# taz.de -- Studie zu Aufrüstung und Erderwärmung: Warum Klimapolitik auch Sicherheitspolitik ist
> Investitionen gegen die Erderhitzung würden in der EU den Bedarf an
> Verteidigungsausgaben senken, zeigt eine Studie – und fordert Umdenken.
IMG Bild: Proteste gegen zu hohe Ausgaben für Rüstung Mitte März vor der CDU-Zentrale in Berlin
Berlin taz | Je mehr Europa in Klimaschutz investiert, desto weniger muss
es für Rüstung ausgeben. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue [1][Studie] des
Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Für jeden Euro, der nicht für Öl
ausgeben werde, müssten gleichzeitig 37 Cent weniger für Verteidigung
ausgeben werden. „Versäumnisse beim Klimaschutz erzeugen geopolitische
Kosten, die bisher zu wenig beachtet werden. Das soll die Studie zeigen“,
sagt Co-Autor Joschka Wanner.
Sicherheits- und Klimapolitik stehen in öffentlichen Debatten häufig in
Konkurrenz zueinander. Das dass ein Fehler sei, lässt sich besonders gut am
russischen Angriffskrieg erkennen, so die Idee der Autor*innen. Denn
Russland finanziert den Krieg zu großen Teilen durch [2][Einnahmen aus
Ölexporten]. „Dadurch, dass die EU Öl importiert, beeinflusst sie den
Ölpreis auf dem Weltmarkt und damit auch die russischen Staatseinnahmen,
unabhängig davon, ob sie russisches Öl einkauft oder nicht“, sagt Ökonom
Wanner. Pro Euro, der weniger für Öl und stattdessen für Erneuerbare
Energien ausgegeben wird, fließen 13 Cent weniger in die russische
Kriegskasse, errechnet der Bericht.
Um die Höhe der geopolitischen Kosten zu beziffern, orientiert sich die
Studie am Verhältnis russischer und europäischer Ausgaben [3][für den
Ukraine-Krieg]. Inklusive Wiederaufbaukosten liegen die Ausgaben der EU
demnach etwa dreimal höher als jene Russlands. Aus diesen Komponenten
errechnen die Autor*innen, dass die EU pro verhindertem Öl-Euro 37 Cent
an Rüstungsausgaben sparen könnte. Insgesamt wären es bis zu 104 Milliarden
pro Jahr, würde Europa gänzlich auf Öl verzichten.
„Grundsätzlich macht die Rechnung ökonomisch absolut Sinn“, sagt Levi Henze
von der Denkfabrik Dezernat Zukunft, „auch wenn die tatsächlichen Kosten
pro Euro Ölimport geringer ausfallen könnten.“ Denn: Ob Russland
tatsächlich 100 Prozent der Gewinne aus Ölexporten ins Militär stecke, wie
es die Studie annimmt, sei fraglich.
## Autokraten kontrollieren fossile Brennstoffe
Laut Co-Autor Wanner liefern die Ergebnisse eine ökonomische Rechtfertigung
für viele Klimaschutzmaßnahmen schon allein aus geopolitischen Motiven,
etwa einen CO-Preis von mindestens etwa 60 Euro oder eine Öl-Steuer von 37
Prozent. „Besonders im Verkehrssektor ließe sich noch viel einsparen“, so
Wanner. Auch einzelne Maßnahmen könnten hier große geopolitische Erträge
erzielen. So würde [4][etwa ein Tempolimit] auf Autobahnen bis 2030
theoretisch rund 2 und eine [5][frühere Durchsetzung rigider
Flottengrenzwerte auf EU-Ebene] 3 Milliarden Euro einsparen.
„Fossile Brennstoffe werden überwiegend von Autokraten kontrolliert“, sagt
Wanner. Die Aussagen der Analyse gehen daher über Russland hinaus. Die
Überlegung, dass Klimaschutz Auswirkung auf unsere Sicherheit hat, sei
nicht neu, sagt auch Henze vom Dezernat Zukunft. „Energieimporte bergen
immer auch ein Risiko.“ Im öffentlichen Diskurs werde das bisher zu wenig
berücksichtigt.
6 Apr 2025
## LINKS
DIR [1] https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/die-sicherheitspolitische-dividende-von-klimapolitik-34009/
DIR [2] /CDU-diskutiert-Nord-Stream-Pipeline/!6074813
DIR [3] /Europaeische-Verteidigungsstrategie/!6072680
DIR [4] /Studie-zum-Tempolimit/!6054543
DIR [5] /Vorschlag-der-EU-Kommission/!6076459
## AUTOREN
DIR Henning Giesen
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