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       # taz.de -- Schwieriges Handwerk: Das gute Brot
       
       > Das Handwerk tut sich schwer gegen das industriell gefertigte Brot.
       > Manche Bäckereien halten dagegen mit Qualität. Ein Brotkauf in Berlin und
       > auf dem Land.
       
   IMG Bild: Der Laib guten Brotes
       
       Wie ein kostbarer Schatz thront das Sauerteigbrot auf dem schimmernden
       Podest, das von der Decke schwebt. Die goldene Brotkruste lädt durch das
       Schaufenster zum Reinbeißen ein. Darunter blüht ein sorgsam inszeniertes
       Weizenfeld. Es wirkt wie ein Design-Showroom oder Concept Store – dabei ist
       es bloß ein Bäcker.
       
       Die Aufmachung der Bäckerei Keit in der Goltzstraße in Schöneberg ist keine
       Ausnahme – sie gehört zum Standardrepertoire der neuen Generation von
       Brotboutiquen, die in Berlin wie Pilze aus dem Boden schießen. Rund um den
       Schöneberger Winterfeldmarkt wimmelt es nur so von Bäckereien, die
       Sauerteigbrote wie wertvolle Artefakte in Szene setzen.
       
       Brot ist eins der ältesten Lebensmittel der Menschheit. Wie wurde aus dem
       Grundnahrungsmittel eine Delikatesse? „Indem es wieder zu dem wird, was es
       mal war: ein Handwerksprodukt, kein industrielles Massenprodukt“, meint
       Johann Kreter, Inhaber der Bäckerei Johann. „Ein gut produziertes Brot ist
       eine Delikatesse. Unser Kulturgut hat bloß lange enorm an Qualität
       abgenommen.“
       
       Die Bäckerei Johann liegt nur eine Straße entfernt von Keit, in einer mit
       Bäumen gesäumten Kopfsteinpflasterstraße. Der Bäcker- und Konditormeister
       mit Dreitagebart steht in T-Shirt und Sneakers in seiner Backstube.
       Sonnenlicht fällt durch den Innenhof und lässt die Mehlpartikel in der Luft
       glitzern, es duftet nach gärendem Sauerteig. Hinter ihm arbeiten an einer
       silbernen Arbeitsplatte vier junge Bäcker*innen in blau-weiß karierten
       Bäckerhosen und gestreiften Schürzen. Geübt reißen sie Stückchen vom dicken
       Teigbatzen ab, der über die Platte quellt, kneten und formen ihn zu Broten.
       
       „Bevor es die industrielle Hefeherstellung gab, haben Bäcker auf Sauerteig
       gesetzt“, erklärt Kreter. Der Teig ruhte bis zu 16 Stunden, in der Zeit
       legten sich die Bäcker früher hin. In den 1920er Jahren veränderte die
       industrielle Hefeherstellung das Handwerk radikal. Der Brothistoriker
       Aaron Bobrow-Strain spricht von den „Olympischen Spiele des Backwesens“:
       dem Versuch, Brot schneller, höher, stärker zu machen. Das beschleunigte
       die Prozesse, führte aber zu Qualitätseinbußen.
       
       Industriebackwaren werden in zwei bis vier Stunden gefertigt: Teig aus der
       Tüte im Kessel gerührt, gebacken, schockgefrostet und mit Zusatzstoffen
       versehen. Bäcker passten sich den Industriestandards immer mehr an. „Der
       Handwerksbäcker war zu oft nicht mehr besser als die Industrie. Backwaren
       aus Backshops und Supermärkten wurden zur Konkurrenz“, sagt Kreter.
       
       Das Resultat: ein massives Bäckereisterben, vor allem in den 1990er und
       2000er Jahren. [1][Die Zahl der Handwerksbäckereien sank laut
       Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks in den vergangenen 60 Jahren
       von etwa 55.000 auf rund 9.000 Betriebe mit 35.000 Filialen]. Allein im
       vorigen Jahrzehnt betrug der Rückgang 30 Prozent. Zu Recht, findet Kreter.
       „Wenn der Handwerksbäcker das gleiche Brötchen produziert wie die
       Tankstelle, hat er keine Existenzberechtigung mehr.“
       
       Kreter will es anders machen. „Neue Zeiten brauchen neue Konzepte. Sonst
       funktioniert Handwerk nicht mehr“, sagt er. Vor zwei Jahren hat er seine
       Bäckerei – nach Komplettsanierung – in den Räumen einer alten Kiezbäckerei
       eröffnet. Der 39-Jährige ist seit über 20 Jahren Bäcker und kennt die
       Berliner Sauerteigbäckerei-Szene: Er hat bei Keit gearbeitet, die Bäckerei
       Sofi in Mitte mitaufgebaut und berät Wilmina in Charlottenburg.
       
