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       # taz.de -- Haftstrafe für Neonazi: Bis hierher und nicht weiter
       
       > Die Gefängnisstrafe für Julian M. ist ein wichtiges Signal in die
       > ideologisch wenig gefestigte Szene. Womöglich hilft sie gegen deren
       > Radikalisierung.
       
   IMG Bild: Junge Rechtsextreme bei einer Demo in Friedrichshain
       
       Ordentlich gescheitelt und im schwarzen Hemd, Typ SS könnte man sagen.
       Oder, wie es die Süddeutsche Zeitung formulierte, „Typ Schwiegermutters
       Liebling“: So saß der [1][Neonazi Julian M. vier Verhandlungstage lang vor
       dem Berliner Landgericht, ehe er am Mittwoch zu drei Jahren und drei
       Monaten Haft verurteilt wurde]. Innerhalb weniger Wochen im Herbst hatte M.
       drei Menschen attackiert und seine damalige Freundin bedroht.
       
       M. ist damit der erste aus einer [2][neuen Generation junger Neonazis], die
       seit vergangenem Jahr in immer neuen Gruppen – wie „Deutsche Jugend Voran“,
       „Jung und Stark“, „Deutscher Störtrupp“ „Elblandrevolte“ oder „Letzte
       Verteidigungswelle“ – in Erscheinung treten, der zu einer empfindlichen
       Haftstrafe verurteilt wurde. An die Szene ist das ein Zeichen, dass ihre
       ungebremste Turbo-Radikalisierung durchaus auch Folgen haben kann.
       
       Die Berliner Ermittlungsbehörden haben in diesem Fall ihren Job gemacht.
       Schon beim [3][ersten öffentlichen Auftritt der jungen Neonazis in Berlin
       am Rande des CSD] im vergangenen Sommer, wurden diese von
       Polizist:innen festgesetzt. Nach einem Überfall auf
       Antifaschist:innen am Ostkreuz im Juli folgte eine [4][Razzia gegen
       Mitglieder der „Nationalrevolutionären Jugend“], Unterorganisation des
       Dritten Wegs, im Oktober nach dem Überfall auf einen Antifaschisten dann
       eine [5][Durchsuchung bei M. und seinen Kameraden der „Deutschen Jugend
       Voran“], kurz DJV.
       
       M. saß seitdem in Untersuchungshaft, die Staatsanwaltschaft legte Beweise
       wegen gleich vier Straftaten vor. Ihre Erkenntnisse über die Gruppe gingen
       dabei auch auf [6][Antifa-Recherchen] zurück, wie eine Polizistin vor
       Gericht erklärte. Sechs Monate später steht das Urteil gegen M. Die
       Alltime-Forderung, die Strafe müsse auf dem Fuße folgen – hier wurde sie
       eingelöst. Angesichts der Bedrohungslage, die von den „aktionsorientierten“
       Neonazis ausgeht, ist das wichtig.
       
       ## Nicht ideologisch gefestigt
       
       Gleichzeitig zeigte die Verhandlung: Die Jung-Nazis bewegen sich
       tatsächlich irgendwo zwischen SS und Schwiegermutterliebling. Zum einen
       waren da die Kameraden im Publikum, ungeniert in Szene-Kleidung oder auch
       mal einer Tätowierung, die auf eine SS-Sondereinheit verweist, und denen
       sich M. immer wieder lächelnd und winkend zuwandte. In dieses Bild gehört
       auch ein Angriff auf ein Kamerateam von Spiegel Online, samt
       „Lügenpresse“-Beschimpfung nach der Urteilsverkündung.
       
       Zum anderen zeigte sich M. von Beginn an kooperativ, gestand die Taten,
       entschuldigte sich bei den Opfern. Für einen ideologisch überzeugten
       Neonazi, der immer auch Staatsfeind ist, ist das mehr als ungewöhnlich. Und
       dass seine Kameraden ihm das offensichtlich nicht übel nahmen, ist es umso
       mehr. Warum er bei DJV bleiben wolle, begründete M. zunächst damit, dass
       dies sein soziales Umfeld sei. Seine politische Haltung sei „klar“, so M.
       Gleichzeitig versuchte er sich in einer Unterscheidung zwischen
       rechtsextrem, rechts und patriotisch.
       
       Man mag das für Augenwischerei halten, für bewusste Selbstverharmlosung,
       aber es zeigt eben auch: So radikal und gewaltbereit die jungen Gruppen
       sind, ideologisch gefestigt sind sie nicht. Alkoholkonsum und
       Gruppendynamiken, Demo-Action und Provokation sind wichtiger als ein
       Beschäftigen mit Geschichte und Theorie. Wer die 14- bis 24-Jährigen fragt,
       was sie wollen und wieso, wird kaum Antworten erhalten.
       
       Für den Umgang mit dieser Klientel folgt daraus: Zumindest einige von ihnen
       könnten noch zurückgeholt werden. Hier sind Schulen gefragt,
       Sozialarbeiter:innen, aber eben auch ein Staat, der sehr deutlich seine
       Grenzen setzt. Das Urteil gegen Julian M. ist zumindest ein
       Hoffnungsschimmer.
       
       11 Apr 2025
       
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