URI: 
       # taz.de -- Essbesteck des Künstlers Wenzel Hablik: Der Löffel isst mit
       
       > An Ostern wird das edle Besteck herausgeholt. Manchmal hat es ungeahnt
       > viel Geschichte. Zum Beispiel das von Wenzel Hablik im Landesmuseum
       > Oldenburg.
       
   IMG Bild: Ursprünglich hatte Wenzel Habliks Bestecksatz 36 Teile. Aber die Formen sind auch bei den verbliebenen elf Stück eigenartig genug
       
       Mit Messer und Gabel zu essen ist das eine. Aber ein komplettes Besteck, zu
       dem für jeden Gang ein passend aus Silber getriebenes Werkzeug gehört, das
       erhöht noch einmal die Tafelfreuden. Noch ein ganzes Stück darüber hinaus
       gehen die elf Stücke eines 36-teiligen Sets, die [1][das Oldenburgische
       Landesmuseum für Kunst und Kultur vor zwei Jahren erworben] hat.
       
       Gegenwärtig firmiert es dort als „Objekt des Monats“. Das passt, weil ja
       Ostern ein prima Anlass ist, mehrere Tage hintereinander gut zu kochen und
       zu essen. Es ist aber auch jenseits davon ein würdiges Objekt, in dem sich
       in einer atemberaubenden Weise Geschichten und Lebenswege kreuzen.
       
       Geschaffen hat es, was den rein handwerklichen Teil angeht, der Goldschmied
       Hermann Spliedt um 1924. Das Familienunternehmen besteht immer noch, in
       fünfter Generation, wenn auch seit fünf Jahren auf Sylt.
       
       Gegründet worden war es aber 1857 in Itzehoe. Und [2][dort hatte sich halt
       Wenzel Hablik,] lustigerweise von einem Muschelsammelaufenthalt auf Sylt
       kommend, schon 1908 niedergelassen. Von ihm stammen die Entwürfe.
       
       ## Eine Villa für den Muschelsammler
       
       Auffällig ist die eigenartige, aber für jeden, der schon einmal Suppe
       gegessen hat, schlüssige Löffelform, klug wirkt auch das Fischmesserdesign,
       denn die gegabelte Spitze erlaubt, das händische Grätengeprokel zu
       minimieren. [3][In Itzehoe hielt den Böhmen Hablik] so einiges: die Liebe,
       die Meldorfer Museumsweberei und das Geld in Gestalt eines mäzenatischen
       Holzhändlers.
       
       Jedenfalls heiratete der expressionistischen Allround-Utopist dort 1917 die
       Leiterin der Weberei, Elisabeth Lindemann, ließ sich eine Villa mit Atelier
       und Platz für seine Muschelsammlung stiften und arbeitete [4][immer
       kunsthandwerklicher, gebrauchs- und alltagsorientierter,] bis er 1934
       starb. tzehoe hat ihm ein eigenes Museum gewidmet. Es wird momentan
       saniert.
       
       Noch interessanter ist die Geschichte des Sammlers, aus dessen Nachlass die
       Garnitur stammt: Georg, genannt Giorgio, Silzer war Konzertmeister der
       Deutschen Oper Berlin und Primarius des Silzer-Quartetts. Aber 1980 „hatte
       ich mit einem Lustschrei mein Quartett und das Orchester zum Teufel
       gejagt“, [5][hat er dem WDR mal erzählt]. Dadurch sei er „ein glücklicher
       Mensch“ geworden.
       
       Damals war er gerade 60 Jahre alt, zog nach Aurich, und Glück, das hieß für
       ihn eben auch, seiner schon während der Konzerttätigkeit gefrönten
       Leidenschaft, [6][Kunst], aber mehr noch erlesene Kunsthandwerk- und
       Design-Stücke zu sammeln, so richtig die Zügel schießen lassen.
       
       ## Freudvolle Überlassungen
       
       Sein Hauptinteresse galt dabei der damals noch verachteten Epoche von Art
       Déco und Jugendstil, also jener Zeit, in der industrielle Gestaltung als
       Disziplin überhaupt erst aufkam. Und seine größte Freude scheint es gewesen
       zu sein, diese zusammengetragenen Schätze dann Museen zu überlassen, teils
       käuflich, teils geschenkt. Man kann sich fragen, wie eine solche Passion
       entsteht.
       
       Geboren wurde Georg Silzer 1920 in Schlesien, in Skoczów, das in Polen
       liegt. Doch eigentlich gehörte die Familie eher zum jüdischen Wiener
       Großbürgertum: Mutter Irma, geborene Holz, war zu ihrer Zeit eine der
       wichtigsten Übersetzerinnen niederländischer Literatur, nebenbei hat sie
       aber auch Mark Twain eingedeutscht und Anatole France.
       
       Vater Hermann (oder Ermanno), Enkel des 1897 geadelten Malers Rudolf von
       Alt, war ein gefeierter Geiger gewesen, und dann … Naja, immerhin war es
       der Familie noch rechtzeitig gelungen, Wien zu verlassen. Sie hat im Tessin
       eine neue Heimat gefunden. Daher stammen die italianisierten Vornamen und
       die rettende Schweizer Staatsbürgerschaft. Silzer ist 2014 in Aurich
       gestorben
       
       19 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ausstellung-fragwuerdiger-Kunstwerke/!6012591
   DIR [2] /Werkschau-eines-Visionaers-in-Berlin/!5442589
   DIR [3] /Ausstellung-in-Itzehoe/!5925199
   DIR [4] /Ausstellung-in-Bayern/!5527690
   DIR [5] https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/erlebtegeschichten/silzergiorgio100.html
   DIR [6] https://www.vdbk1867.de/enzyklopaedie/arnheim-clara/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Schirrmeister
       
       ## TAGS
       
   DIR Oldenburg
   DIR Expressionismus
   DIR Design
   DIR Jüdisches Leben
   DIR Deutsche Oper
   DIR Social-Auswahl
   DIR Kunst
   DIR Worpswede
   DIR wochentaz
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Hamburger Ausstellung zum Jugendstil: Nichts als Verbrechen im Zinn
       
       Die Ornamentik des Jugendstils ist undenkbar ohne Zinn-Boom. Hamburgs
       Museum für Kunst und Gewerbe erzählt die dunkle Geschichte dieses
       Materials.
       
   DIR Glassammlung im Kunstpalast Düsseldorf: An einem Ort zwischen Zweck und Botschaft
       
       Der Kunstpalast Düsseldorf besitzt eine der größten Glassammlungen
       weltweit. Auch in ihrer Neupräsentation stellt sich wieder eine alte
       Klassenfrage.
       
   DIR 150 Jahre Künstler Bernhard Hoetger: Es war nicht alles schlecht
       
       Bernhard Hoetger ließ sich erst sozialistisch, dann nationalsozialistisch
       leiten. Worpswedes Museen beleuchten die Widersprüche seines Schaffens.
       
   DIR Musée des Beaux Arts in Charleroi: Pilgerreise nach Charleroi
       
       Lucky Luke, das Marsupilami und die Schlümpfe wurden in der belgischen
       Industriestadt erfunden. Das Museum zeigt die Entwicklung des Comics.