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       # taz.de -- Trump empfängt norwegische Delegation: Jens Stoltenberg wird als „Trump-Flüsterer“ gebraucht
       
       > Ministerpräsident Jonas Gahr Støre nimmt seinen Finanzminister
       > Stoltenberg mit zu einem Treffen mit Trump. Ein kluger Schachzug.
       
   IMG Bild: Der norwegische Finanzminister Jens Stoltenberg war bis 2024 NATO-Generalsekretär
       
       Jens Stoltenberg hatte sowieso in Washington, D. C. zu tun, unter anderem
       beim Internationalen Währungsfonds. Wie praktisch, da kann er doch genauso
       gut noch seinen Chef ins Weiße Haus begleiten, wenn der das wünscht: So
       ungefähr stellte der norwegische Finanzminister die Entstehung eines
       ungewöhnlichen Doppeltreffens mit Donald Trump dar, als die Zeitung VG ihn
       fragte.
       
       Und nun musste Ministerpräsident Jonas Gahr Støre an diesem Donnerstag also
       nicht allein versuchen, dem US-Präsidenten möglichst viele norwegische
       Sichtweisen zu mehreren derzeit heiklen Themen unterzujubeln. Dass er
       überhaupt empfangen wurde, als erster nordischer Regierungschef in Trumps
       zweiter Amtszeit, hält man im global gesehen recht kleinen Norwegen nicht
       für selbstverständlich. Im Gegenteil, es wurde öffentlich spekuliert, dass
       Finanzminister Stoltenberg als Türöffner genützt haben könnte. Es handelt
       sich schließlich bei Stoltenberg um einen „hocheffizienten
       Trump-Flüsterer“, wie das Magazin Politico ihn einmal nannte, als er noch
       Nato-Generalsekretär war.
       
       Nach zehn Jahren unterwegs im internationalen Großauftrag tauchte der
       66-Jährige im Februar tatsächlich wieder in der norwegischen Politik auf
       wie Kai aus der Kiste. Vor der Nato-Zeit war der Sozialdemokrat unter
       anderem lange Ministerpräsident gewesen.
       
       Ein wirkungsvoller Schachzug von Gahr Støre, dessen [1][Koalition im Streit
       um EU-Richtlinien zur Energiepolitik auseinandergebrochen] war. Er musste
       die Ministerien der Zentrumspartei umgehend neu besetzen, um in einer
       nochmals geschrumpften Minderheitsregierung bis zu den Wahlen im September
       weitermachen zu können.
       
       Dass Stoltenberg, oder „Jens“, wie er in Norwegen auch schlicht genannt
       wird, plötzlich wieder Regierungsmitglied war, bewegte viele – in
       Straßenumfragen des norwegischen Fernsehens changierte der Tonfall zwischen
       Freude, Erleichterung und Rührung.
       
       „Ihr kennt Jens, und wir kennen Jens. Er hat fast alles in norwegischer und
       internationaler Politik gemacht. Und für mich ist er auch noch ein guter
       Freund“, so präsentierte Gahr Støre im Februar seinen Coup.
       
       Eigentlich hatte Stoltenberg andere Pläne gehabt: Er wurde schon als
       [2][neuer Chef der Münchner Sicherheitskonferenz] präsentiert – und das
       gilt auch weiterhin, er muss nun nur erst den Finanzministerauftrag in der
       Heimat erledigen. Dazu gehört wohl, die Sozialdemokraten aus ihren
       Umfragetiefs herauszuholen.
       
       ## Der „Jens-Effekt“
       
       „Jens-Effekt“ wird das in norwegischen Medien genannt. Støre wird, im
       Gegensatz zu „Jens“, manchmal fehlende Bodenhaftung unterstellt und zu viel
       Fokus auf internationale Politik.
       
       Stoltenberg war auch Ministerpräsident, als der Rechtsextremist Anders
       Behring Breivik 2011 den Bombenanschlag auf das Regierungsviertel und das
       unvorstellbare Massaker im sozialdemokratischen Jugendzeltlager auf Utøya
       verübte. Mit seiner umsichtigen ersten Reaktion schaffte es der
       Regierungschef, das Land in Trauer zu vereinen und gleichzeitig den Tenor
       für die Zeit nach dem Schock zu setzen: Die offene Demokratie werde man
       sich nicht kaputt machen lassen.
       
       Es fällt dem smarten Politiker leicht, sich kommunikativ auf verschiedene
       Menschen und Situationen einzustellen. Das gilt offenbar auch im Fall von
       Trump, dem Nato-Skeptiker, der sich immer wieder anerkennend über
       Stoltenberg geäußert hat. Einen beim US-Präsidenten funktionierenden
       Tonfall zu finden, könnte ja nun bei den [3][Themen Zölle] und
       [4][Ukraine-Krieg] durchaus nützlich sein.
       
       24 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Regierungskrise-in-Norwegen/!6066345
   DIR [2] /Maschinenraum-der-Sicherheitskonferenz/!6069491
   DIR [3] /Zu-Besuch-in-Washington/!6083038
   DIR [4] /Friedensplan-der-US-Regierung/!6080613
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anne Diekhoff
       
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