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       # taz.de -- Über den Trockenstress wilder Tierchen: Eichhörnchen fallen nur manchmal vom Baum
       
       > Dehydrierte Eichhörnchen fallen vom Baum – das sind Einzelfälle, sagt
       > Dirk Ehlert, der Wildtierexperte des Senats. Dennoch ist Trockenheit
       > gefährlich.
       
   IMG Bild: Hier fallen keine Eichhörnchen vom Baum, ganz im Gegenteil: die beiden geht es scheinbar gut
       
       Berlin taz | Donnerstagmorgen sind es insgesamt fünf. Sie turnen an
       Baumstämmen oder suchen irgendetwas im Gras oder zwischen den Gräbern –
       alle quietschfidel. Keins wirkte dehydriert oder orientierungslos oder fiel
       gar vom Baum. Dabei hat das die Hauptstadtpresse von Tagesspiegel
       („Eichhörnchen fallen von Bäumen wegen Trockenheit“) bis Kurier
       [1][(„Kraftlos-Eichhörnchen stürzen von Berlins Bäumen“)] dieser Tage
       behauptet.
       
       Von all dem war auf meinem Lieblingsfriedhof mit dem schönen Namen
       [2][Georgen-Parochial II.], gegenüber des Krankenhauses Friedrichshain,
       nichts zu sehen. Ich kenne den Friedhof seit 30 Jahren wie meine
       Westentasche. Niemals hatte ich in dieser Zeit gesehen, dass eins der
       Eichhörnchen aus einem der gut gefüllten Brunnen an den zahlreichen
       Wasserentnahmestellen trinkt, wie Vögel das ja gerne tun. Doch vor ein paar
       Tagen war es so weit. Ungewöhnlich, dachte ich, da muss die Not wohl groß
       sein. Und man sieht es ja überall: Was nicht gegossen wird, ist
       pupstrocken. Die Vegetation leidet. Und mit ihr die Tiere.
       
       Aber fallen Eichhörnchen tatsächlich von den Bäumen? Gut, dass es in Berlin
       den [3][Wildtierexperten des Senats] gibt. Derk Ehlert bestätigt zunächst
       die Meldungen. „Das passiert nicht zum ersten Mal“, sagt er und gibt
       zugleich Entwarnung: „Dass dehydrierte Eichhörnchen vom Baum fallen, sind
       Einzelfälle.“
       
       In der Regel sei es ja so, dass es in der Stadt lebenden Eichhörnchen
       besser geht als denen in der freien Wildbahn außerhalb der Stadt. Das liege
       daran, dass in Berlin von Menschenhand gefüttert wird, die Lebensräume
       vielfältiger sind, und gerade in Parks und noch mehr in den oft
       weitläufigen Friedhöfen, wo die meisten Eichhörnchen zu finden sind, ein
       Zugang zum Wasser gewährleistet ist.
       
       ## So trocken wie in der Steppe
       
       „Es ist nach wie vor dramatisch trocken, auch wenn es gerade etwas geregnet
       hat“, sagt Ehlert. Dabei ist der Frühling eine Zeit, in der die Bäume
       treiben, sehr viel Kraft brauchen und Wasser aus dem Boden ziehen müssen.
       Ehlert hat Zahlen parat, die das Problem verdeutlichen: „Berlin ist mit nur
       560 Millimeter Niederschlag im Jahr ohnehin nicht reich mit Regen
       gesegnet“, sagt der Wildtierexperte. Zum Vergleich: „380–400 Millimeter pro
       Jahr Niederschlag sind typisch für die Steppe.“
       
       Derzeit haben die Eichhörnchen Jungtiere. Die würden sicher auch genug
       Muttermilch bekommen, glaubt Ehlert, „doch in Einzelfällen kann es sein,
       dass die Jungtiere dehydrieren und sich dann merkwürdig verhalten“. Dies
       komme auch bei anderen Wildtieren, zum Beispiel Igeln, vor. „Der Bestand
       bricht deshalb nicht zusammen“, gibt der Wildtierexperte Entwarnung.
       
       In der Regel finden Eichhörnchen genug Wasser in ihrer Nahrung, es sind ja
       keine reinen Vegetarier, sie nehmen durchaus proteinhaltige, tierische
       Nahrung zu sich, und da ist eben auch Wasser drin. „Wenn es aber sehr
       trocken ist, sich die Bodenorganismen in den tieferen Bodenschichten
       zurückgezogen haben, kommen Eichhörnchen – so wie Igel – nicht an genügend
       Nahrung heran.“
       
       Das Problem könnte sich in den nächsten Jahren verschärfen, wenn die
       Temperaturen immer früher immer höher schnellen, und die Eichhörnchen ihre
       Jungen haben. Hinzu kommt, sagt Ehlert, wie so oft der Faktor Mensch. Denn
       der stört Eichhörnchen oft auf ihren Wegen in den Parks, sodass es
       vorkommen kann, dass Elterntiere nicht zu ihren Jungen zurückkommen und
       diese dehydrieren.
       
       Was kann Mensch tun? Wasserschalen aufstellen? „Ja“, sagt Derk Ehlert, „so
       gesehen hilft es, wenn da eine Wasserschale steht. Das ist aber kein
       Allheilmittel. Nur weil man eine Wasserschale hinstellt, wird die Welt
       nicht gut.“
       
       25 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.berliner-kurier.de/berlin/sie-verdursten-kraftlos-eichhoernchen-stuerzen-von-berlins-baeumen-li.2318443
   DIR [2] https://evfbs.de/start/friedhoefe/region-ost/einzeldarstellung/georgen-parochial-ii/kurzportraet
   DIR [3] /Waschbaeren-Plage/!5874823
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hergeth
       
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