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       # taz.de -- Nach dem Tod von Papst Franziskus: Was bleibt, wenn der Rauch sich legt?
       
       > Papst Franziskus hat die katholische Kirche reformiert, das war nicht
       > überall beliebt. Ein Blick auf sein Erbe in Afrika, Asien, Europa und
       > Lateinamerika.
       
   IMG Bild: Papst Franziskus auf seiner Reise nach Sarajevo
       
       Afrika: Mächtig und mutig
       
       Die Vertretung des Vatikans in Kongos Hauptstadt Kinshasa liegt im Herzen
       des Regierungsviertels in einem beschaulichen Park, in einer Linie mit der
       Zentralbank, dem Geheimdiensthauptquartier und dem Präsidentenpalast. Als
       Präsident Félix Tshisekedi dort am Dienstag [1][seine Aufwartung machte, um
       zu kondolieren], wirkte das wie ein Staatsbesuch. Die katholische Kirche
       der Demokratischen Republik Kongo ist die größte Afrikas und im Land selbst
       die mächtigste nichtstaatliche Institution. Sie tritt dem Staat politisch
       selbstbewusster entgegen als jede andere Religionsgemeinschaft und wird
       dafür immer wieder angefeindet.
       
       Fridolin Ambongo, der katholische Erzbischof von Kinshasa, hat das am
       eigenen Leibe erlebt. In seinem Heimatland laufen Ermittlungen gegen ihn.
       Regierungstreue Milizen drohten unlängst mit Gewalt gegen Sonntagsmessen,
       weil [2][Kongos katholische Bischofskonferenz] mit Kongos Rebellen spricht,
       die im Osten des Landes auf dem Vormarsch sind. Ambongo leitet nicht nur
       Kongos Bischofskonferenz, sondern auch das Symposium aller
       Bischofskonferenzen Afrikas.
       
       Er ist der einzige afrikanische Vertreter im neunköpfigen
       [3][Kardinalsrat], dem von Papst Franziskus als Konkurrenz zur
       stockkonservativen Kurie gegründeten persönlichen Beratergremium. Daher
       gilt der 65-jährige Ambongo nun als aussichtsreicher afrikanischer Anwärter
       auf die Papstnachfolge.
       
       Afrikas Katholiken sind sich einig: Es ist jetzt Zeit für einen
       afrikanischen Papst. In keinem anderen Erdteil wächst die Zahl der
       Katholiken so rasant. Knapp ein Viertel aller Katholiken der Welt lebt in
       Afrika, jedes Jahr kommen fast zehn Millionen Gläubige hinzu.
       
       Von Dakar bis Daressalam, von Kairo bis Kapstadt wurden in den vergangenen
       Tagen Messen und Trauerfeiern im Gedenken an Papst Franziskus abgehalten.
       „Einen afrikanischen Papst zu haben, würde dem christlichen Glauben in
       Afrika einen neuen Aufschwung bringen“, predigte Charles Yapi in Abidjan in
       der Elfenbeinküste. „Es könnte die weltweite Sicht auf Afrika ändern, indem
       wir beweisen, dass ein Afrikaner dieses Amt bekleiden kann.“
       
       Kardinal Ignace Dagbo aus der Elfenbeinküste und Kardinal Peter Turkson aus
       Ghana gelten neben Ambongo als weitere potenziell aussichtsreiche
       Papstkandidaten aus Afrika. Allen afrikanischen Kardinälen ist gemein, dass
       sie weitaus konservativer sind als Papst Franziskus. Gleichstellung der
       Frau, gleichgeschlechtliche Ehe, Akzeptanz von LGBTQI-Personen – da hat
       Papst Franziskus viel getan. Aber in Afrika unter Katholiken bleibt all das
       verpönt, wenngleich die katholische Kirche im Vergleich zu vielen
       evangelikalen Sekten noch gemäßigt erscheint.
       
