URI: 
       # taz.de -- Verein „Lyra Marzahn“: Leere Bücher in Marzahn
       
       > Der Spätaussiedler-Verein Lyra Marzahn hat Zahlungsschwierigkeiten.
       > taz-Recherchen zeigen: Gründer Walter Gauks (CDU) langte offenbar
       > ordentlich zu.
       
   IMG Bild: Berlin-Hohenschönhausen: Irgendwo hier befindet sich der Vereinssitz von „Lyra Marzahn“
       
       Berlin taz | [1][Der umstrittene Verein Lyra Marzahn] ist klamm. Der Verein
       kümmert sich um die Integration von Spätaussiedlern und wurde von dem
       heutigen Ansprechpartner der Landesregierung für Russlanddeutsche und
       Vertriebene, Walter Gauks (CDU), gegründet. Mittlerweile schuldet Lyra
       Marzahn mehreren Gläubigern fünfstellige Beträge.
       
       Einem ehemaligen Mitarbeiter, der anonym bleiben will, schuldet der Verein
       12.000 Euro, wie aus Unterlagen hervorgeht, die der taz vorliegen. Der
       freie Mitarbeiter hat nach eigenen Angaben in einem vom Bezirksamt
       Marzahn-Hellersdorf finanzierten Projekt des Vereins gearbeitet. Während
       der Bezirk den Verein korrekt bezahlte, habe er sein Honorar nur teilweise
       ausgezahlt bekommen. Zwar gibt es einen Vollstreckungstitel, der
       Gerichtsvollzieher habe am Vereinssitz jedoch niemanden angetroffen. Lyra
       Marzahn arbeitet im Talcenter in Marzahn, der offizielle Vereinssitz
       befindet sich allerdings in einer Plattenbauwohnung in Hohenschönhausen.
       
       Ein weiterer Gläubiger des Vereins, die Hokamp Medien Manufaktur mit Sitz
       in Niedersachsen, befindet sich im Mahnverfahren. Hier geht es laut der
       Firma um eine fünfstellige Summe für die medientechnische Betreuung des
       Vereins. Firmeninhaber Gerhard Hokamp sagt der taz: „Walter Gauks hat mir
       im Februar mitgeteilt, der Verein hätte kein Geld. Darum muss ich von einer
       zeitnahen Insolvenz ausgehen, insbesondere da wir nicht die einzigen
       Gläubiger sind.“
       
       Seinen Angaben zufolge reagiere Lyra Marzahn nicht auf Mahnschreiben und
       Lösungsvorschläge. „Wir müssen davon ausgehen, dass der Verein seit
       geraumer Zeit eine Insolvenz verschleppt, um eventuelle Vermögenswerte den
       Gläubigern zu entziehen“, sagt Hokamp.
       
       CDU-Mann Walter Gauks hat nach der Berichterstattung im vergangenen Jahr
       über mögliche Interessenkonflikte den Vorsitz des Vereins aufgegeben. Die
       aktuelle Vorsitzende, Svetlana Miller, beantwortet keine Fragen zu den
       finanziellen Verhältnissen. Die der taz bekannten Schulden sind allerdings
       aufgelaufen, als Gauks noch Vereinsvorsitzender war.
       
       ## „Satzungsgemäß entlastet“
       
       Walter Gauks dementiert seine Verantwortung auf taz-Anfrage: Er sei
       „satzungsgemäß auf Vorschlag des Kassenprüfers durch die ordentliche
       Mitgliederversammlung“ entlastet worden. Weder Finanzamt noch Bezirksamt
       hätten etwas beanstandet. „Für mich ist das Thema damit abgeschlossen.“
       
       Für Gauks wäre die Insolvenz nicht die erste Erfahrung dieser Art. 2019
       ging in Lichtenberg der von ihm geleitete, fast namensgleiche Verein Lyra
       insolvent, nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht
       korrekt verwendete öffentliche Gelder in Höhe von 44.000 Euro
       zurückgefordert hatte. Zuvor hatte Gauks bereits eine Event- und
       Gastrofirma im Harz in den Sand gesetzt.
       
