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       # taz.de -- Sudanesische Autorin Eltom in Berlin: Gescheitert und vergessen
       
       > In Berlin referierte die Autorin Najlaa Eltom über die Lage in Sudan. Der
       > Konflikt dort ist für sie ein neuer imperialistischer Krieg.
       
   IMG Bild: Genauso wie der Krieg in Sudan sind seine Opfer und Vertriebenen, wie hier im Tschad, weitestgehend vergessen und unbedacht
       
       Wie oft kann man einen Krieg als vergessen bezeichnen? Im Kontext Sudans
       häufen sich die Superlative: Vom „größten vergessenen Krieg unserer Zeit“
       ist bereits die Rede. Der Krieg bringt unvorstellbare Zahlen mit sich:
       Schätzungsweise 150.000 Menschen fielen ihm in den letzten zwei Jahren zum
       Opfer, 12 Millionen Menschen sind auf der Flucht. [1][Viel Aufmerksamkeit
       bekommt das Land allerdings nicht,] weder in den Medien noch auf
       internationalem politischen Parkett.
       
       Das geringe Interesse, das den Menschen in Sudan entgegenschlägt, war auch
       am Montag in Berlin zu spüren. Bei einer Diskussionsrunde mit der
       sudanesischen Dichterin Najlaa Eltom (moderiert von Ibrahim Izzeldeen) im
       Kunsthaus Acud, organisiert vom [2][Goethe-Institut im Exil] und dem
       Sudanclub, blickt die Autorin einigen leeren Reihen entgegen.
       
       Eltom holt historisch weit aus, referiert über die Kolonialisierung Sudans
       durch Ägypten und später durch Großbritannien. Dass es den
       Sudanes:innen unter ihren neuen Machthabern nach der
       Unabhängigkeitserklärung 1956 kaum besser ging, erwähnt sie ebenfalls,
       erzählt von der innerstaatlichen Vertreibung in den 1960ern. Um schließlich
       beim aktuellen Krieg anzukommen.
       
       Seit 2023 kämpft das sudanesische Militär (SAF) gegen die paramilitärischen
       Rapid Support Forces (RSF), obwohl beide Lager noch 2021 gemeinsam
       geputscht hatten gegen die zivile Übergangsregierung, die nach dem Sturz
       des islamistischen Diktators Omar al-Bashir eingesetzt worden ist.
       
       ## Unterstützung aus den Vereinigten Arabischen Emiraten
       
       Dieser Konflikt, sagt Eltom, sei ein neuer imperialistischer Krieg. Mit
       harten Worten geht sie ins Gericht mit den Vereinigten Arabischen Emiraten,
       den „bedeutendsten Kriegstreibern“, die die paramilitärischen RSF massiv
       unterstützten. Sudan verfügt über enorme Goldvorkommen. 80 Prozent der
       Goldminen stehen unter der Kontrolle der RSF.
       
       Die Emirate bestreiten jegliche Unterstützung der Paramilitärs und müssen
       sich dieser Tage vor dem Internationalen Gerichtshof gegen den Vorwurf
       eines Genozids im Westen des Landes verteidigen. Für westliche Staaten, die
       die Emirate zu ihren Verbündeten zählen, ist die Angelegenheit heikel. Denn
       auch mit der Gegenseite, dem sudanesischen Militär, ist man durch einen
       großen Unterstützer verbunden: Saudi-Arabien.
       
       Najlaa Eltom will eigentlich nicht vom Krieg sprechen. Stattdessen erzählt
       sie von den Gemeinschaftsküchen, mittels derer Sudanes:innen ihre
       Nachbar:innen vor dem Hungertod bewahren. Und von ihrer Zeit an der
       Universität, als sie sich zunächst darüber wunderte, dass sich die
       Studierenden anhand ihrer Herkunftsregionen organisierten, um so anstelle
       des abwesenden Staates ein Supportsystem aufzubauen für Angehörige in der
       Heimat.
       
       Da habe sie erkannt, dass „der Stamm“ keine primitive, sondern eine geniale
       Organisationsstruktur sei, sagt Eltom. Sie tritt daher ein für Tribalismus,
       für eine Rückbesinnung auf die erweiterte Familie.
       
       Wo eine Hinwendung zu etwas mehr Kommunitarismus sicher nicht schadet,
       spart Eltom die Tücken der Stammesorganisation als Gegenentwurf zum
       Nationalstaat jedoch aus: Der Stamm ist eben selten eine chosen family,
       sondern eine nach dem Merkmal der Herkunft oft streng hierarchisch
       organisierte Gruppe. So fragt denn auch ein Zuhörer später, ob man im Falle
       Sudans anstelle von Stämmen nicht lieber von „Multinationalismus“ reden
       solle.
       
       Ein anderer bringt das Konzept eines „Neuen Sudan“ auf, erdacht vom
       Revolutionsführer Südsudans, John Garang, der das Land unter
       pluralistischen Gesichtspunkten aufstellen wollte. Eltom ist auch davon
       kein Fan. Das Konzept wurde entwickelt im Kontext der Abspaltung Südsudans,
       wo seit Jahren Chaos und Krieg herrsche, sagt sie. Südsudan, gegründet
       2011, ist ein Failed State, belegt auf dem Fragile States Index 2024 den
       dritten Platz. Noch instabiler ist nur noch Somalia – und Sudan, auf dem
       zweiten Platz.
       
       15 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Julia Hubernagel
       
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