       Gesellschaftspolitisch traditionalistisch, politisch durchaus mutig – so
       treten die katholischen Kirchenführer Afrikas auf. Bei gesellschaftlichen
       Problemfeldern wie der HIV-Aids-Bekämpfung haben sie mit ihrer rigiden
       Haltung versagt, aber in Friedensverhandlungen und der Lösung politischer
       Krisen haben sie immer wieder eine führende Rolle gespielt. Sie üben
       scharfe Kritik an Missständen, sie predigen und praktizieren religiöse
       Toleranz in Afrikas multireligiösen Vielvölkerstaaten und sie stellen sich
       gegen Gewalt selbst dort, wo Evangelikale und Islamisten Hass und Terror
       verbreiten, etwa in der Sahelzone.
       
       Auch Papst Franziskus hat diese Position auf seinen Afrikareisen vertreten.
       Kein Krisenland war ihm zu gefährlich, um dort persönlich hinzureisen. Zu
       all seinen Besuchen strömten Millionen von Menschen, nicht nur Katholiken.
       Er war in manchen Ländern der prominenteste Superstar, der je empfangen
       wurde.
       
       In der Zentralafrikanischen Republik besuchte er zum Höhepunkt des
       Bürgerkrieges von 2013 bis 2014, als christliche Milizen systematisch Jagd
       auf die Muslime des Landes machten, [4][die belagerte Moschee der
       Hauptstadt Bangui]. Bewacht von UN-Scharfschützen, trat er mit dem Imam auf
       und predigte: „Christen und Muslime sind Brüder und Schwestern. Gemeinsam
       müssen wir Nein zu Hass, Rache und Gewalt sagen, vor allem jener Gewalt,
       die im Namen Gottes verübt wird.“
       
       Kongos Präsident Tshisekedi hebt jetzt [5][in seinem Kondolenzschreiben]
       die vielbeachteten Papstworte auf dessen Kinshasa-Besuch vor zwei Jahren
       hervor: „Hände weg von Afrika!“, [6][hatte er öffentlich gerufen]. „Hört
       auf, Afrika zu knebeln: Es ist keine Mine, die man ausbeutet, und kein
       Land, das man plündert!“ Diese Worte, so Tshisekedi, „sind für immer ins
       kollektive Gedächtnis des kongolesischen Volkes eingraviert“. Dominic
       Johnson, Simone Schlindwein (Kampala)
       
       Europa: Zusammenleben in Vielfalt
       
       Mit [7][sichtlicher Freude bewegte sich Papst Franziskus] unter den
       Menschen auf dem belebten Platz vor der Kathedrale in Sarajevo – sehr zum
       Entsetzen der Polizisten. Er grüßte angereiste Gläubige genauso wie
       zufällig vorbeikommende Passanten. Es war deutlich zu sehen, wie es ihm mit
       seiner Herzlichkeit gelang, die Menschen zu öffnen und für lachende
       Gesichter zu sorgen. Kurzum: Ihm schlug eine Welle der Sympathie entgegen,
       als er im Juni 2015 Sarajevo besuchte.
       
       Er war zu Gast in einer Stadt, die mehrheitlich von Bosniaken, also
       Muslimen, bewohnt wird. Doch auch Orthodoxe und Katholiken sind hier
       zuhause. Trotz der Belagerung 1992–1995 durch radikale serbische
       Nationalisten gilt Sarajevo als Stadt, in der die multireligiöse Tradition
       fortlebt. Daran wollte Franziskus anknüpfen und von hier aus eine deutliche
       Botschaft senden: Der Dialog zwischen den Religionen und Kulturen sollte
       wieder aufleben und weltweit Gehör bekommen.
       
       Als am Montag die Nachricht von Franziskus’ Tod kam, weinten in Bosnien und
       im Nachbarland Kroatien viele. Im Volk war Franziskus als Helfer der Armen
       populär, sein Engagement für die Unterdrückten wurde ernst genommen.
       
