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       # taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Rechte, wohin das Auge reicht
       
       > Berlin erlebt eine Welle rechtsextremer Aufmärsche, die Berliner AfD will
       > ihren Parteitag abhalten. Doch Antifas stellen sich entschlossen dagegen.
       
   IMG Bild: Berlin bleibt stabil: erneut muss die AfD für ihren Parteitag nach Jüterbog ausweichen, weil sie in Berlin keinen Raum bekommen
       
       Berlin taz | So viele Neonazi-Aufmärsche hat die Hauptstadt in so kurzer
       Zeit lange nicht gesehen. [1][Seit Monaten ziehen Faschist*innen in
       90er-Jahre-Skinhead-Optik mit Glatzen und Springerstiefeln, Deutschland-
       und Reichskriegsflaggen durch die Straßen] und zeigen ungeniert Hitlergrüße
       – verstörend genug. Alarmierend ist aber auch das Verhalten der Polizei,
       die bei Nazis immer wieder beide Augen zudrückt.
       
       Bei einem Aufmarsch in Friedrichshain genehmigte die Polizei vorvergangene
       Woche ein Rechtsrockkonzert der Band „Kategorie C“ – eine der bekanntesten
       Gruppen der gewaltbereiten, rechtsextremen Szene. Während die Neonazis
       ungestört ihre umgedichteten SS-Lieder und NSDAP-Parolen skandierten,
       bekamen friedlich demonstrierende Antifaschist*innen die Härte des
       Staates zu spüren: Schubse, Schläge und Pfefferspray.
       
       Das Zentrum für politische Schönheit berichtete, bei einem Beamten ein
       Nazi-Tattoo entdeckt zu haben. Ihr Anti-AfD-Bus, der „Adenauer SRP+“ – seit
       Langem der Polizei ein Dorn im Auge – geriet erneut ins Visier: Die
       Beamt*innen drohten, ihn zu „zerstören“, sollte keine Fahrzeugschein
       vorgelegt werden. Der vorgeschobene Grund: eine Sirene – die bereits
       verstummt war. Es drängt sich die Frage auf: Wer wird hier als Gefahr für
       den Staat betrachtet?
       
       Doch rechtes und rassistisches Gedankengut in den Reihen der Polizei ist
       kein neues Problem. Daran erinnert in dieser Woche auch der Mord an Burak
       Bektaş vor 13 Jahren. Der damals 22-Jährige wartete in der Nacht vom 4. auf
       den 5. April 2012 mit seinen Freunden vor dem Krankenhaus Neukölln auf
       einen Nachtbus, als ein Unbekannter das Feuer auf die Gruppe eröffnete –
       alle hatten eine Migrationsgeschichte. Vier von Bektaş' Freunden überlebten
       den Mordversuch, zwei von ihnen wurden lebensgefährlich verletzt, Bektaş
       starb.
       
       ## „Ermittlungspannen und -versäumnisse“ bei rechtsextremen Gewalttaten
       
       Die Tat ist bis heute nicht aufgeklärt, die Polizei hat den Mörder bis
       heute nicht gefasst. Warum? Das wurde im Untersuchungsausschuss zum
       Neukölln-Komplex deutlich: [2][die Ermittlungen wurden über Jahre hinweg
       unzureichend geführt]. Offiziell ist von „Ermittlungspannen und
       -versäumnissen“ die Rede. Man kann es aber auch beim Namen nennen:
       institutioneller Rassismus und behördliche Gleichgültigkeit.
       
       Die Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş kämpft seit 13
       Jahren unermüdlich für Aufklärung und fordert Rassismus als Tatmotiv ernst
       zu nehmen. Anlässlich des 13. Todestags organisiert sie am Samstag eine
       Gedenkveranstaltung – ein Akt des Erinnerns, aber auch ein klares Zeichen
       gegen rechtsextreme Gewalt. Eine Notwendigkeit: denn der Gedenkort wurde
       wiederholt mit Hakenkreuzen beschmiert. Eine aktuelle Studie des
       Bezirksamts ergab, dass rechtsextreme Straftaten in Neukölln seit Jahren
       steigen (Samstag, 5. April, Rudower Straße / Möwenweg, 15 Uhr).
       
