URI: 
       # taz.de -- Papst Franziskus und das Klima: Der Himmel kann nicht mehr warten
       
       > Franziskus war ein Papst mit Haltung, Witz und Mut. Und er legte sich mit
       > den Mächtigen für mehr Klimagerechtigkeit an.
       
   IMG Bild: Der neu gewählte Papst Franziskus grüßt 2013 vom Balkon aus die Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom
       
       Auf den Petersplatz fiel ein kalter Regen. Ich war heilfroh über meinen
       neuen Anorak, der mich bei diesem Reportereinsatz warm hielt. Tausende
       von Gläubigen standen an diesem 13. März 2013 auf dem dunklen Platz, weil
       sie den weißen Rauch gesehen hatten.
       
       Wir warteten, ich interviewte viele Menschen, die um mich herum beteten und
       sangen. Dann endlich „Habemus Papam“ und dieser Argentinier erschien auf
       dem Balkon und sagte einfach: „Buona sera“, guten Abend. Die Menge jubelte.
       Und ich hatte keine Ahnung, dass einer der wichtigsten Klimaschützer der
       Geschichte gerade die Weltbühne betreten hatte.
       
       Vor 12 Jahren war ich in Rom, um für die taz über Konklave und Papstwahl zu
       schreiben. Es war eine wilde Woche, als zum ersten Mal seit 1.300 Jahren
       jemand Oberhaupt der katholischen Kirche wurde, der nicht aus Europa kam.
       Als zum ersten Mal sein deutschkonservativer Vorgänger freiwillig
       abgetreten war und die Reformer Morgenluft witterten.
       
       Die taz meckerte natürlich reflexhaft und in schönster antiklerikaler
       Tradition an dem Neuen herum, aber irgendwann begriff auch der letzte
       Schlagzeilenmacher, was da passierte: [1][Ein Reformer, der sich nicht
       immer traute, ein Antikapitalist, der es mit allen aufnahm], ein
       Traditionalist, der nach dem Guten im Alten suchte, ein Getriebener, der
       den Laden mit 1,4 Milliarden völlig diversen Gläubigen zusammenhalten
       wollte und dabei viele Frauen und Liberale enttäuschte.
       
       ## Einer, der den Mächtigen ins Gewissen redete
       
       Und vor allem jemand, der sich den Namen des Öko-Heiligen ausgesucht hatte,
       der die Klimakrise als real anerkannte und mit seinen Mitteln für
       Klimagerechtigkeit stritt. Einer, der den Mächtigen und Reichen in den
       Industrienationen ins Gewissen redete, der Experten traf und in
       Lehrschreiben Kapitalismus und Umweltzerstörung geißelte. Jorge Mario
       Bergoglio alias Franziskus wusste: Der Himmel kann nicht mehr warten.
       
       [2][Weil der Himmel auf diesen Mann nicht mehr warten wollte, trauert jetzt
       die Welt um ihn.] Und die Wertschätzung ist offenbar umso größer, je
       weniger wir ihm zu Lebzeiten wirklich zugehört haben.
       
       Denn Franziskus konnte den Mächtigen so eindringlich ins Gewissen reden,
       wie er wollte, so publikumswirksam Flüchtlingslager und Slums besuchen –
       die Mächtigen klatschten Beifall, sanken vor ihm auf die Knie – und machten
       dann einfach weiter.
       
       Es stimmt ja nicht, dass der Prophet im eigenen Land nichts gilt. Heute
       wird der Prophet mit Lob überschüttet, bekommt eine Ehrendoktorwürde und
       hochdotierte Auszeichnungen. Es prallt nur einfach an uns ab, wenn er
       Veränderungen einfordert.
       
       ## „Ja und Amen – und vergiss es!“
       
       Wer zu Armut oder Klimagerechtigkeit warnt, ermahnt, appelliert, droht,
       beschwört oder fleht, wird freundlich beklatscht und dann meist einfach
       ignoriert. Egal, ob Papst, UN-Generalsekretär, Hunderttausende von
       Fridays-AktivistInnen, Ex-US-Vizepräsident oder Dutzende von
       Nobelpreisträgern: Wir sagen: „Ja und Amen – und vergiss es!“ Denn wer eine
       moralische Instanz geworden ist, hat keine Macht. Schon Josef Stalin fragte
       ja zu Recht, was wir heute noch denken: „Wie viele Divisionen hat der
       Papst?“
       
       Papst Franziskus jedenfalls hat jetzt nicht einmal mehr die Macht, sich
       gegen einen Besuch von Donald Trump bei seiner Beerdigung zu wehren. Diesem
       US-Präsidenten fehlt alles, was Franziskus ausgemacht hat: Anstand,
       Mitgefühl, Verständnis, Einsicht in die Wissenschaft, Respekt vor
       Menschenrechten.
       
       Wer Trump mit Verweis auf die Bibel um Nachsicht und Milde für Flüchtlinge
       bittet, wird von ihm beschimpft – wie die anglikanische Bischöfin von
       Washington, Mariann Edgar Budde. Es bräuchte jemanden wie sie, der bei der
       Beerdigung des Alleinherrschers aus dem Vatikan dem Alleinherrscher aus dem
       Weißen Haus klar und laut die Leviten liest. Aber dazu wird es nicht
       kommen. Denn dafür bräuchte es jemanden mit Haltung, Witz und Mut. Jemanden
       wie Jorge Mario Bergoglio.
       
       26 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Der-Papst-ist-tot/!6079547
   DIR [2] /Nachruf-auf-Papst-Franziskus/!6070841
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Pötter
       
       ## TAGS
       
   DIR Wir retten die Welt
   DIR Papst Franziskus
   DIR Vatikan
   DIR Synodaler Weg
   DIR Katholische Kirche
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR GNS
   DIR Klima
   DIR Papst Franziskus
   DIR Javier Milei
   DIR Papst Franziskus
   DIR Papst Franziskus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Sozial ökologische Transformation: „Wir brauchen mehr Klimaaußenpolitik“
       
       Der Egoismus erschwert den Kampf gegen die Erderhitzung, sagt der
       Klimaforscher Elmar Kriegler. Dialog mit dem Globalen Süden wird wichtiger.
       
   DIR Beisetzung von Papst Franziskus: Ein Papst für Alle
       
       250.000 Menschen begleiten Papst Franziskus auf seiner letzten Reise. Sein
       Einsatz für die Armen und Ausgeschlossenen prägten sein Image und auch
       seinen Abschied.
       
   DIR Papst Franziskus und Milei: Alles für die versöhnlichen Bilder
       
       Der argentinische Präsident Javier Milei hat den Papst einst als „linken
       Hurensohn“ beschimpft. Nun reist er zu seiner Beerdigung. Was soll das?
       
   DIR Der Papst ist tot: Er stand auf der richtigen Seite
       
       Auch Franziskus hat Fehler gemacht. Entscheidend ist aber, dass er einer
       der wichtigsten Verfechter der freien und gerechten Welt war.
       
   DIR Nachruf auf Papst Franziskus: Unerlässlich in einer Zeit der politischen Härte
       
       Papst Franziskus war ein klassischer Vertreter der Befreiungstheologie. Er
       hat die Kirche maßgeblich verändert. Am Ostermontag starb er nach längerer
       Krankheit.