       Der letzte Besucher des Papstes vor seinem Tod war ein Kroate, der
       [8][Ministerpräsident Andrej Plenković]. Doch mit der kroatischen
       katholischen Kirche tat sich Franziskus schwer. Der von ihm geforderte
       interreligiöse Dialog traf hier auf den Widerstand des konservativen
       Klerus. Denn der kroatische Katholizismus sieht sich bis heute als Bollwerk
       des Westens gegen den Islam und die Orthodoxie. Franziskus besuchte zwar
       die kroatische Hauptstadt Zagreb, doch der Hochburg der kroatischen
       Rechtsextremisten in Mostar wich er aus.
       
       Zu Sarajevo hat der Vatikan dagegen eine besondere Verbindung. Im Krieg
       1991–1995 stellte sich der damalige polnische Papst Johannes Paul II. klar
       auf die Seite der vorwiegend muslimischen Opfer, also auf die Seite
       Sarajevos. Franziskus drückte dies später noch deutlicher aus. Johannes
       Paul II. plante sogar während der Belagerung in die Stadt zu reisen, doch
       die serbische Seite erklärte, sie werde Sarajevo weiter beschießen und
       könne keine Sicherheit garantieren.
       
       So kam Johannes Paul II. erst nach dem Friedensabkommen von Dayton 1997. An
       einem eiskalten Wintertag hielt er einen Gottesdienst im Sarajevoer Koševo
       Stadion, 45.000 Menschen kamen. Die meisten von ihnen waren nicht etwa
       Katholiken, sondern Muslime. So war es auch 2015, als Papst Franziskus nach
       seinem Besuch des Vorplatzes der Kathedrale von Zehntausenden Menschen
       ebenfalls im Koševo Stadion empfangen wurde.
       
       Das multireligiöse Zusammenleben hat in Bosnien eine extrem lange
       Tradition, schon viel früher als anderswo in Europa wurde hier die
       Religionsfreiheit begründet, durch eine Bulle von 1463 vom osmanischen
       Sultan Mehmed dem Eroberer. In diesem Dokument garantierte er ein Jahr nach
       der vollständigen Eroberung des Landes dem Abt des Franziskanerklosters in
       Fojnica in Zentralbosnien Religionsfreiheit. Noch heute ist dieses
       historische Dokument im Franziskanerkloster zu bestaunen.
       
       Dass der Papst sich mit seiner an Franziskus von Assisi angelehnte
       Namenswahl als Beschützer der Armen gezeigt hatte, brachte ihm viele
       Sympathien ein, nicht nur in Bosnien. Die Franziskaner, nicht die
       katholische Kirche, waren jahrhundertelang Teil der bosnischen
       multireligiösen Kultur als Beschützer der Armen auch in der muslimischen
       Mehrheitsbevölkerung anerkannt. Hinzu kamen die 1492 aus Spanien
       vertriebenen Juden und die orthodoxen Christen der Region.
       
       In dieser bosnischen Gesellschaft gab es bis 1941, also bis zum Einmarsch
       deutscher Truppen, keine Pogrome wie anderswo in Europa. Unter dem Schirm
       der Nazis brachen kroatische Extremisten mit der bosnischen Tradition.
       Serben, Roma und Juden verschwanden in den KZs des kroatischen
       Ustascha-Regimes. Das Hitler-freundliche serbische Nedić-Regime schickte
       Nazigegner gleich nach Auschwitz. Während des Zweiten Weltkriegs zeigten
       Teile der katholischen Kirche Sympathien für die kroatische Ustascha. Nach
       dem Sieg der Partisanen 1945 organisierte die Kirche sogar Fluchtwege für
       die Verantwortlichen des Regimes nach Spanien und Lateinamerika.
       
