
       > Noch bis 19 Uhr können alle Pariser*innen heute für einen weiteren
       > Schritt Richtung Klimaneutralität stimmen. Doch die Befragung hat ihre
       > Tücken.
       
   IMG Bild: Autos bitte draußen lassen. So oder so ähnlich sieht es bereits an über 200 Pariser Straßen aus. Kommen weitere 500 dazu?
       
       Paris dpa | Schmale Fußwege, überall parkende Wagen am Straßenrand und kein
       Radweg: Etliche Straßen [1][in Paris sind trotz Verkehrswende] noch immer
       vor allem auf Autos ausgerichtet. Das könnte sich nun stückweise ändern:
       Die Pariser*innen können heute darüber abstimmen, ob Autos aus
       Hunderten Straßen der Stadt verbannt werden sollen.
       
       Am häufigsten sind die Menschen in Paris ohnehin zu Fuß unterwegs. Nach
       Angaben der Stadt legen sie fast zwei Drittel ihrer Wege gehend zurück. Das
       Auto werde auf innerstädtischen Strecken nur selten genutzt, nehme aber
       noch immer mehr als die Hälfte des öffentlichen Raums ein.
       
       Seit 2002 ist der Autoverkehr in Paris um fast 50 Prozent gesunken. Die
       Zeiten, in denen Autos etwa direkt neben der Seine entlangfuhren, sind
       längst vorbei. Und auch auf zahlreichen großen Straßen, die die Stadt
       durchziehen, mussten Fahrspuren Radwegen und breiteren Fußwegen weichen.
       
       In großen Teilen [2][der sozialistisch regierten Stadt] gilt nun Tempo 30,
       in der Innenstadt ist neuerdings eine Zone für den Durchgangsverkehr
       gesperrt, an Sonntagen gehören hier und dort Straßen Radler*innen und
       Fußgänger*innen. Und schon jetzt sind rund 220 der mehr als 6.000 Pariser
       Straßen autofreie Zone – viele von ihnen in der Nähe von Schulen.
       
       ## Ergebnis am späten Abend erwartet
       
       Paris geht es dabei auch um [3][Anpassung an den Klimawandel]. Die
       Fußgehzonen sind kleine grüne Orte in der sonst dicht bebauten Stadt. Paris
       hat inzwischen erheblich weniger mit schlechter Luft zu kämpfen als noch
       vor zehn Jahren.
       
       Zwischen 9.00 Uhr und 19.00 Uhr können die knapp 1,4 Millionen
       eingetragenen Wählerinnen und Wähler nun entscheiden, ob 500 weitere
       Straßen in der ganzen Stadt bepflanzt und zur autofreien Zone gemacht
       werden sollen. 10.000 Parkplätze würden damit wegfallen, Autofahrer müssten
       sich auf Umwege einstellen. Erstmals dürfen auch 16- und 17-Jährige
       mitwählen. Das Ergebnis wird am späten Abend erwartet.
       
       Sollten die Pariser sich bei der Bürgerbefragung für die autofreien Straßen
       aussprechen, könnten davon in jedem der 20 Arrondissements, also
       Stadtbezirke, bald circa 25 weitere entstehen. Welche Straßen genau das
       sein könnten, steht noch nicht fest. Die Umsetzung würde laut dem
       stellvertretenden Pariser Bürgermeister Patrick Bloche wohl etwa drei bis
       vier Jahre dauern.
       
       Jedoch: Im kommenden Jahr stehen in Paris Wahlen an. Möglich, dass dann die
       konservativen Pariser Kräfte das Rathaus von der bisherigen sozialistischen
       Bürgermeisterin Anne Hidalgo übernehmen.
       
       ## Geringe Beteiligung erwartet
       
       Dass die Konservativen die Umwandlung der Straßen weiterverfolgen würden,
       ist äußerst fraglich. Ihr Sprecher Aurélien Véron kritisierte die
       Bürgerbefragung als Kommunikationskampagne und Propaganda. Die
       Fragestellung sei demagogisch, Menschen würden für dumm verkauft. Händler,
       alte Menschen und sogar Rettungsdienste würden durch die Fahrverbote
       eingeschränkt. Und die Kosten beliefen sich auf 250 Millionen Euro.
       Tatsächlich hatte Bürgermeister-Vize Bloche im „Parisien“ von etwa 500.000
       Euro Ausgaben pro Straße gesprochen.
       
       Anouch Toranian, die im Rathaus für Bürgerbeteiligung zuständig ist, hält
       dagegen, dass es um Raum gehe, der den Menschen zur Verfügung gestellt
       werde, um weniger Verschmutzung und weniger Lärmbelästigung. Außerdem will
       die Stadt die Menschen stärker einbeziehen. Bereits zweimal hatte Paris
       seine Bewohner*innen in Sachen Verkehrswende befragt – zum Verbot von
       E-Tretrollern zum Leihen und zu höheren Parkgebühren für schwere Autos.
       
       Bei den Abstimmungen beteiligten sich nur etwa 7,5 und 6 Prozent der
       Wahlberechtigten. Toranian wäre jetzt schon mit einem Prozent zufrieden,
       sagt sie. „Wenn es einen Pariser gibt, der abstimmt, wäre das bereits ein
       Erfolg.“
       
       ## Straßensperrung per Bürgerbefragung in Deutschland nicht denkbar
       
       In Deutschland wäre ein Vorgehen wie in Paris nicht denkbar. Straßen können
       hier nicht per Bürgerabstimmung gesperrt werden, sondern über ein Verfahren
       zur Entwidmung, wie Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen
       Städtetages, schildert. Dabei würden die Interessen aller Straßennutzer
       berücksichtigt – etwa auch von Händlern.
       
       Viele deutsche Städte bemühten sich längst um einen guten Verkehrsmix.
       „Dazu kann auch die Sperrung von Straßen für den motorisierten Verkehr
       gehören, wenn es zum Verkehrskonzept vor Ort passt.“ Klar sei aber: „Wenn
       wir weniger Autoverkehr haben wollen, dann brauchen wir mehr öffentliche
       Verkehrsmittel, mit guter Taktung und guter Erreichbarkeit.“ Hier hake es,
       denn die Finanzlage der Städte sei dramatisch. Sie bräuchten mehr
       finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern für den öffentlichen
       Nahverkehr.
       
       23 Mar 2025
       
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