       ## Mit den Expats kommt der Sauertag nach Berlin
       
       Laut Zentralverband ist es Sauerteig-Bäckereien wie diesen zu verdanken,
       dass die Zahl der in die Handwerksrolle eingetragenen Betriebe in Berlin
       entgegen dem bundesweiten Trend steigt. „Der Trend zum Revival von
       Sauerteigbrot hat in den USA und Skandinavien begonnen und ist mit Expats
       nach Berlin gekommen“, erklärt Kreter. Die ersten Sauerteigbäckereien in
       der Hauptstadt wurden von Italiener*innen, Dän*innen und
       Australier*innen gegründet.
       
       Auch Kreter setzt ausschließlich auf Natursauerteig, biologische Rohstoffe
       und alte Getreidesorten wie Emmerkorn, Dinkel und Gelbweizen. Um die
       Qualität sicherzustellen, arbeitet er mit handwerklichen Mühlen zusammen.
       Seine goldene Regel: Langzeitführung bei allen Gebäcken und keine
       Hefezugabe bei Brot und Brötchen. Denn industrielle Hefe macht das Brot im
       Vergleich zu natürlichem Sauerteig weniger aromatisch und weniger
       bekömmlich.
       
       Die vom Bäckermeister eigens erstellten Rezepte hängen an der Wand über den
       knetenden Bäcker*innen in der Schöneberger Backstube: von
       Dinkelvollkornbrot über Laugengebäck bis hin zu Brioche und Mandelcreme.
       „Heute wird der Teig geformt, morgen gebacken“, sagt er. Die Teige – bis zu
       einer Tonne – werden über Nacht in der Kühlkammer stehen gelassen, damit
       sich Aromen entfalten und Schadstoffe abbauen können. Jeden Tag werden nur
       drei Brotsorten gebacken, damit sich die Bäcker*innen auf die Teige
       konzentrieren können.
       
       Und das Konzept geht auf: Bis zu 200 Meter lang sei die Schlange am
       Wochenende vor dem Geschäft, am Tag kämen bis zu 600 Kund*innen, so Kreter.
       Das Klientel sei gut durchmischt: junge Familien, ältere Leute, Zugezogene,
       Alteingesessene, Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte. „Es geht nicht
       nur ums Brot, sondern auch um Begegnung, darum, dass man sich am Wochenende
       etwas gönnt.“
       
       Bei ihm kostet 1 Kilogramm Brot zwischen 6 und 10 Euro. Wer sich das
       leisten kann? „Das ist für einen Großteil aller Menschen erschwinglich“,
       ist der Berliner überzeugt. Es sei vor allem eine Frage der Prioritäten –
       und die liegt in Deutschland nicht auf Lebensmitteln. Hierzulande gibt der
       Durchschnittshaushalt nur 13 Prozent seines Einkommens für Essen aus – ein
       unterdurchschnittlicher Wert im EU-Vergleich. Der Kilopreis für Brot liegt
       beim Discounter durchschnittlich bei rund 1,80 Euro. Abgepacktes
       Supermarktbrot hingegen ist manchmal nur wenige Cent günstiger als das, was
       Kreter anbietet – qualitativ jedoch weit unterlegen. Dass Menschen ihr Brot
       dort kaufen, liege auch an mangelnder Ernährungsbildung.
       
       In der Nachbarschaft wimmelt es nur so an Bäckern, Backshops und
       Supermärkten – für Kreter keine Konkurrenz, der Qualitätsunterschied zu
       groß. Auch die Handwerksbäcker in den Parallelstraßen seien es nicht, da
       es viel zu wenige wirklich gute Bäckereien gebe. Der Wunsch nach gutem Brot
       sei da: „In bestimmten Teilen der Gesellschaft gibt es wieder eine
       Wertschätzung für gute Lebensmittel“, sagt Kreter. „Das ist natürlich ein
       urbanes Phänomen, das eher gebildete und zahlungskräftige Schichten
       betrifft. Wünschenswert wäre es, wenn das ein gesamtgesellschaftliches
       Phänomen wäre.“
       
       ## Traditionsbäckerei mit Neuerungen
       
       Doch gutes Brot ist längst nicht mehr nur ein urbanes Statussymbol. Auch
       auf dem Land wird die Rückbesinnung auf handwerkliche Qualität gefeiert –
       etwa im sachsen-anhaltischen Meitzendorf. In dem verschlafenen Örtchen
       nördlich von Magdeburg behauptet sich die Traditionsbäckerei Möhring seit
       über 180 Jahren erfolgreich gegen den Strukturwandel.
       