       All das belastete den Dialog zwischen den Religionen in Südosteuropa über
       Jahrzehnte. Franzikus’ Versuch, den interreligiösen Dialog wieder in Gang
       zu bringen, hatte zwar einige Erfolge, stieß aber immer wieder auf
       Widerstand. Ob sein Nachfolger darauf aufbauen wird, ist offen. Erich
       Rathfelder (Split)
       
       [Anm. d. Red.: In einer vorangehenden Version des Textes konnte der
       Eindruck entstehen, Franziskus sei Franziskaner gewesen. [9][Er war zwar
       Jesuit,] schätzte Franz von Assisi aber sehr.] 
       
       Asien: Zwischen Dialog und Diplomatie
       
       In Asien ist nicht nur unter den Katholiken die Trauer um den verstorbenen
       Papst Franziskus groß. Der Argentinier war auch unter den Gläubigen anderer
       Religionen höchst populär. Über die Religionsgrenzen hinweg hatte er sich
       Achtung und Bewunderung für sein Eintreten für Arme, gegen einen
       überbordenden Kapitalismus, seine Offenheit für den interreligiösen Dialog
       und besonders für seine Umweltenzyklika „Laudato Si’ “ erworben.
       
       13 asiatische Länder besuchte Franziskus und ernannte zahlreiche Bischöfe
       zu Kardinälen. Das Interesse an Asien kam nicht von ungefähr. Historisch
       gesehen ist der bevölkerungsreichste Kontinent immerhin der Geburtsort
       aller Weltreligionen. Die religiöse Vielfalt führt aber auch von Pakistan
       bis [10][Indonesien] zu zahlreichen Konflikten zwischen Mehrheits- und
       Minderheitsreligionen, die allzuoft von der Politik geschürt werden.
       
       Obwohl die katholische Kirche in Asien Millionen von Gläubigen zählt, ist
       sie trotzdem – mit Ausnahme von [11][Osttimor] und den Philippinen – eine
       Minderheit und sieht sich durch die kulturellen, religiösen, politischen
       und sozialen Realitäten der einzelnen Länder besonderen Herausforderungen
       gegenüber. Diese werden die volle Aufmerksamkeit und das ganze
       diplomatische Geschick des neuen Papstes in seiner Doppelrolle als
       Religions- und Staatsoberhaupt fordern.
       
       Im Herzen des Katholiken Benedict Rogers hat Papst Franziskus einen
       „besonderen Platz“. „Ich hoffe, der nächste Papst wird seinem Beispiel
       folgen und Myanmar weiterhin auf der Tagesordnung halten“, sagt der
       Direktor der Menschenrechtsorganisation Fortify Rights und Co-Gründer der
       chinakritischen Organisation Hong Kong Watch der taz.
       
       Unglücklich ist der Brite allerdings über die Chinapolitik des verstorbenen
       Papstes. Franziskus habe zu dem „Völkermord“ an den Uiguren, den
       Gräueltaten in Tibet, den Abbau der Freiheiten in Hongkong geschwiegen und
       mit der Kommunistischen Partei Chinas ein Geheimabkommen über die Ernennung
       von Bischöfen geschlossen. „Der nächste Papst sollte also das Abkommen
       überprüfen und Kriterien für seine Erneuerung festlegen – etwa die
       Freilassung aller inhaftierten katholischen Bischöfe und Priester und
       anfangen, sich öffentlich und im Gebet für die Uiguren, Tibeter, die
       Christen in China, die Situation in Hongkong sowie für Jimmy Lai und andere
       politische Gefangene einzusetzen.“
       
       Der prominente chinakritische Katholik und Verleger Lai sitzt wegen seiner
       Unterstützung der Hongkonger Demokratiebewegung seit April 2020 im
       Gefängnis. Große Erwartung an den neuen Papst hegt der prominente indische
       Katholik John Dayal vor allem mit Blick auf den von Franziskus
       eingeleiteten synodalen Weg. „In Indien, Heimat des tiefsten Klerikalismus,
       waren viele überrascht, dass sie in Synodenversammlungen mit ihrem Bischof
       auf Augenhöhe sprechen konnten. Diese Haltung muss vertieft, geschärft und
       fortgesetzt werden. Sie wird der katholischen Kirche Asiens neuen Schwung
       verleihen“, betont Dayal und fügt hinzu: „In seinem letzten Lebensjahr
       erhob Franziskus Frauen und Laien in höhere Ämter. Der neue Papst muss das
       fortführen.“
       
