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       # taz.de -- Künftige schwarz-rote Bundesregierung: Tschüss Berlin, hallo Berlin
       
       > Der Koalitionsvertrag steht, doch wer wird Minister? Vier
       > Senatsmitglieder waren dafür im Gespräch. Doch stadtintern wechselt
       > offenbar nur Joe Chialo.
       
   IMG Bild: Regierungschef Wegner muss sich wohl einen neuen Kultursenator suchen: Joe Chialo (beide CDU) soll auf die Bundesebene wechseln
       
       Berlin taz | Die SPD-Frauen hatten nach paritätischer Postenvergabe im
       Bundeskabinett gerufen, die CDUlerinnen bedrängen ihren Parteichef
       Friedrich Merz auf gleiche Weise. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar
       Woidke (SPD) wiederum [1][forderte drei Kabinettsposten für Ostdeutsche].
       In dieser Gemengelage gab es in Berlin seit Wochen nicht durchweg seriöse
       Spekulationen, dass vier Senatsmitglieder für den stadtinternen Jobwechsel
       infrage kämen und Senatsverwaltung mit einem Bundesministerium tauschen
       könnten. Tatsächlich, so die taz-Quellenlage zu Redaktionsschluss am
       Mittwoch, betrifft das bislang aber nur Kultursenator Joe Chialo.
       
       Joe Chialo, Felor Badenberg, Katharina Günther-Wünsch (alle CDU), Franziska
       Giffey (SPD): Diese vier Namen waren in jenen am Rande unter Politikern wie
       Journalisten stets gern geführten Spekulationen immer mal wieder
       aufgetaucht, mal als Wünsch-dir-was, mal als Ergebnis politischer Logik.
       
       Kultursenator Chialo [2][galt dabei bereits als möglicher Nachfolger der
       bisherigen Kulturstaatsministerin] Claudia Roth von den Grünen, als er vor
       zwei Jahren in den Senat kam: Bundesvorstandsmitglied,
       Migrationshintergrund, politischer Seiteneinsteiger, nicht auf als elitär
       verschriene Hochkultur beschränkt, das hat die Union bundesweit sonst nicht
       zu bieten. Der CDU war [3][Chialo erst 2016 be]igetreten. In den 90ern war
       er Grünen-Mitglied, bevor er wegen des in einem [4][Trommelfellriss
       endenden Farbbeutelwurfs auf den damaligen Außenminister Joschka Fischer
       1999] wieder austrat.
       
       ## Als Kultursenator umstritten
       
       Gemessen an landespolitischen Erfolgen hatte sich Chialo zwar nicht
       unbedingt empfohlen. Selbst CDUler fühlten sich etwa überfahren, als er
       quasi im Alleingang einen Umzug der Zentral- und Landesbibliothek in die
       Galeries Lafayette vorschlug – und sich auch durch Berlins miese Finanzlage
       nicht von dem mit weit über einer halben Milliarde Euro veranschlagten
       Projekt abbringen ließ. Als es später dann um Kürzungen im Kulturhaushalt
       ging, empfanden sich viele Institutionen zu wenig von Chialo geschützt und
       dann auch nicht ausreichend informiert über das anstehende Streichkonzert.
       
       Das aber hat nach Stand von Mittwochnachmittag den designierten CDU-Kanzler
       Friedrich Merz nicht davon abgehalten, ihn als ersten Schwarzen in die
       Bundesregierung zu berufen. Formal ist sein Posten zwar nur der eines
       Staatssekretärs, der im Kanzleramt Staatsminister heißt. Aber an Claudia
       Roth und noch mehr an [5][deren Vorgängerin, der Berlinerin Monika Grütters
       (CDU)], lässt sich ablesen, dass er als Kulturstaatsminister eine
       herausragendere Rolle als mancher Bundesminister spielen kann.
       
       Bei einem zweiten Namen aus der Berliner CDU war es ausdrücklich die
       fachliche Kompetenz, die Justizsenatorin Felor Badenberg – erst seit Mai
       2024 Parteimitglied – ins Gespräch brachte. Als vormalige Vizechefin im
       Bundesamt für Verfassungsschutz galt sie als profiliert, in Berlin setzte
       sie behördenintern gegen Widerstände überfällige Reformen durch.
       