       Der Weg vom Bahnhof zur Bäckerei führt an blühenden Feldern vorbei, der
       Bauer tuckert auf seinem Traktor vorbei und grüßt freundlich. In einer
       ruhigen Gasse mit Kopfsteinpflaster und Fachwerkhäusern prangt an einem
       unscheinbaren Wohnhaus ein gelbes Brezelschild. Hier hat der
       Familienbetrieb Bäckerei Möhring seinen Sitz – und die Familie wohnt auch
       gleich drüber.
       
       Den Betrieb hat Kerstin Ostendorf 2004 in siebter Generation übernommen.
       Heute leitet sie ihn zusammen mit ihrem Sohn Marcus Ostendorf.
       
       Der Bäckermeister steht im Garten hinter der Backstube – die Haare spitz
       gegelt, die Brille markant, auf dem Unterarm ein Tattoo aus Weizenhalmen.
       „Sons of Bakery – Meitzendorf“ steht auf seinem Shirt, in der Mitte eine
       Karikatur von ihm, bewaffnet mit Brotschieber. Seine Mutter ist im
       Partnerlook, dazu trägt sie karierte Bäckerhose, Socken und Sandalen.
       
       „Was am Tag durch die kleine Butze da vorne geht, ist Wahnsinn“, sagt der
       35-Jährige sächselnd. Bis zu 300 Kund*innen kämen an Freitagen – und das
       in einem 1.000-Seelen-Dorf.
       
       Dabei gehört die Bäckerei Möhring eigentlich zu einer aussterbenden Art.
       Betriebe in ländlichen Gegenden sind besonders stark von den
       Branchenherausforderungen betroffen: neben steigenden Mieten, Energie- und
       Rohstoffkosten, Nachtarbeit, Überstunden vor allem vom Fachkräftemangel und
       fehlender Nachfolge.
       
       ## Qualität als das Geheimrezept
       
       Während die Zahl der Bäckereien auch in Sachsen-Anhalt weiter zurückgeht,
       hat die Bäckerei Möhring erst Ende vergangenen Jahres eine neue Filiale in
       Magdeburg eröffnet. Ihr Geheimrezept? „Qualität, die besser ist als
       Industrieware, ein Alleinstellungsmerkmal, ständige Innovation und eine
       gute Crew, die man anständig behandelt“, sagt Ostendorf.
       
       Am frühen Mittag stehen zwei ältere Mitarbeiterinnen in karierten Schürzen
       hinter der Theke und verkaufen Kuchen, Brot und Brötchen. Statt
       Showroom-Ästhetik herrscht hier DDR-Charme: Die Wände sind mit Holzpaneelen
       vertäfelt, billiges Marmorimitat umrahmt die Glastheke, hinter der sich
       Marmeladenrollen, Mini-Donuts und Teekuchen stapeln. Obendrauf: Capri-Sonne
       und Heringsfilets. Man riecht förmlich die DDR-Schrippen – den Stolz des
       Ostens.
       
       Die restliche Ware ostdeutscher Backshops hingegen stellte vor allem für
       Süddeutsche, die in ihrer Heimat mit traditionellen Handwerksbäckern,
       knusprigen Brotkrusten und goldbraunen Brezen reich gesegnet waren, eine
       kulinarische Zumutung dar: blasses, undefinierbares, labberiges Brot.
       
       Diese Zeiten sind vorbei – zumindest in der Bäckerei Möhring. Denn Marcus
       Ostendorf stellt die alte Ostbäckerei auf den Kopf. In der Backstube
       gedeihen Chiabrotteig und Roggenvollkornsauerteig, kleingeschnittene Mango
       wartet in Kisten darauf, in das Mango-Curry-Brot verarbeitet zu werden –
       eines der kreativen Rezepte des Bäckermeisters. Alle zwei Wochen
       experimentiert er für sein „Dasda“-Brot mit neuen Rezeptkreationen: von
       Rotwein-Cheddar über Tomate-Buttermilch bis hin zu Bacon-Brot. Ein weiteres
       Alleinstellungsmerkmal des Bäckers: das „Octopussy“-Baguette, das mit
       Tintenfischtinte schwarz gefärbt wird. „Die Rezepturen sind altbewährt,
       aber modernisiert“, sagt der künftige Nachfolger. Der Sauerteig wird selbst
       hergestellt, Hefe nur für Kuchen verwendet – alles ist regional.
       