       William Grimm ist seit vielen Jahren als Herausgeber und Kolumnist des
       Mediendienstes Union of Catholic Asian News (UCA) aus Paris ein profunder
       Kenner der Kirche und der Religionen Asiens. „Eine innerkirchliche
       Herausforderung wird für den nächsten Papst darin bestehen, die Bemühungen
       asiatischer Christen zu fördern und zu unterstützen, eigene Denk-, Gebets-,
       Kunst-, Musik- und Verwaltungsweisen zu entwickeln und keine europäischen
       Importe zu übernehmen“, sagt Grimm.
       
       Eine andere „wichtige Herausforderung“ werde es sein, „den vielen Menschen
       in Asien (und anderswo) eine Stimme zu geben, die aufgrund ihres religiösen
       Glaubens leiden – wie Christen in Indien, Myanmar oder auch China, aber
       auch Muslime in Indien und Myanmar, Buddhisten in China, Hindus in Sri
       Lanka“. Mehr als gerne wäre Papst Franziskus in die beiden großen und
       weltpolitisch wichtigen Länder Indien und China gereist. Aber die
       politischen Realitäten – Sinisierung der Religionen in China,
       Hindunationalismus in Indien – standen dem entgegen.
       
       Ein Reiseziel des zukünftigen Papstes dürfte aber schon feststehen:
       Vietnam. Wäre Franziskus nicht überraschend verstorben und hätte es sein
       Gesundheitszustand erlaubt, wäre er wahrscheinlich in diesem Jahr in die
       sozialistische Republik gereist. Nach der Aufnahme diplomatischer
       Beziehungen zwischen dem Vatikan und Hanoi vor einem Jahr hatte der
       damalige Präsident Võ Văn Thưởng den Papst offiziell eingeladen. Robert
       Lenz
       
       Lateinamerika: Schwieriges Erbe
       
       Papst Franziskus war der erste Pontifex aus dem globalen Süden – und
       [12][Lateinamerika, seine Heimat,] lag ihm besonders am Herzen. In kaum
       einer Region wurde sein Engagement für soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz
       und die Armen so leidenschaftlich aufgenommen – und zugleich so stark
       hinterfragt. Sein Pontifikat hinterlässt Spuren, aber auch tiefe
       Widersprüche.
       
       Ein symbolträchtiger Schritt war die Auflösung des peruanischen Sodalicio
       de Vida Cristiana Anfang 2025 – eine erzkonservative Organisation, die
       jahrzehntelang systematisch Macht missbrauchte. Unter dem Deckmantel der
       katholischen Lehre begingen ihre Führer sexuelle Übergriffe, vertrieben
       Menschen gewaltsam von ihrem Land, wuschen Geld in Millionenhöhe. Staat und
       Kirche schauten lange weg. Die Aufdeckung kam von außen: durch das Buch
       „Mitad monjes, mitad soldados“ der peruanischen Journalist:innen Paola
       Ugaz und Pedro Salinas – und den langen Atem der Opfer. Zum ersten Mal
       überhaupt löste der Papst auf Basis investigativer Recherchen eine
       katholische Organisation auf.
       
       Der Sodalicio war kein Einzelfall. Auch in Chile erschütterte ein Skandal
       die Kirche: Der Fall des Priesters Fernando Karadima offenbarte
       systematisches Vertuschen und eine „Kultur des Missbrauchs“. Franziskus
       reagierte zunächst zögerlich, schuf dann aber Reformen – etwa die
       Abschaffung des „päpstlichen Geheimnisses“ bei Missbrauchsfällen. Doch
       Betroffene beklagen weiterhin mangelnde Transparenz und Entschädigung.
       