       Strafrechtlich ist er bisher glimpflich davongekommen. Ein Verfahren wurde
       gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 5.000 Euro eingestellt.
       Gläubiger Hokamp geht davon aus, dass der neue Vorstand von Lyra Marzahn
       „offensichtlich nicht richtig weiß, was für Tretminen Gauks dort
       hinterlassen hat. Es kann noch ein böses Erwachen inklusive persönlicher
       Haftung geben.“
       
       Lyra Marzahn hat derzeit noch Mieteinnahmen, weil die „Landsmannschaft der
       Deutschen aus Russland“ nach Angaben ihres Bundesgeschäftsführers Ilja
       Fedoseev in den Vereinsräumen ein Projekt betreibt. Außerdem veranstaltet
       Lyra Marzahn nach wie vor Feste und Schlagerabende. Laut der Facebook-Seite
       der Veranstaltungsreihe „Musik ist mein Leben“ sind die Gäste angehalten,
       die Eintrittsgelder von 15 Euro für die Schlagerabende nur in bar zu
       zahlen.
       
       Dabei ging es dem Verein 2022 finanziell noch sehr gut. Damals betrieb er
       zwei Corona-Testzentren und eine mobile Teststation. Aus den
       Finanzunterlagen, die der taz vorliegen, geht hervor, dass er dafür eine
       sechsstellige Summe von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) einstrich.
       Die eigentlichen Coronatester wurden mit Kleinstbeträgen abgespeist.
       
       An anderer Stelle hat der Verein sein Geld jedoch mit vollen Händen
       ausgegeben. Allein im ersten Halbjahr 2022 stellte der damalige
       stellvertretende Vereinsvorsitzende, Alexander Korneev, dem Verein 19.200
       Euro in Rechnung – Erstattungen von Sachkosten nicht mitgerechnet. Korneev
       ist zugleich Bezirksverordneter der CDU in Marzahn-Hellersdorf. Von Juli
       2022 bis Anfang 2023 bezog er ein Gehalt vom Verein zuzüglich einer
       Inflationsprämie. Beides ist nach dem Vereinsrecht nicht statthaft, denn
       Korneev gehörte damals dem Vorstand an. Gehalt und Honorare gelten darum
       als nicht zulässige In-sich-Geschäfte.
       
       Unklar ist zudem, wer eigentlich Korneevs Arbeitsvertrag und seine
       Rechnungen unterzeichnet hat. Denn laut Satzung ist der Verein nur mit den
       Unterschriften von zwei Vorstandsmitgliedern vertretungsberechtigt. Mit
       Gauks und Korneev gab es damals allerdings nur zwei Vorstandsmitglieder.
       War Korneev darum gleichzeitig Arbeitgeber und Arbeitnehmer? Fragen der taz
       dazu ließ er unbeantwortet.
       
       ## Wie ein Privatkonto genutzt
       
       2022 erhielt Gauks fast 16.000 Euro vom Verein. Laut Satzung darf ein
       Vereinsvorsitzender nur unter bestimmten Bedingungen angestellt werden –
       nach unseren Recherchen lagen diese nicht vor. Auffällig ist auch, dass das
       Vereinskonto 2022 genutzt wurde wie ein Privatkonto. Unzählige Male wurde
       Geld abgehoben sowie mit der Karte in Supermärkten, Baumärkten und an
       Tankstellen bezahlt.
       
       Wie aus Unterlagen hervorgeht, wurden allein im September 13 Mal bei
       Bankautomaten insgesamt rund 4.000 Euro abgehoben – Gebühren nicht
       mitgezählt. Im selben Monat kaufte der Verein für 2.344 Euro bei Amazon
       ein, tankte für 718 Euro und schaffte einen Laptop für rund 400 Euro an.
       Dazu kommen ein Großeinkauf bei Selgros für mehr als 1.000 Euro und weitere
       Einkäufe bei Metro, Globus, Mix-Markt, Media-Markt, einer Apotheke und
       einer Bäckerei.
       
       Die taz konfrontierte den Verein und Gauks mit dem Vorwurf, dass das Konto
       augenscheinlich privat genutzt wurde. Beide gingen darauf nicht ein. Wer
       das Geld abgehoben hat, ist nicht bekannt. Doch es gibt einen vagen
       Hinweis: Zweimal fanden die Barabhebungen im niedersächsischen Osterode am
       Harz statt. Dort wohnen Verwandte von Walter Gauks.
       