       „Wir haben tolle Geschichten hier“, sagt Ostendorf. Doch während
       Städter*innen neugierig seien für neue Innovationen, sei das Kauf- und
       Essverhalten auf dem Land ein anderes. „Die ältere Kundschaft im Dorf ist
       von der Auswahl überfordert. Die kaufen immer nur ihr Mischbrot und
       Brötchen.“ Dennoch hat der 35-Jährige es geschafft, mit einer innovativen
       Sortimentsvielfalt ein Umdenken zu bewirken. Inzwischen kämen Kund*innen
       gezielt für das „Dasda“-Brot nach Meitzendorf – sogar aus dem 50 Kilometer
       entfernten Helmstedt.
       
       Ihre Kund*innen können auch per Whatsapp bestellen – ein Service, der auf
       dem Land kaum angeboten wird. „Andere Bäckereien geben noch Rauchzeichen
       und arbeiten mit Brieftauben“, sagt Marcus Ostendorf. Bei ihnen hingegen
       wird mithilfe von KI sichergestellt, dass am Ende des Tages möglichst wenig
       weggeworfen wird. Nicht verkaufte Ware wird über Too Good To Go verkauft,
       [2][eine App, über die übriggebliebene Lebensmittel zu vergünstigten
       Preisen abgegeben werden]. Ein weiteres Tool hilft bei der
       Kassenabrechnung, Buchführung, Rezepturverwaltung sowie bei der Erstellung
       von Rechnungen und Lieferscheinen.
       
       Die Konzepte, mit denen sich Landbäckereien gegen das Bäckereisterben
       stemmen, sind innovativ: So erprobt etwa derzeit die brandenburgische
       Gemeinde Wusterhausen/Dosse mit ihrem [3][Modellprojekt
       „Stadt-Land-Drohne“], ob die Versorgung entlegener Orte mit Lieferdrohnen
       eine Lösung sein kann. Finanziert wird es vom Bundesministerium für
       Ernährung und Landwirtschaft. Die Landbäckerei Schwarz im brandenburgischen
       Nuthe-Urstromtal startet täglich mit einem Backmobil, um in abgelegene Orte
       zu liefern – für viele Dorfbewohner*innen die einzige Möglichkeit,
       Nahrungsmittel zu kaufen.
       
       ## Fachkräfte verzweifelt gesucht
       
       Eine der größten Schwierigkeiten, so die Gewerkschaft
       Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), ist für Bäckereien der Personal- und
       Fachkräftemangel. Auch die Bäckerei Möhring musste im vergangenen Jahr eine
       Filiale im nahegelegenen Dahlenwarsleben schließen, weil eine Mitarbeiterin
       langfristig erkrankte. „In Magdeburg ist es leichter, Fachkräfte zu
       finden“, sagt die 61-jährige Kerstin Ostendorf. „Aber alle nur in meinem
       Alter. Jüngere findet man nicht.“ Auch die Filiale in Meitzendorf bleibt
       heute bereits um 14 Uhr geschlossen, weil sich in dem 10-köpfigen Team
       keine Verkäuferin für die Nachmittagsschicht gefunden hat.
       
       Deshalb ist die Auslage am Nachmittag schon leergeräumt. Übrig bleibt nur
       abgepackte Trockenware hinter der Theke. Was in der Bäckerei Johann in
       Berlin als szenisch beleuchtetes Granola, Bio-Öl und Zwetschgenmus in
       Einmachgläsern präsentiert wird, ist hier Krombacher Bier,
       Rotkäppchen-Sekt, H-Milch und Kaffeefilter – etwas, nun ja, pragmatischer.
       Denn einen Supermarkt gibt es in Meitzendorf nicht.
       
       Ein weiteres Problem für die Bäckereien auf dem Land ist die Suche nach
       Nachfolger*innen. Ob sie in der Filiale ausbilden? „Wenn sich hier einer
       finden würde, ja“, sagt Kerstin Ostendorf lachend.
       
       Laut Zentralverband ist die Zahl der Lehrlinge, die sich bundesweit
       ausbilden lassen, von rund 17.000 im Jahr 2017 auf 10.000 im Jahr 2024
       gesunken. Der Grund: „Der Bäckerberuf wurde über Jahrzehnte abgewertet. Das
       ist bei den Menschen drinnen im Kopf“, sagt Kerstin Ostendorf. Ihr Sohn
       nickt zustimmend: „Fachkräfte wurden ewig lange ausgeblutet, sodass viele
       in besser bezahlte Berufe umgeschult sind. 20 Jahre Verschleppung fallen
       der ganzen Branche jetzt knallhart auf die Füße“, sagt er.
       
