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       # taz.de -- Harvard klagt gegen Trump-Regierung: Feindbild Uni
       
       > Trumps Angriff auf die Wissenschaft offenbart einen Vertrauensverlust,
       > den die Unis bekämpfen müssen. Die Harvard University wehrt sich.
       
   IMG Bild: Studierende, Dozenten und Mitglieder der Harvard Universität demonstrieren gegen die Trump Regierung
       
       Zuletzt endet der Widerstand im Geist. Wenn Forschende sich manche Frage
       nicht mehr zu stellen trauen, hat die Angst längst übernommen. Die Suche
       nach Wissen oder Wahrheit hat dann ausgedient. So weit ist es in den USA
       noch nicht, da ist noch Widerstand. Aber an manchen Universitäten beginnt
       es mittlerweile zu frösteln.
       
       Schon jetzt entfernen Forschende, die Angst haben, ihre Finanzierung oder
       ihren Job zu verlieren, ihre Namen aus Veröffentlichungen, geben Studien
       auf oder schreiben sie um, „um wissenschaftlich korrekte Begriffe (wie
       ‚Klimawandel‘) zu streichen, weil diese von den Behörden als unzulässig
       eingestuft werden“. So beschreibt es [1][ein offener Brief], den Ende März
       190 Wissenschaftler*innen unterzeichnet haben.
       
       Wie ernst die Lage ist, hat die Harvard University verstanden und deshalb
       der US-Regierung am Montag eine unmissverständliche Kampfansage gemacht.
       Dagegen, dass die Regierung zwei Milliarden Dollar auf Eis gelegt hatte,
       hat die Hochschule am Montag Klage eingereicht. Im Schreiben an die
       Harvard-Community stellte sich der Universitätspräsident Alan Garber klar
       gegen Trumps Forderungen: „Keine Regierung – unabhängig davon, welche
       Partei an der Macht ist – sollte diktieren, was private Universitäten
       lehren dürfen, wen sie zulassen und einstellen dürfen und welche Studien-
       und Forschungsbereiche sie verfolgen dürfen.“
       
       US-Präsident Trump hat in seiner zweiten Amtszeit eine
       wissenschaftsfeindliche Maßnahme nach der anderen erlassen. Er hat
       Forschungsprojekte gestrichen oder pausiert, die ideologisch nicht zur
       Regierung passen, weil sie „illegale diskriminatorische“ Maßnahmen zu
       Diversität enthielten oder unter dem Vorwand des Kampfs gegen
       Antisemitismus. Dadurch droht ebendieser ausgehöhlt zu werden, indem er zur
       Durchsetzung autoritärer Maßnahmen missbraucht wird, während die
       Diskriminierung, die Jüd*innen erleben, keine Beachtung mehr findet.
       
       Trumps Angriff ist nicht nur einer auf den wissenschaftlichen Betrieb,
       sondern auch, wie die Yale-Professorin für englische Literatur Meghan
       O’Rourke in der New York Times schreibt, „ein Angriff auf die Bedingungen,
       die freies Denken ermöglichen“. Der Angriff auf die Hochschulen soll
       oppositionelle Akteure einschüchtern und auch all jene, die es mal werden
       könnten.
       
       ## Die neue rote Angst
       
       Das Feindbild Hochschulen ist aber keineswegs neu. Donald Trump reiht sich
       ein unter andere Konservative in den USA, die versucht haben, Universitäten
       als elitäre Indoktrinationszentren darzustellen. Es beruhe mindestens auf
       „the Red Scare“, der „Roten Angst“ Mitte des 20. Jahrhunderts, als die
       Wissenschaftsfreiheit bereits stark eingeschränkt wurde, schreibt O’Rourke
       in ihrem Essay. Damals verfolgten antikommunistische Kräfte die politische
       Linke.
       
       Columbia und Harvard öffnen nun als erste attackierte Universitäten das
       Spannungsfeld für andere Hochschulen: nachgeben oder kämpfen. Einen Tag
       nach der Klage gegen die Regierung haben 224 Hochschulleiter [2][ein
       gemeinsames Statement unterzeichnet], worin sie den Versuch der
       Trump-Regierung, Kontrolle über die Universitäten zu erreichen,
       verurteilen. Doch viel mehr Forschende versuchen bislang, sich wegzuducken
       und aus dem Blickfeld zu kommen, um ja nicht das nächste Ziel der Regierung
       zu werden.
       
