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       # taz.de -- Inter Mailand gegen Bayern München: Elastische alte Herren
       
       > Inter Mailand ist Ausbildungsverein für die Premier League und
       > Tummelplatz älterer Spieler. Aber der starke Auftritt gegen Bayern ist
       > nicht überraschend.
       
   IMG Bild: Trotz hohen Alters noch ballfertig: Francesco Acerbi lässt Harry Kane links liegen
       
       Sie haben keinen echten Weltstar im Kader, sie verdienen gut die Hälfte im
       Vergleich zu den Bayern, nämlich 140 Millionen Euro Bruttojahresgehälter
       gegenüber 274 Millionen Euro. Aber nach den ersten 90 Minuten des
       Viertelfinalduells in der Champions League der Männer [1][liegt Inter
       Mailand gegen den FC Bayern vorn]. Das hat in Deutschland verblüfft. Wer
       beide Ligen kennt, war gar nicht so erstaunt. Für den Schweizer Ciriaco
       Sforza, drei Jahre im Bayerndress und eine eher mäßige Saison in
       Schwarzblau, war Inter schon vor dem Hinspiel der Favorit. Sforza lobte
       Inter als „eingespielte Einheit“ mit einem „für sie perfekten
       3-5-2-System“.
       
       Wie gut dort ein Rädchen ins andere griff, wie sehr die Abstände stimmten,
       wie elastisch sich die Blöcke auf veränderte Spielsituationen einstellen
       konnten, erfuhren die Bayern am eigenen Leib. „Sie sind extrem schwer zu
       spielen, sind zäh wie Kaugummi“, lautete das Fazit von [2][Thomas Müller].
       
       Solide Technik am runden Arbeitsgerät ist ein Vorzug dieses Teams. Der
       Chefkonstrukteur, der frühere Manager und jetzige Präsident Giuseppe
       Marotta, scoutete den Kader nach den Kriterien Ballfertigkeit und Charakter
       zusammen. Sieben Jahre ist er mittlerweile bei Inter, kaum ein Spieler, mit
       dem er nicht höchstpersönlich das Vertragswerk gestaltet hat. Marotta hatte
       auch das Glück, sich mit keiner Einkaufskommission auseinandersetzen zu
       müssen. In der Dekade zuvor war er der Architekt der Erfolge des Rivalen
       Juventus Turin.
       
       [3][Geholt hat Marotta auch Trainer Simone Inzaghi]. Dem früheren
       Lazio-Coach trauten anfangs weder Fans noch Medien. „Zu weich, zu
       unerfahren, zu wenig Charakter“, lauteten die vorschnellen Urteile. Inzaghi
       ist allerdings ein taktisch gewiefter Trainer mit Faible für sichere
       Ballzirkulation wie auch schnelle Vertikalisierung. Auch verbal
       vertikalisiert er inzwischen. „Wir können das Triple, nein, das Quadruple
       holen“, gab er als Marschroute aus. Neben Meistertitel, Coppa Italia und
       Champions League peilt er nicht nur die Teilnahme, sondern gleich den Sieg
       bei der [4][Klub-WM] an.
       
       ## Neue Verhältnisse
       
       Einen möglichen Fünffachtriumph gaben die Nerazzurri aufgrund der
       Niederlage im Supercup gegen den Stadtrivalen AC Mailand vorzeitig aus der
       Hand. Weil auch die Liga-Duelle gegen Milan keine Siege brachten und selbst
       der ins Mittelmaß abgesunkene Altmeister Juventus in dieser Saison gegen
       den aktuellen Tabellenführer Inter punkten konnte, geriet der Nimbus von
       Inzaghi, vor allem wichtige Spiele gewinnen zu können, ins Wanken.
       
       Für die Champions League allerdings gilt das nicht. Pep Guardiolas
       Manchester City hat man auf der Insel ein 0:0 abgetrotzt, Arsenal 1:0
       bezwungen. Nur gegen Leverkusen setzte es eine 0:1-Niederlage. Da war Inter
       aber schon für die nächste Runde qualifiziert. Im Achtelfinale gelangen
       zwei Siege gegen Feyernoord Rotterdam. Gleiches strebt Inter nun gegen die
       Bayern an. „Wir wollen jetzt auch das Rückspiel gewinnen“, kündigte
       Inter-Keeper – und Ex-Bayer – Yann Sommer an.
       
       Sommer steht für eine neue Tendenz in bayrisch-lombardischen Verhältnissen.
       Einst zogen Profifußballer von München nach Mailand, um mehr Geld zu
       verdienen und endlich internationale Erfolge zu feiern. [5][Lothar
       Matthäus] und Andreas Brehme etwa konnten erst mit dem Wechsel 1988 von
       Bayern zu Inter ihren ersten großen Pott im europäischen Klubfußball holen.
       In den 1980er und 1990er Jahren war die Serie A die führende Liga im
       Weltfußball. Das hat sich geändert.
       
       Inter ist zu einer Mischung aus Ausbildungsverein für die Premier League
       und Tummelplatz älterer Herren geworden, die mit einer gesunden Balance aus
       individuellem Spielraum und taktischer Disziplin einen goldenen Herbst
       erleben wollen. Neben Sommer (36 Jahre) gilt das für Defensivorganisator
       Francesco Acerbi (37), die Mittelfeldlenker Henrikh Mkhitaryan (36) und
       Hakan Çalhanoğlu (31) sowie Sturmjoker und Stimmungskanone Marko Arnautović
       (35). Der Ex-Bremer schoss sich am Wochenende beim 3:1 gegen Cagliari mit
       einem Traumtor und einer noch traumhafteren Vorbereitung so richtig heiß
       für die Bayern.
       
       16 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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