       In Kolumbien kämpft der Journalist Juan Pablo Barrientos diese Woche vor
       Gericht für die Öffnung kirchlicher Archive. Der Widerstand der Kirche ist
       enorm – und zeigt, wie hart umkämpft Aufarbeitung bis heute ist.
       
       Franziskus’ Pontifikat fiel in eine Zeit massiven religiösen Umbruchs. In
       Ländern wie Guatemala, Honduras und Brasilien überholen evangelikale
       Bewegungen bald die katholische Kirche in den Mitgliederzahlen. Diese
       Gruppen, oft finanziert aus den USA, verbinden erzkonservative Inhalte mit
       moderner Medienstrategie – und gewinnen damit vor allem in Armenvierteln an
       Einfluss. Dieser Einfluss reicht bis in Verfassungsdebatten,
       Bildungspolitik und Menschenrechte – mit Hetze gegen LGBTIQ,
       Reproduktionsrechte und Gendergerechtigkeit. „Gender-Ideologie“ wird zur
       Kampfparole, unterstützt von Netzwerken wie „con mis hijos no te metas“
       oder „Escola sem Partido“.
       
       Diese religiöse Rechte tritt nicht nur gegen feministische Errungenschaften
       auf, sondern auch gegen soziale Programme, sexuelle Bildung und Vielfalt in
       Familienformen. Und sie nutzt ihre Reichweite in sozialen Medien gezielt,
       um Desinformation zu streuen – mit messbarem Erfolg.
       
       Mit der Enzyklika „Laudato Si’“ setzte Franziskus neue Akzente und machte
       Umwelt und Klimagerechtigkeit zu Kernthemen des Glaubens. Die
       Amazonas-Synode lenkte den Fokus auf Indigene, Landraub und ökologische
       Zerstörung.
       
       Franziskus erhob Frauen und Laien in kirchliche Ämter, förderte synodale
       Prozesse, ließ Gläubige auf Augenhöhe mit ihren Bischöfen sprechen. Er
       erklärte, „homosexuell sein ist kein Verbrechen“, erlaubte die Segnung
       gleichgeschlechtlicher Paare – doch die Lehre blieb: Homosexualität gilt
       weiterhin als Sünde. Abtreibung, Verhütung, Kinderlosigkeit – alles blieb
       theologisch tabuisiert.
       
       Der Papst bat in [13][Bolivien] um Vergebung für die Gräueltaten an
       Indigenen während der Kolonialisierung. Acht Jahre später verwarf der
       Vatikan die sogenannte Entdeckungsdoktrin. Doch die zugrunde liegenden
       päpstlichen Bullen, die den europäischen Kolonialismus rechtfertigten,
       wurden nie offiziell zurückgenommen. Auch das gehört zum bleibenden Erbe
       Franziskus: die Spannung zwischen progressiven Gesten und alten Strukturen.
       
       Franziskus hat die katholische Kirche verändert – aber nicht
       revolutioniert. In Lateinamerika wird sein Vermächtnis zwischen Hoffnung
       und Enttäuschung diskutiert. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache:
       1995 bezeichneten sich noch 80 Prozent der Lateinamerikaner:innen
       als katholisch. 2024 sind es nur noch 54 Prozent. Die Evangelikalen machen
       bereits 23 Prozent aus, die Religionslosen 19 Prozent. Expert:innen
       sehen den Grund in der wachsenden Glaubwürdigkeitskrise der katholischen
       Kirche, in Skandalen um Missbrauch und Korruption und mangelnder
       Transparenz. Katharina Wojczenko (Bogotá)
       
       23 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://x.com/Presidence_RDC/status/1914814115585180004
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   DIR [6] /Papst-Franziskus-in-Kongo/!5909446
   DIR [7] /Der-Papst-in-Bosnien-und-Herzegowina/!5202926
   DIR [8] /Parlamentswahl-in-Kroatien/!6005334
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