# taz.de -- Bericht von Reporter ohne Grenzen: Doppelt so viele Attacken auf Presse in Deutschland
> Fast 90 tätliche Angriffe auf Medienschaffende wurden 2024 hierzulande
> gezählt. Besonders Nahost-Demos waren ein gefährlicher Einsatzort.
IMG Bild: „Press“ steht bei einer Kundgebung am Jahrestag des Hamas-Angriffs auf Israel in Berlin-Kreuzberg auf einem Helm
Berlin dpa/epd | Die Zahl der gewaltsamen Übergriffe auf Journalistinnen
und Journalisten hat sich in Deutschland im vergangenen Jahr laut einer
Auswertung mehr als verdoppelt. Die Organisation Reporter ohne Grenzen
(RSF) hat 89 tätliche Angriffe auf Medienschaffende [1][dokumentiert und
belegt] – die meisten am Rande von Kundgebungen, vor allem zum
Nahostkonflikt, aber auch bei Veranstaltungen der rechten Szene und von
Abtreibungsgegnern. Im Vorjahr 2023 hatte es bundesweit 41 Attacken
gegeben. Nur im Corona-Jahr 2022 war mit 103 Übergriffen ein höherer Wert
als 2024 gemessen worden.
Bei 75 der dokumentierten Vorfälle handelte es sich um Angriffe gegen
Menschen. 14 Angriffe richteten sich gegen Redaktionsgebäude oder
Wohnhäuser. Am häufigsten waren körperliche Attacken in Form von Tritten
und Schlägen, auch mit Gegenständen wie Fahnenstangen oder
Trommelschlägeln. Als Angriff gewertet wurden diese, sofern sie Körper oder
Ausrüstung tatsächlich getroffen haben. Medienschaffende wurden teils
brutal zusammengeschlagen, sie wurden zu Boden gestoßen, in die Genitalien
getreten, mit Kaffeebechern oder rohen Eiern beworfen oder mit Pfefferspray
attackiert, so die Menschenrechtsorganisation in ihrem Report zur Lage der
Pressefreiheit in Deutschland, deren Bericht an diesem Dienstag
veröffentlicht wird.
„38 Fälle körperlicher Gewalt ereigneten sich allein auf
Nahost-Demonstrationen in Berlin“, so RSF. „21 weitere Angriffe kamen aus
dem verschwörungstheoretischen und rechtsextremen Umfeld.“ Gerade mit Blick
auf Angriffe aus dem rechtsextremen Lager spricht RSF zudem von einer hohen
Dunkelziffer, „da gerade Lokalreporterinnen und -reporter, die immer wieder
angegriffen werden, dies nicht jedes Mal melden“.
## Pressefeindlichkeit und verengter Meinungskorridor
Generell erleben Reporterinnen und Reporter in Deutschland dem Bericht
zufolge „eine zunehmende Pressefeindlichkeit und ein verengtes Verständnis
von Pressefreiheit“. Viele Leute würden Menschen aus der Medienbranche, die
nicht ihrem eigenen politischen Spektrum entstammen, mittlerweile als
Gegner ansehen, so die Analyse.
Aber auch innerhalb der Redaktionen habe es 2024 Konflikte gegeben: Vor
allem nach dem 7. Oktober 2023, dem Tag des terroristischen Anschlags der
Hamas auf Israel, sei der Organisation immer wieder von einem „stark
verengten Meinungskorridor“ bei der Arbeit zu Israel und Palästina
berichtet worden. Unter anderem Auslandskorrespondenten schilderten aus den
Redaktionen äußerst langwierige Kontroll- und Aushandlungsprozesse zu
Begriffen, mit denen die israelische Kriegsführung kritisiert werde.
Aussagen palästinensischer Quellen und von Menschenrechtsorganisationen
oder den Vereinten Nationen würden grundsätzlich infrage gestellt.
Viele Journalisten äußerten zudem Angst vor Bloßstellung in anderen Medien
und in den sozialen Netzwerken. Grundsätzlich halte sich die Medienvielfalt
in Deutschland weiterhin auf einem international hohen Niveau, doch
wirtschaftlicher Druck gefährde sie zunehmend. Auf der weltweiten Rangliste
der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ steht Deutschland auf Platz
10 von 180 Staaten. Diese wird am 3. Mai neu veröffentlicht.
8 Apr 2025
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