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       # taz.de -- Aufrüstung und Militär: Zwischen Nicht-schießen-Patriotismus und Militär-Holdrio
       
       > In Zeiten der Aufrüstung braucht es eine Militärdebatte. Wenn schon mehr
       > Waffen, dann welche? Und sind Truppe und Politik für solche Fragen
       > gerüstet?
       
   IMG Bild: Unehrlich und unfair: der Umgang der Bundespolitik mit der Bundeswehr
       
       Als ich einmal bei der taz für die Bundeswehr zuständig war, habe ich viel
       mit Bundeswehr-Angehörigen gesprochen, und eines hat mich dabei besonders
       überrascht: Der Respekt von SoldatInnen für PazifistInnen – in diesem Fall
       verstanden als Leute, die schlicht nicht schießen wollen. (Es gibt auch
       andere Definitionen, wie [1][mein Kollege Pascal Beucker] erläutert.)
       
       „Dass man Militär und Töten ablehnt, kann ich gut verstehen“, hieß es dann
       sinngemäß. „Aber so was dazwischen – so halb die Notwendigkeit anerkennen,
       aber dann doch blöd finden –, das ist unehrlich und unfair.“ Gemeint, aber
       nicht offen benannt war damit unter anderem der Umgang der Bundespolitik
       mit der Bundeswehr: regelmäßig über den Scheitel streicheln, aber ansonsten
       so wenig wie möglich erwähnen und eher nicht mit funktionstüchtigen Waffen
       ausstatten.
       
       Inzwischen hatten wir eine Zeitenwende. Putin mal Trump ergibt eine
       maximale Unberechenbarkeit der Dinge, in jedem Fall aber eine
       Sicherheitslage, die sich multiplizierend auf Rüstungsausgaben auswirkt.
       Die Waffen, die da jetzt bestellt werden, so [2][hat es jüngst die Chefin
       der zuständigen Behörde dem Spiegel in einem bemerkenswerten] Interview
       erklärt, sollen schnell kommen und dann auch einsatzbereit sein. Alles
       daran wäre wirklich neu.
       
       Es lässt mich außerdem an die BundeswehrsoldatInnen denken, die sich im
       Nachhinein bestätigt fühlen dürfen: Genau, die komplette Gerätebeschaffung
       war ein gigantischer Verzögerungstrick. Was ja übrigens der Löwenanteil der
       Unions- wie der SPD-Politik immer schon war und mit Blick in den aktuellen
       Koalitionsvertrag auch bleiben wird, außer bei der Rüstung halt.
       
       ## Wilhelminisch anmutende Gesprächskultur
       
       Und doch tut sich zwischen dem Nicht-schießen-Pazifismus, [3][den es
       legitimerweise weiter gibt], und hundertprozentigem Militär-Holdrio ein
       neues Dazwischen auf, das der Bundeswehr nicht gefallen wird: der Bereich
       des „O. k., aber so nicht“. Wenn mehr Waffen – warum diese und nicht jene?
       Was soll hieran Putin abschrecken – und nicht daran? Und so weiter.
       
       Auch für all diese Fragen sollte sich die Truppe rüsten, und im Idealfall
       hat sie sogar Antworten parat beziehungsweise dürfen ihre Angehörigen sie
       auch ohne Segnung der Pressestelle des Verteidigungsministeriums geben.
       Denn das wird in der notwendigen Militärdebatte ja noch so ein Problem:
       eine wilhelminisch anmutende Gesprächskultur, in der ausgewählte
       WehrvertreterInnen nur ausgewählt verdruckste Vokabeln feilbieten, die aber
       leider nicht viel erklären.
       
       Dies kann man dem offenkundig im Amt bleibenden Verteidigungsminister Boris
       Pistorius (SPD) schon einmal zugutehalten: eine zwar angreifbare (Stichwort
       „[4][kriegstüchtig]“), aber auch offenere Kommunikationsweise.
       
       So richtig aufregend dürfte die Rüstungsdebatte allerdings werden, wenn sie
       nun tatsächlich europäisiert werden sollte. Der Chef der Europäischen
       Volkspartei Manfred Weber (CSU) [5][hat da einen Punkt: Eine europäische]
       Verteidigung – finanziert durch gemeinsame europäische Schulden – wäre
       womöglich schon deshalb wünschenswert, weil die rein nationalen
       Verteidigungspolitiken demnächst etwa bei Marine Le Pens Leuten und der AfD
       landen könnten. Die Idee dabei: Europa wird im Schnitt immer weniger rechts
       sein als die Rechtsextremen in Frankreich und Deutschland.
       
       Sollte die Verteidigungspolitik sich dann in den 24 Amtssprachen der
       Europäischen Union abspielen, ist es allerdings nicht nur mit der Message
       Control der Bundesministerien vorbei. Auch die demokratische Kontrolle der
       Entscheidungen selbst wird dann schwieriger. Um für das gewappnet zu sein,
       was dann in Brüssel besprochen wird, müssten wir jetzt ziemlich schnell
       lernen, über die sinnvolle Verwendung eines vervielfachten Militäretats zu
       streiten.
       
       3 May 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /!vn6062462/
   DIR [2] https://www.spiegel.de/politik/aufruestung-der-bundeswehr-uns-wird-niemand-ueber-den-tisch-ziehen-a-eae67b28-2ab7-4027-b65e-9ddf6558b959
   DIR [3] /Ole-Nymoen-und-die-Frage-des-Krieges/!6082529
   DIR [4] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw23-de-regierungsbefragung-1002264
   DIR [5] https://www.sueddeutsche.de/politik/manfred-weber-evp-eu-verteidigungsunion-eurobonds-li.3241960
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrike Winkelmann
       
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