       Ebenjene Hetzer, die Rechtsextreme zu Gewalttaten wie diesen anstacheln,
       wollen am Sonntag mal wieder darüber beraten, wie sie ihren Hass und
       Gewaltfantasien in ein Parteiprogramm gießen, sowie einen neuen Vorstand
       wählen – beim Parteitag der Berliner AfD. Doch Berlin bleibt stabil: Weil
       keine*r der rechtsextremen Partei ihre Räume zur Verfügung stellen will,
       muss die Berliner AfD für ihren Parteitag zum zweiten Mal nach Jüterbog
       ausweichen. Dort soll sie am 6. April in der Wiesenhalle tagen. Um der AfD
       auch in der Kleinstadt südlich von Berlin keinen Raum zu bieten, haben
       Antifas zu Gegenprotest aufgerufen. AAngesichts der Polizeigewalt gegen
       Antifas, die den AfD-Parteitag in Riesa verhindern wollen, könnte sich auch
       hier erneut die Frage stellen: Wer ist der Staatsfeind? (Sonntag, 6. April,
       Jüterbog Bahnhof, 8.30 Uhr).
       
       Wie begegnet man dem erstarkenden Faschismus und Rassismus – aber auch dem
       wachsenden Antifeminismus und Antisemitismus, der Militarisierung sowie der
       zunehmenden sozialen Ausgrenzung und Armut? Diese Fragen stehen im
       Mittelpunkt der Tagung „Linke und Nationalismus. Über die Beharrlichkeit
       einer zerstörerischen Ideologie“.
       
       Ihre Antwort: eine radikale Linke. Um handlungsfähig zu bleiben, halten sie
       es für notwendig sich mit dem „beharrlichen und tödlichen Nationalismus“
       auseinanderzusetzen – „auch innerhalb linker Erzählungen“. Diskutiert wird
       über palästinensischen und israelischen Nationalismus, Klasse und Nation in
       der Ukraine, Nationalismus als linke Option am Beispiel des BSW sowie
       historische und aktuelle Alternativen zum Befreiungsnationalismus(Freitag,
       4. April, 19-21 Uhr und Samstag, 5. April, Regenbogenfabrik, Lausitzer
       Straße 22, 10-17 Uhr).
       
       ## Bundeswehr plant einen nationalen „Veteranentag“
       
       Um die zunehmende Militarisierung geht es auch bei der Infoveranstaltung –
       gegen den Tag der Veteranen. Anlass ist ein nationaler „Veteranentag“, den
       die Bundeswehr am 15. Juni am Reichstag veranstalten will – zu Ehren aller
       deutschen Soldat*innen. Der Zweck dieser Veranstaltung dürfte klar sein:
       Militarisierung weiter vorantreiben, Wiedereinführung einer
       Wehrdienstpflicht oder euphemistisch ausgedrückt „Freiheitsdienstpflicht“
       und Geld verbraten, das in sozialen Bereichen fehlt.
       
       Ein Bündnis queer-feministischer und antifaschistischer Gruppen will das
       nicht zulassen und ruft zum Gegenprotest auf. Der will vorbereitet sein:
       Dazu treffen sich Militärgegner*innen am Donnerstag bei einer
       Infoveranstaltung im Fischladen. Nach einem Essen, wird ein Überblick über
       den Veteranentag und den aktuellen Stand der Vorbereitungen gegeben.
       Deserteure aus aller Welt sind herzlich eingeladen (Donnerstag, 3. April
       2025, Fischladen, Rigaer Straße 83, 20 Uhr).
       
       Während die rechten Nationalisten sich auf Tag X vorbereiten, bereiten sich
       Kreuzberger*innen auf Tag Z vor: den Zaunbau um den Görlitzer Park –
       noch so ein Ort, wo sich die Polizei wenig vorbildlich verhält. Ihre
       Lieblingsbeschäftigung in „Deutschlands schlimmsten Drogenpark“: Racial
       Profiling und Patrouillieren in der Messerverbotszone. Ein Zaun um den
       Görli soll dafür sorgen, dass in dem Kreuzberger Park alle Probleme
       verpuffen. Kürzlich wurde bekannt, dass eine Firma die Ausschreibung für
       den Zaunbau im Auftrag des Berliner Senats veröffentlicht hat. Bis April
       soll eine Baufirma ausgewählt werden, die im Juni mit dem Zaunbau beginnt.
       
       Ausreichend Zeit, um [3][mit Protest und Widerstand die Idee vom Zaunbau
       einstürzen zu lassen], findet das Bündnis Görli 24/7. Beim Kiezrundgang
       „Der Görli bleibt auf!“ wird am Sonntag – wie an jedem ersten Sonntag im
       Monat – über Hintergründe und nachhaltige Lösungen gesprochen, jenseits von
       Law & Order, Symbolpolitik und Zaunfantasien. Außerdem wird sich über den
       bevorstehenden Tag Z und die geplanten Proteste ausgetauscht(Sonntag, 6.
       April, Falckensteinstraße/Wrangelstraße, 18 Uhr).
       
       2 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Rechtsextremismus-in-Berlin/!6072711
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       ## AUTOREN
       
   DIR Lilly Schröder
       
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