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       # taz.de -- Die hohe Kunst des Feilschens: Hans, das Flohmarktgenie
       
       > Mein Arbeitskollege Hans hat meine Küche leer geräumt um die Utensilien
       > auf dem Flohmarkt zu verscherbeln. Er stellt sich dabei gar nicht so dumm
       > an.
       
   IMG Bild: Verhandelbare Preise: Flohmarkt, hier im Hamburger Schanzenviertel
       
       Wenn bei uns in der Küche leckere Köfte brutzeln, stürzt immer ungeladen
       mein Arbeitskollege Hans herein und macht sich über unsere köstlichen
       Hackfleischbällchen her. So auch am vergangenen Samstag. „Eminanim, deine
       Köftes schmecken herrlich“, schleimt er. „Ich könnte sogar noch bessere
       [1][Köfte] machen, wenn ich den ganzen nutzlosen alten Kram hier in der
       Küche los würde“, jammert meine Frau. „Eminanim, ich werfe alles für dich
       weg“, spielt sich Hans sofort als Retter auf, damit er dauerhaft ein
       Köfte-Abo bei uns bekommt.
       
       Am nächsten Morgen gehe ich fröhlich auf den [2][Flohmarkt] und sehe dort
       völlig überrascht, dass mein Kumpel Hans einen riesigen Stand aufgebaut hat
       und meine Küchen-Utensilien verkauft!
       
       „Hans, das sind ja meine Sachen?“, brülle ich fassungslos. „Osman, schau
       die junge Frau da an“, versucht er mich abzulenken, „sie wird jetzt
       versuchen, meine schöne Vase …“ „Meine schöne Vase!“, verbessere ich ihn.
       „Sagen wir mal, unsere schöne Vase für zwei Euro abzustauben. Sie wird ihre
       Tasche ausleeren und behaupten, sie hätte leider keinen Cent mehr dabei.“
       Tatsächlich kommt es so, wie Hans es prophezeit hat. Er verkauft die Vase
       trotzdem! Ich tippe mal, weil die Anschaffungskosten für ihn nicht so hoch
       waren.
       
       „Sie hat ihr Geld auf mehrere Taschen verteilt. Und je nach Preis leert sie
       eine bestimmte Tasche und behauptet, sie hätte leider nicht mehr. Und der
       grauhaarige Kerl dort wird gleich behaupten, er hätte diesen Wasserkrug
       woanders viel günstiger gesehen“, tut Hans allwissend. „Das kann nicht
       sein. Diesen Wasserkrug haben wir vor 30 Jahren aus der Türkei
       mitgebracht“, rufe ich. Aber der Mann behauptet tatsächlich, meinen uralten
       anatolischen Krug eben viel günstiger gesehen zu haben.
       
       ## Feilschen gehört zum Spiel
       
       „Dann kauf doch dort!“, platzt es aus mir heraus. „Aber zuerst musst du
       nach [3][Ankara] fliegen.“ Hans klärt mich leise auf: „Osman, der Mann weiß
       doch selbst, dass es nicht stimmt. Und ich weiß, dass er das weiß. Und er
       weiß, dass ich es weiß, dass er es weiß.“
       
       „Und warum das ganze Theater, wenn alle alles sowieso wissen?“ „Das gehört
       zum Spiel. Wir sind doch auf dem Flohmarkt.“ „Das kann ich auch“, sage ich,
       „guck mal, der türkische Opa wird gleich versuchen, kleine Fehler an meinem
       Tontopf zu finden, um den Preis zu drücken.“ „Osman, diesen Trick verwenden
       nur deutsche Damen zwischen 51 und 55 Jahren“, lächelt Hans weise. „Der
       türkische Opa wird versuchen, mir stur seinen Preis zu diktieren. Die
       Türken sind ein Händlervolk, sie wollen auch dann den Preis bestimmen, wenn
       sie kaufen.“
       
       Bei Allah, Hans scheint tatsächlich ein Flohmarkt-Genie zu sein! Der Opa
       fragt: „Was kostet?“ „Sechs Euro“, sagt Hans. „Zwei!“, bestimmt der Opa
       streng. „Fünf!“, betont Hans. „Zwei!“, wiederholt der Opa. „Vier!“„Zwei!“
       „Drei!“ „Na gut“, grinst der Opa und zahlt künstlich stöhnend den halben
       Preis.
       
       „Hans, geh doch mit dem Preis nicht so runter! Du verscherbelst ja alles!
       Die Hälfte der Einnahmen gehört ohnehin mir“, sage ich. „Osman, du musst
       schon ein bisschen [4][besser Feilschen lernen], wenn du mich über den
       Tisch ziehen willst“, lacht er vergnügt. „Hans, nächste Woche werde ich
       dein Hab und Gut verkaufen“, drohe ich. „Dann wirst du sehen, wie gut ich
       das kann!“
       
       20 Apr 2025
       
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