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       # taz.de -- Französisch-algerische Beziehungen: Fünf Jahre Haft für ein Interview
       
       > Der algerisch-französische Schriftsteller Boualem Sansal muss für fünf
       > Jahre ins Gefängnis. Er hatte sich zur Westsahara und zu Algerien
       > geäußert.
       
   IMG Bild: Solidaritätsveranstlatung für Boualem Sansal in Nizza im März 2025 – er muss für fünf Jahre in Algerien ins Gefängnis
       
       Paris taz | In Frankreich reagieren kulturelle und politische Krise
       schockiert auf die drakonisch strenge Verurteilung [1][des 80-jährigen
       Schriftstellers Boualem Sansal wegen eines „Meinungsdelikts“]. Der
       algerisch-französische Schriftsteller wurde am Donnerstag von einem
       Strafgericht in Algier zu fünf Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt.
       
       Am Ende eines Schnellprozesses von 20 Minuten Dauer wurde er der
       Beeinträchtigung der nationalen Sicherheit und der nationalen Interessen
       für schuldig erklärt. Er war im November bei einem Besuch in Algerien
       festgenommen worden.
       
       Als Grund dafür wurden Äußerungen in einem Interview genannt, in dem Sansal
       die Meinung vertreten hatte, [2][die Westsahara gehöre zu Marokko]. Zudem
       habe Frankreich bei der Unabhängigkeit zu Unrecht die Grenzen zu Gunsten
       der ehemaligen Kolonie Algerien verschoben.
       
       Dass Sansal diese Ansicht in einem Online-Magazin der französischen
       extremen Rechten geäußert hatte, wurde in Algerien, wo die Behörden diesen
       Gebietsstreit als Reizthema und besonders einseitige Stellungnahmen aus
       Frankreich als Provokation betrachten, zusätzlich als diffamierend
       empfunden.
       
       ## Scharfe Kritik
       
       Sansal war nach seinem Wirtschaftsstudium zunächst ein hoher Beamter in
       Algerien, bevor er seine Karriere als kritischer Schriftsteller begann. In
       seinem ersten Werk „Le Serment des barbares“ (Der Schwur der Barbaren)
       warnte er vor dem wachsenden Einfluss der Islamisten.
       
       Nach der Veröffentlichung des Buchs „Le Village de l’Allemand“ (Das Dorf
       des Deutschen oder das Tagebuch der Brüder Schiller) wurde ihm vorgeworfen,
       er stelle die Nazis auf dieselbe Stufe wie die Islamisten und verleumde so
       seine Heimat. Die scharfe Kritik am politischen Islamismus erklärt, warum
       extremistische islamfeindliche Kreise in ihm einen Verbündeten sehen. Ein
       Teil der französischen Linken hatte deshalb einige Mühe, sich mit diesem
       Autor zu solidarisieren.
       
       Dennoch hatten sich in Frankreich, aber auch in anderen Ländern, von Beginn
       an zahlreiche Persönlichkeiten aus Kultur und Politik vor dem Prozess für
       Sansals sofortige Freilassung und – über den prominenten Einzelfall hinaus
       – für die Freiheit inhaftierter politischer Regierungsgegner und die
       Meinungsfreiheit in Algerien eingesetzt.
       
       Staatspräsident Emmanuel Macron hatte seinen algerischen Amtskollegen
       Abdelmajid Tebboune ersucht, dem laut seinem Verleger Gallimard an Krebs
       leidenden Schriftsteller Gnade zu gewähren. Noch besteht aus französischer
       Sicht die Hoffnung, dass Sansal aus Prinzip und aus Nationalstolz in
       Algerien zwar verurteilt worden ist, in der Folge aber vielleicht von der
       Staatsführung mit einer als Großmut gedachten Geste nach Frankreich
       abgeschoben werden könnte.
       
       27 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
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