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       # taz.de -- Stand der Koalitionsverhandlungen: Bechsteinfledermaus bald kein Grund mehr zur Klage?
       
       > Union und SPD diskutieren, das Klagerecht für Umweltverbände
       > einzuschränken. Höchst fraglich, ob das machbar ist. Kritik gibt es
       > dennoch reichlich.
       
   IMG Bild: Auch die Lebensräume der Bechsteinfledermaus sind gefährdet
       
       In ihren [1][Koalitionsverhandlungen diskutieren Union und SPD], die
       Klagemöglichkeiten für Naturschutzverbände wie den BUND oder die Deutschen
       Umwelthilfe massiv einzuschränken. So geht es aus einem öffentlich
       gewordenen Entwurfspapier der Arbeitsgruppe „Ländliche Räume,
       Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt“ hervor.
       
       Das würde bedeuten, dass Unternehmen in Deutschland bald wieder
       Industrieanlagen bauen oder ausweiten könnten, ohne Klagen befürchten zu
       müssen, wenn sie dabei Umwelt- und Klimaschutzrichtlinien missachten.
       
       Die Population einer seltenen Spezies in einem uralten Wald – [2][wie die
       der Bechsteinfledermaus im Hambacher Forst] – würde keine juristische
       Möglichkeit mehr bieten, ihn vor der Rodung durch einen Ernergiekonzern zu
       bewahren.
       
       „Ohne die Möglichkeit zur Klage wird die Zerstörung von Flüssen, Seen und
       Landschaften immer weiter zunehmen“, sagt Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND
       zur taz. Es gehe aber nicht nur um ökologische Fragen, sondern auch um
       demokratische Teilhabe und Mitsprachemöglichkeiten der lokalen Bevölkerung.
       
       ## Verbandsklagerecht der CDU ein Dorn im Auge
       
       Bei größeren Bauvorhaben, ob bei Windkraft- oder Industrieanlagen, müssten
       die Interessen aller einbezogen werden. Neben wirtschaftlichen auch die von
       Mensch und Natur. Klagen seien dabei die letzte Instanz, sagt Bandt.
       
       Dennoch sei das Klagerecht wichtig. „Klagemöglichkeiten disziplinieren die
       Planenden wie Unternehmen und Behörden dazu, gute Beteiligungsverfahren
       abzusichern und Umwelt- und Klimaschutz darin mitzudenken, weil sie wissen,
       dass ihnen sonst Klage droht.“ Würde das Verbandsklagerecht abgeschafft,
       drohten die Eingriffe in und die Zerstörung der Natur immer weiter
       zuzunehmen, so Bandt.
       
       Das sogenannte [3][Verbandsklagerecht ist der CDU schon länger ein Dorn im
       Auge]. Bereits in ihrem Wahlprogramm hatte sie sich dafür ausgesprochen,
       das Recht einzuschränken. Ob sie es schafft, das Vorhaben nun im
       Koalitionsvertrag festzuschreiben, hängt auch vom Verhandlungswillen und
       -geschick der SPD-Spitze ab.
       
       Gemeinsam mit Spitzenpolitiker*innen der Union verhandelt sie ab
       diesem Freitag die strittigen Punkte sämtlicher Vorverhandlungen zum
       Koalitionsvertrag. Aus beiden Parteien zusammengesetzte Arbeitsgruppen
       hatten in den letzten Wochen zentrale Themenkomplexe diskutiert. Neben
       „Ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt“ beispielsweise auch
       [4][„Verkehr und Infrastruktur, Bauen und Wohnen“].
       
       ## „Union und SPD mausern sich zur Rückschrittskoalition“
       
       In der Opposition regt sich bereits Widerstand gegen die umwelt- und
       klimapolitische Ausrichtung der Koalitionspartner. Lorenz Gösta Beutin,
       Klimapolitiker der Linksfraktion sagt zur taz: „Union und SPD [5][mausern
       sich zur Rückschrittskoalition] im Sinne der Reichen und der Konzerne. Für
       kurzfristige Profitinteressen setzen sie unsere Lebensgrundlagen aufs
       Spiel.“ Es brauche juristische Mittel wie das Verbandsklagerecht, um
       Umwelt- und Klimaschutz sozialverträglich durchzusetzen, so Beutin.
       
       Ob die zukünftige Bundesregierung das Verbandsklagerecht tatsächlich
       einschränken kann, ist höchst fraglich. Das Recht basiert auf EU- und
       [6][Völkerrecht]. Dabei ist das EU-Recht bindend für die deutsche
       Bundesregierung und nationale Gerichte. Würden Umweltverbände trotz eines
       in Deutschland eingeschränkten Verbandsklagerechts gegen Umweltverstöße von
       Unternehmen klagen, könnte der Europäische Gerichtshof ihnen letztlich das
       Klagerecht wieder zugestehen.
       
       29 Mar 2025
       
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