       Wie ihre Chancen als mögliche Justizministerin CDU-intern standen, wurde am
       Mittwochnachmittag unwichtig: Das Ministerium soll an die SPD gehen. Das
       aber immerhin mit einer anderen Frau aus der Region: Offenbar soll es Sonja
       Eichwede machen, aus Bremen stammende und erst 37-jährige Brandenburger
       Bundestagsabgeordnete.
       
       ## Spekulationen um Günther-Wünsch
       
       Der Tagesspiegel hatte eine weitere CDU-Frau ins Gespräch gebracht, die
       Tageszeitung nd verortete sie bereits konkret: Bildungssenatorin Katharina
       Günther-Wünsch solle als Staatssekretärin ins Bundesbildungsministerium
       wechseln. Geboren und aufgewachsen in Dresden, würde sie auch die Ostquote
       bei der CDU erfüllen. Aber warum sollte sie sich als frei schaltende
       Landesministerin freiwillig zur Zuarbeiterin und bloßen Stellvertreterin
       einer Bundesbildungsministerin degradieren?
       
       Weil, so hieß es, die CDU dann ein Problem weniger habe, denn dann würden
       Günther-Wünsch und ihr Lebensgefährte, Regierungschef Kai Wegner, nicht
       länger gemeinsam im Senat sitzen. Ohne Günther-Wünsch aber hätte die
       Berliner CDU nicht ein Problem weniger, sondern eines mehr. Denn wer sollte
       sie, die auch von der Opposition wegen ihrer Bildungsexpertise respektiert
       wird, im Senat ersetzen? Wer an ihrer Stelle im Abgeordnetenhaus ähnlich
       souverän auftreten?
       
       Im Vergleich zur Causa Günther-Wünsch erschien die einzige Spekulation auf
       SPD-Seite schon fast realistisch. Franziska Giffey, die ehemalige
       Bundesfamilienministerin und Regierende Bürgermeisterin, müht sich zwar
       nach Kräften als Wirtschaftssenatorin. Aber sie wirkt nicht so, als haben
       sie darin ihre wahre Berufung gefunden. In einer vom linken Parteiflügel
       dominierten Berliner SPD aber wird sie kaum nochmals Spitzenkandidatin für
       die kommende Abgeordnetenhauswahl werden.
       
       ## Offiziell erst nach Mitgliederbefragung
       
       Was SPD-Chef Lars Klingbeil – jeder Koalitionspartner wählt selbstständig
       seine Minister aus – hätte dazu bringen können, bei ihr anzurufen?
       Ostdeutsche Wurzeln und überregionale Bekanntheit, die wenige SPD-Frauen
       haben, dazu die Fähigkeit, Politik nahezubringen. Als Chefin des
       vermeintlich nachrangigen Familienministeriums – das unter Exkanzler
       Gerhard Schröder (SPD) unter „Gedöns“ lief – machte sie zwischenzeitlich
       die Politik mit Begriffen wie dem „Gute-Kita-Gesetz“ verständlicher.
       
       Am Ende kann aber bisher nur Chialo „Tschüss Berlin, hallo Berlin“ sagen
       und den Job wechseln. Offiziell soll alles erst nach der
       SPD-Mitgliederbefragung werden. Auch die Besetzung der
       Staatssekretärsposten steht noch aus – und damit auch die Antwort auf die
       Frage, ob Günther-Wünsch tatsächlich wider alle Logik wechselt.
       
       9 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.maz-online.de/brandenburg/woidke-fordert-ein-fuenftel-ostdeutsche-im-kabinett-von-friedrich-merz-N75UGRTF5BA2LPUZ3YR7RATH2U.html
   DIR [2] /CDU-Wahlkampf/!5794169
   DIR [3] /Der-erste-PoC-Kandidat-der-Berliner-CDU/!5782602
   DIR [4] /Bodenkrieg-in-Bielefeld/!1289088/
   DIR [5] /Landesvorsitzende-von-CDU-und-SPD/!5506943
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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