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       # taz.de -- Die Wahrheit: „Spielregeln sind aus – nein, out“
       
       > Aufgrund weiträumig geänderter Weltgeschäftsbedingungen: Spieleentwickler
       > Kai Bröt im Wahrheit-Gespräch.
       
   IMG Bild: Kingdom Builder: Spiel des Jahres 2012
       
       taz: Herr Bröt, wir sitzen hier an Ihrem Geschäftssitz in Köln-Porz.
       Umgeben sind wir von Spieleerfinderpokalen, Gaming-Medaillen und
       Poker-Urkunden: Was war ihr letzter großer spielerischer Erfolg? 
       
       Kai Bröt: Sie werden lachen …
       
       … ich versuche es. 
       
       Also, ganz im Ernst: Hinter praktisch allen Gewinnern des „Spiels des
       Jahres“ seit Anbeginn anno 1979, befinde ich, Kai Bröt, mich als Mastermind
       und mehr.
       
       Was meinen Sie mit „mehr“? 
       
       Genau das: Mehr und mehr. Ob „Die Siedler von Catan“ von 1995, „Adel
       verpflichtet“ von 1990 oder „Scotland Yard“, das war 1983: Wer auf seiner
       Scholle nicht würfelt, zum High Tea nicht rauskommt oder den Kommissar
       vergisst wegzukegeln, der braucht sich nicht zu wundern, wenn er unterm
       Spielbrettstrich verliert.
       
       Das ist jetzt aber keine neue Erkenntnis, Herr Bröt. So geht es auch
       jenseits des Spielbretts im wahren Leben zu. 
       
       Das wahre Leben! Ich konnte es noch nie hören.
       
       Doch, ich schon! Hören Sie mal: Da draußen vor ihrem Souterrainfenster,
       hören Sie das? 
       
       Na, hören Sie mal, Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen!
       
       Keineswegs, das würde ich auch gar nicht schaffen. Aber schon mal was vom
       Lied der Amsel im Frühling gehört? 
       
       Klar, bei „Hase und Igel“, da gibt es in der neu aufgelegten
       Ökoplus-Variante 49 Extrapunkte für die Bank aus zertifiziertem Holz, aber
       nur wenn das Amsellied korrekt in Karaoke-Form dargeboten wird.
       
       Interessant.Ja, fürwahr interessant. Sie spielen wohl nicht gern?
       
       Doch, sehr. 
       
       Was denn?
       
       „Rummikub“ und „Stadt-Land-Fluss-Auspuffgeräusche“. 
       
       Rummikub kenne ich – Rommé für Arme und das einzige Spiel des Jahres, das
       mal nicht von mir stammte, war gleich 1980. Aber:
       „Stadt-Land-Fluss-Auspuffgeräusche“?
       
       Ja, „Stadt-Land-Fluss-Auspuffgeräusche“! 
       
       Wie sind denn da die Regeln?
       
       Also, bei Autos und Lkws, nicht bei E-Mobilen, aber bei allen anderen,
       also, da kommen ja hinten Geräusche heraus. Und die gilt es, so
       lautmalerisch wie alphabetisch zu notieren, möglichst als Einziger, weil,
       dann kriegt man ja 20 Punkte und die anderen bekommen keine. Ich hatte
       letztens dreimal hintereinander 20 Punkte mit: „Crrrrkkkssskkrrr“,
       „Pröööötpffff“ und dann noch mal mit „Aaaamaaarsssschhh“. 
       
       Nun seien Sie mal nicht so altklug, die Spielregeln von „Stadt-Land-Fluss“
       sind mir bekannt, ich bin ja schließlich Spieleentwickler.
       
       Das ist auch mir bekannt – gutes Stichwort!: „Spielregeln“. Das steht hier
       auf meinem Zettel. Wollen Sie mal sehen? 
       
       Nein.
       
       Gut, wie steht es denn dann um den Zustand von Spielregeln in diesen
       dynamisch-disruptiven Zeiten? 
       
       Spielregeln sind aus – nein, out, oder lassen Sie es mich ein wenig
       sinnlicher formulieren: Spielregeln sind weiträumig aus der Mode gekommen,
       ich möchte sagen, Spielregeln sind mausetot, ja, sie sind schlicht nicht
       mehr die Regel.
       
       Was heißt das für Sie, Herr Bröt, als Spieleentwickler und Spieleerfinder
       im rechtsrheinischen Köln-Porz? 
       
       Natürlich läuft auch hier das Wasser herauf und herunter, im Rhein wie
       anderswo, das ist der Lauf des Lebens, wenn auch nicht des wahren, wir
       sprachen ja schon darüber.
       
       Richtig. Doch was folgt daraus? 
       
       „Monopoly“ muss neu erfunden werden! Von mir.
       
       Sie haben recht. 
       
       Sehen Sie.
       
       Wie gehen Sie vor?„Monopoly Zero“. Ich bin dran.
       
       Zero? 
       
       Ja! „Monopoly“ komplett regelfrei – und gegen den Uhrzeigersinn!
       Dreier-Pasch oder Park-Allee? Spielanleitung? Interessieren nicht mehr die
       Bohne. Alle machen simultan, oder auch nicht, alles, was sie wollen, und
       zum Schluss ist das Spielbrett kaputt.
       
       Und wer verdient daran? 
       
       Ich natürlich. Sie brauchen ja dann ein neues Spielbrett. Und das gibt es
       nur bei mir, bei Kai Bröt aus Köln-Porz.
       
       Vielen Dank für das Gespräch, Herr Bröt. Das Spiel ist aus. 
       
       Ja, ich gewinne immer.
       
       15 Apr 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Harriet Wolff
       
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