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       # taz.de -- Generalstreik in Griechenland: Griechen gehen wieder auf die Straße
       
       > Für viele Griechen reicht das Einkommen kaum zum Überleben. Mit einem
       > 24-stündigen Generalstreik wollen sie auf die Verarmung aufmerksam
       > machen.
       
   IMG Bild: Demonstranten nehmen an einer Kundgebung während eines landesweiten 24-stündigen Streiks teil, Athen, 9.4.2024
       
       Athen taz | Wer am Mittwoch nach Athen fliegen wollte, musste leider
       vertröstet werden: In Griechenland hatten die Dachgewerkschaft der
       Privatangestellten GSEE sowie die Beamtengewerkschaft ADEDY dazu
       aufgerufen, im ganzen Land für 24 Stunden die Arbeit niederzulegen. Auch
       die Gewerkschaft der Fluglotsen machte beim Generalstreik mit.
       
       [1][Schon am 20. November hatte ein 24-stündiger Generalstreik das
       öffentliche Leben] in Griechenland weitläufig zum Erliegen gebracht. Davon
       betroffen waren auch diesmal Ämter, Behörden, Schulen und Krankenhäuser.
       Mit Haltetauen wurden die Passagier- und Autofähren an den Pollern am Kai
       festgemacht. Metro, Busse und Bahnen streikten in den Stoßzeiten.
       
       An den Protestkundgebungen nahmen am Mittwochmittag in Athen, Thessaloniki
       und Patras erneut Zehntausende teil. Unverändert forderten sie sofortige
       reale Lohnsteigerungen, die Ausweitung der Tarifverträge, die nur etwa ein
       Viertel der Angestellten im Privatsektor abdecken, sowie die
       Wiedereinführung des 13. und 14. Monatsgehalts für die Beamten. Der
       damalige Finanzminister Jannis Stournaras hatte sie 2012 abgeschafft, er
       ist ein glühender Verfechter des rigorosen Sparkurses in Athen während der
       für Hellas desaströsen Zehnerjahren.
       
       Stournaras, nunmehr Chef der Athener Notenbank (TTE), erteilte im Vorfeld
       des neuerlichen Generalstreiks der Wiedereinführung eine Absage. Dafür sei
       „kein Geld da“. Dass sich ausgerechnet die Notenbankangestellten unter
       Stournaras sehr wohl diese Extrabezüge gönnen, ärgert nicht nur die
       Gewerkschafter. Wie blanker Hohn klingt sein stures Nein zudem, nachdem die
       Regierung in Athen [2][ein Milliardenpaket zur griechischen Aufrüstung
       beschlossen hatte.] Der konservative Premier [3][Kyriakos Mitsotakis] hat
       Anfang April verkündet, 25 Milliarden Euro bis 2036 investieren zu wollen.
       
       ## Geld kommt nur bei den Reichen an
       
       In diesem Jahr geht TTE-Chef Stournaras derweil von einem
       Wirtschaftswachstum von 2,3 Prozent in Griechenland aus. Es ist ein Plus
       auf im EU-Vergleich weiter niedrigem Niveau und vor allem auf Pump: Ohne
       die üppigen EU-Gelder, die nach Athen fließen, stünde Mitsotakis ganz schön
       armselig da. Wie armselig, zeigt der Geldfluss: Im Siebenjahreszeitraum
       2021 bis 2027 fließen EU-Mittel im Gesamtvolumen von 57,35 Milliarden Euro
       nach Athen – eine in Relation zur hiesigen Wirtschaftsleistung enorme
       Summe.
       
       Der Haken daran ist zudem, dass die Regierung Mitsotakis dafür sorgt, dass
       fast die gesamten Gelder aus dem Corona-Aufbaufonds nur an wenige
       Großunternehmen gehen. Die allermeisten Firmen, konkret Hunderttausende
       Kleinst-, Klein- und mittelgroße Betriebe, gehen völlig leer aus. Was
       bleibt, ist die weiterhin florierende, aber ansonsten anfällige Monokultur
       Tourismus sowie die Handelsschifffahrt, die steuerbefreit ist – und so die
       Reeder von Jahr zu Jahr immer reicher macht.
       
       Die unweigerliche Folge: Die meisten Menschen in Griechenland kommen kaum
       über die Runden. 2009 lag das hiesige Gehalt eines Vollzeitbeschäftigten im
       Schnitt noch bei monatlich 1.379 Euro brutto. Heute sind es knapp fünfzig
       Euro weniger. Dank steigender Inflation bleibt davon noch weniger über. Die
       hiesigen Preise sind seit 2020 um kumuliert 19 Prozent gestiegen,
       Lebensmittel sind gar 30 Prozent teurer. Laut Eurostat liegt die Kaufkraft
       der Griechen bei 70 Prozent des EU-Durchschnitts. Nur die Bulgaren liegen
       noch dahinter, holen aber auf. Für die Griechen, seit 1981 in der EU, ist
       dieser Niedergang eine Demütigung.
       
       9 Apr 2025
       
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