       Wenn sich das Duckmäusertum durchsetzt, braucht es womöglich gar keinen
       strafenden Hammer mehr, um ein anderes Denken zu etablieren. Wer sich in
       vorauseilendem Gehorsam immer mehr anpasst, verinnerlicht bereits das
       Denken und die Regeln des anderen. Eine Unterscheidung – gehen sie im
       Gleichschritt mit der Ideologie, laufen sie parallel mit, oder sind sie
       schon aufgegangen in der Konformität? – ist dann hinfällig.
       
       Für Universitäten, die diesen Weg gehen, könne dies „den Anfang vom Ende
       ihrer akademischen Unabhängigkeit bedeuten“, mahnt Iveta Silova,
       Professorin an der Arizona State University, [3][in einem Essay Anfang
       April] und erinnert an die Parallelen zur Sowjetunion und zu
       Nazideutschland. Was Hitlers Befehl, akademische Einrichtungen von Juden
       und politischen Gegnern zu befreien, so durchsetzungsfähig machte, schreibt
       sie, „war der Eifer vieler akademischer Leiter, die neue Ordnung zu
       erfüllen, zu rechtfertigen und zu normalisieren“.
       
       Durch Selbstzensur sei bereits jetzt ein Kulturwandel an Universitäten zu
       erleben, erzählen manche. Dozierende wie Studierende werden teils gebeten,
       ihre Pronomen aus ihren Mailsignaturen zu entfernen, Projektanträge wurden
       von unerwünschten Wörtern bereinigt oder neu angepasst, Lehrpläne und
       Websites nach „ideologischen Verstößen“ durchsucht.
       
       ## Die Raupe-Nimmersatt-Regierung
       
       Die nun fast 100 Tage seit Trumps Amtseinführung haben doch gezeigt: Wer
       sich auf einen Deal mit Trump einlässt, kommt nicht mehr los. Die Raupe
       Nimmersatt, die die Trump-Regierung ist, kalkuliert damit, dass manche ihr
       den kleinen Finger reichen, und verlangt daher nicht nur gleich die ganze
       Hand, sondern Arm und Kopf dazu.
       
       Schweigen schützt nicht. Also Widerstand. Der kann nicht nur vor Gericht
       enden. Denn Trump muss gar nicht vor Gericht recht bekommen, um am Ende für
       sich beanspruchen zu können, gewonnen zu haben. Es reicht, wenn er den
       Glauben der Rechtskonservativen stärkt und weiterhin verbreitet, dass die
       Universitäten dem Land nur schadeten und ungerechtfertigt viel zu viele
       Gelder einstrichen. Es reicht, wenn er den Rückhalt der Bevölkerung hat.
       Bereits jetzt ist die Unterstützung für die Hochschulbildung im Land an
       einem Tiefpunkt, Corona und die immer teureren Schulen haben das nur
       verstärkt.
       
       Neben dem Gerichtssaal müssen Hochschulen nun ihre Rolle als
       [4][Austragungsort gesellschaftlicher Auseinandersetzungen] wieder stärken.
       Hochschulen müssen ihren Lehrauftrag in den Vordergrund stellen und den
       Zugang zu ihren Hörsälen wieder viel mehr Menschen ermöglichen. Und so ihre
       Studierenden vor einem immer repressiver agierenden Staat schützen.
       
       25 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://docs.google.com/document/d/13gmMJOMsoNKC4U-A8rhJrzu_xhgS51PEfNMPG9Q_cmE/preview?tab=t.0#heading=h.b3f2t4qlidd
   DIR [2] https://www.aacu.org/newsroom/a-call-for-constructive-engagement
   DIR [3] https://theconversation.com/universities-in-nazi-germany-and-the-soviet-union-thought-giving-in-to-government-demands-would-save-their-independence-252888%20
   DIR [4] /USA-Besuch-von-Itamar-Ben-Gvir/!6080823
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Adefunmi Olanigan
       
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