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       # taz.de -- Die Wahrheit: Fast hätte es den Kopf gecostaricat
       
       > Glück zu haben im Land der Ticos ist so einfach, selbst wenn man eine
       > kleine Dummheit mit der Bankkarte am Geldautomaten begangen hat.
       
       Am Abend in unserer Lodge verlor ich im Rommé neun Spiele nacheinander. 369
       Minuspunkte! Aber mir war es egal. Ich hatte tagsüber schon genug Glück
       gehabt. Ich war immer noch auf Reisen durch Costa Rica. Und ich hatte am
       Tag zuvor in Alajuela meine Geldkarte im Bankautomaten stecken lassen. Doch
       dann bekam ich die Karte tatsächlich wieder!
       
       „Das klappt nie!“, hatte meine Liebste gesagt. Und auch mein Geldinstitut
       zu Hause hatte mir das fernmündlich prophezeit, aber mit dem Zusatz: „Wenn
       doch, können wir die Karte wieder entsperren.“ Sie hatte zuvor abgewinkt:
       „Gesperrt ist gesperrt. Die kann man nicht entsperren. Da brauchst du gar
       nicht hingehen.“ Ich als sturer Ostwestfale aber entschied: „Wir gehen da
       hin!“
       
       Ich bin sowieso nur im Land der Ticos, weil sie hier beruflich zu tun hat.
       Ich bin nur die Begleitung. Da kann man schon mal aus Versehen die
       Geldkarte im Automaten stecken lassen. Also ab zur Bank.
       
       Mit Sonnenbrille darf man den Kassenraum gar nicht betreten. Man kommt
       überhaupt nur einzeln rein, wird sicherheitsgecheckt und muss dann in einer
       zugewiesenen Schlange warten. Als nächstes werde ich auf einem Stuhl
       platziert. Rechts warten die Kunden auf Kredite und sitzen auch. Links
       stehen die Kunden in langen Reihen vor den Schaltern fürs alltägliche
       Geschäft. Ich sitze vor einem Sonderschalter. Allerdings bin ich auf die
       Plätze für Rentner, Senioren und Gehbehinderte gesetzt worden. In eine der
       Kategorien müssen sie mich einsortiert haben.
       
       Schließlich bin ich dran. „Do you speak English?“, frage ich. „Momento!“ Er
       tippt in ein Übersetzungssystem. Auf dem Bildschirm erscheint eine Frage:
       „Wie kann ich Ihnen helfen?“
       
       Darauf bin ich vorbereitet und zeige auf meinem Handy den peinlichen Satz:
       „Dejé mi tarjeta de débito en el cajero automático.“ Ja klar, ich Dussel
       habe die Karte stecken lassen. Wir klären, wann. Freitag. Er tippt, ich
       tippe: „Es una tarjeta de débito extranjera?“ – „Si!“ Es ist eine
       ausländische Karte. Hoffnungsvoll schiebe ich ihm meinen Personalausweis
       zu. Er nimmt ihn und verschwindet.
       
       Die Minuten vergehen. Je länger er wegbleibt, desto hoffnungsvoller werde
       ich. Und dann steht er plötzlich wieder vor mir, mit zwei Plastikkarten in
       der Hand, meinem Ausweis und meiner Geldkarte. Ich starre ihn an, auf die
       Karten. Er schiebt beide durch den Kassenschlitz. „Okay“, sagt er, lächelt
       und nickt: „Adios.“
       
       Ich tippe und zeige es ihm: „Puedo besarte?“ Darf ich Sie küssen? Er lacht
       hinter der Scheibe. Laut. Und sagt den costaricanischen Zaubersatz: „Pura
       vida.“ Alles gut!
       
       Das letzte Spiel am Abend gewann ich dann als einziges tatsächlich – und
       sogar Rommé Hand. Die Liebste meinte, dafür hätte es damals bei ihnen in
       Hannover 1.000 Punkte gegeben. Das wäre jetzt mit einem Spiel mein
       Gesamtsieg gewesen. Aber wir zählten weiter ostwestfälisch, also nur
       doppelt. Ich hatte genug Glück für heute!
       
       24 Apr 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Gieseking
       
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