       Hinzu kämen Faktoren wie schlechte Bezahlung und arbeitnehmerfeindliche
       Arbeitszeiten. In der Bäckerei Möhring beginnt die Backschicht um 4 Uhr
       morgens. „Das ist schon cool“, sagt Marcus Ostendorf. Im Nachbarort würde
       um 2 Uhr angefangen. Später könnten sie sich jedoch nicht leisten
       anzufangen: „Wir sind ein Dorfbäcker. Es wird erwartet, dass wir ab morgens
       früh Brot, Brötchen und Kuchen da haben“, sagt seine Mutter pflichtbewusst.
       
       Johann Kreter aus Berlin meint, heute könne man wegen Innovation auf
       Nachtarbeit verzichten. So lautet auch eine Empfehlung der NGG, die in
       Kooperation mit der Hans-Böckler-Stiftung die [4][Branchenanalyse
       „Bäckerei-Monitor“] durchgeführt hat. Moderne Kältetechnik,
       Gärunterbrechung sowie Veränderungen der Teigführung könnten dazu
       beitragen, dass Teige schon tagsüber vorbereitet werden könnten, heißt es.
       Die Verlagerung von Nacht- auf Tagarbeit würde dazu führen,
       Arbeitsbedingungen und Attraktivität des Bäckerhandwerks zu verbessern.
       
       Denn Industriebetriebe haben zunehmend Schwierigkeiten, Personal zu finden
       – trotz höherer Löhne. Die Arbeit dort beginnt oft um 18 oder 20 Uhr,
       nachts wird ausgeliefert. „Das ist Arbeit, wie sie nicht mehr sein sollte“,
       sagt Kreter. „Man arbeitet nicht mehr im Takt des Teiges, sondern im Takt
       der Maschine – die immer gefüttert werden muss.“
       
       Vor allem die junge Generation sei nicht mehr bereit, nachts zu arbeiten,
       so Kreter. Er sieht mittelgroße Betriebe, die halb-industriell nachts
       produzieren, daher als aussterbendes Modell. Langfristig, so seine
       Einschätzung, werden sich für die breite Masse die industriellen
       Großbäckereien durchsetzen, die für die Supermärkte und Discounter
       produzieren – und für eine kleinere Gruppe die handwerklichen Bäckereien
       mit Qualitätsprodukten.
       
       Die Arbeitszeiten in Kreters Bäckerei sind sozial: Die Backschicht beginnt
       um 6.30 Uhr, geöffnet hat der Bäcker nur an fünf Tagen. Personalmangel ist
       für ihn kein Thema: „Ich habe ein exzellentes Team aus 20 Leuten.“ Das Team
       ist jung, zurzeit hat er zwei Auszubildende.
       
       Johann Kreter sieht auch dringenden Reformbedarf im veralteten
       Berufsschulsystem. Vor allem Quereinsteiger mit akademischer Ausbildung
       würden häufig aufgrund der großen Unterschiede im Bildungsniveau
       abspringen. Kreter fordert daher Klassen, die an das jeweilige
       Bildungsniveau angepasst sind. „Sonst werden wir das System nicht
       attraktiv halten für junge Menschen.“
       
       Quereinsteiger betrachtet er inzwischen als unerlässlich für das Überleben
       des Bäckerwesens. Denn: „Wir bilden viel zu wenig Meister aus.“ In Berlin
       werden laut Akademie des Deutschen Bäckerhandwerks jedes Jahr nur 12 bis 15
       Bäckermeister ausgebildet. Ein Fünftel davon sind Quereinsteiger.
       
       Marcus Ostendorf und Johann Kreter sind daher überzeugt, dass
       Quereinsteiger, die Sauerteigbäckereien eröffnen, der Bäckerbranche
       zugutekommen. „Brotboutiquen verändern das Image des Bäckerberufs, der
       lange Zeit im Verruf war“, sagt Ostendorf. „Diese Emporkömmlinge zeigen den
       ganzen alteingesessenen Bäckern, die sich gar nicht bewegen, mal mit einem
       Paukenschlag, wie man es hinkriegt, mit innovativen neuen Produkten Kohle
       zu machen und wie Bäckerhandwerk anders geht.“
       
       5 May 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.baeckerhandwerk.de/zahlen-fakten
   DIR [2] /Lebenmittel-retten/!5935625
   DIR [3] https://www.stadt-land-drohne.de/
   DIR [4] https://www.ngg.net/presse/pressemitteilungen/2025/ngg-macht-sich-fuer-zukunft-der-backwarenbranche-stark/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lilly Schröder
       
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