       Auch Gauks’ Bruder kam übrigens nicht zu kurz: Den Kleintransporter, den
       der Verein 2021/22 für sein mobiles Corona-Testzentrum brauchte, kaufte er
       ausgerechnet bei ihm in Osterode. Zu einem Preis, den ein damaliger
       Vereinsmitarbeiter als „völlig überteuert“ bezeichnet.
       
       Als es dem Verein noch gut ging, gingen Gelder auch an Institutionen, die
       dem russischen Staat nahestehen. So liegen der taz Belege vor, wonach Lyra
       Marzahn noch nach Ausbruch des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine
       im Februar 2022 5.500 Euro an die Berliner Diözese der Russisch-Orthodoxen
       Kirche spendete, die dem Moskauer Patriarchat untersteht. Auch in hiesigen
       Niederlassungen wird für den Sieg der russischen Waffen gebetet.
       
       Ende 2022 zahlte der Verein zudem rund 1.000 Euro an die im Russischen Haus
       in der Friedrichstraße ansässige Firma MTV, die Künstlerinnen und Künstler
       aus Russland ins Ausland vermittelt. Wofür genau, beantworteten Verein und
       Gauks ebenfalls nicht.
       
       Die Linken-Abgeordnete Manuela Schmidt aus Marzahn fordert Walter Gauks nun
       auf, die im Raum stehenden Vorwürfe aufzuklären. Gauks habe als
       Ansprechperson des Senats für Deutsche aus Russland, Spätaussiedler und
       Vertriebene eine Vorbildfunktion. „Daher erwarte ich von ihm rückhaltlose
       Unterstützung und absolute Transparenz bei der Klärung dieser Sachverhalte
       sowie angemessene Konsequenzen“, sagt Schmidt.
       
       Ihr Grünen-Kollege Stefan Ziller sieht auch den Senat in der Pflicht.
       „Angesichts der Vermischung mit früheren Tätigkeiten in
       CDU-Abgeordnetenbüros ist es naheliegend, dass CDU und Senat Kenntnis
       zumindest von einigen Ungereimtheiten hatten“, meint er.
       
       Anmerkung der Redaktion: Der Artikel wurde aufgrund einer Eingabe des Lyra
       Marzahn e.V. nachträglich geändert.
       
       7 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Umstrittene-Stellenbesetzung-im-Senat/!5995683
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marina Mai
       
       ## TAGS
       
   DIR Russlanddeutsche
   DIR Berlin Marzahn-Hellersdorf
   DIR Insolvenzverschleppung
   DIR CDU Berlin
   DIR Kriminalität
   DIR CDU Berlin
   DIR CDU Berlin
   DIR CDU Berlin
   DIR CDU Berlin
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Senats-Beauftragter Walter Gauks: Vereinchen wechsel dich
       
       Mit Lyra Marzahn droht dem bis 2024 vom Senats-Aussiedlerbeauftragten
       Walter Gauks geleiteten Verein die Insolvenz. Ein Ersatz steht schon
       bereit.
       
   DIR Senats-Beauftragter Walter Gauks: Die Luft wird dünner
       
       LKA und Bezirksamt ermitteln in der Causa Walter Gauks. Die Opposition
       fordert ihn auf, sein Amt ruhen zu lassen, auch Kai Wegner geht auf
       Distanz.
       
   DIR LKA in Berlin ermittelt: Unregelmäßigkeiten bei Lyra Marzahn
       
       Die Finanzen von Lyra Marzahn sind nun Ermittlungsgegenstand. Die
       Mittelverwendung des Spätaussiedlervereins wird untersucht.
       
   DIR Verdacht der Klüngelei: Bis zur Klärung der Vorwürfe im Amt
       
       Der Beauftragte für Russlanddeutsche des Berliner Senats bleibt trotz
       schwerer Vorwürfe im Amt. Linke und Grüne fordern seinen Rücktritt.
       
   DIR Umstrittene Stellenbesetzung im Senat: Der CDU-Funktionär und das Geld
       
       Ein von Walter Gauks, dem Senatsbeauftragten für Russlanddeutsche,
       geleiteter Verein soll in schwere finanzielle Schwierigkeiten geraten sein.
       
   DIR Compliance-Vorwürfe in Marzahn: Auf den Spuren des Sandmanns
       
       Beim Senatsbeauftragten für Russlanddeutsche, Walter Gauks (CDU), tun sich
       neue Fragen auf. Grüne und Linke fordern, dass er sein Amt ruhen lässt.